Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682.

Bild:
<< vorherige Seite

Oden.
ein Leben/ dadurch die Gemüther auffge-
muntert/ und zu allerhand Bewegungen
gereitzet werden. Daher ist gekommen/
daß wann man etwas auff die Nachkom-
men fortbringen wollen/ man sol-
ches in Gesannge verfasset/ da man noch
die Schreibkunst nicht gehabt. Wann
unter dem Pöbel etwas seltzames sich be-
gibt/ so pflegen sie reimende Sprichwör-
ter davon zu machen. Dann sie bilden
ihm viel ehe die Wörter ein/ die eine har-
moniam
bey sich führen. Weiln [n]un das
metrum nicht allein belustiget/ sondern
auch die Rede gleichsam befestiget und
verewiget/ so hat man zu dem Gottesdienst
und der Helden Lob solche Gesannge er-
wehlet. Es ist nicht unglanublich/ daß
auch vor der Sündfluth dergleichen ge-
wesen. Nach derselben sind keine ältere
als des Mosis seine/ welchen hernach die
Heidnischen gefolget/ die Campanella gar
artig degeneres Prophetas nennet. Solche
Carmina sind bey den Griechen Oden/ bey
den Teutschen Lieder genant. Das Wort

Ode

Oden.
ein Leben/ dadurch die Gemuͤther auffge-
muntert/ und zu allerhand Bewegungen
gereitzet werden. Daher iſt gekommen/
daß wann man etwas auff die Nachkom-
men fortbringen wollen/ man ſol-
ches in Geſānge verfaſſet/ da man noch
die Schreibkunſt nicht gehabt. Wann
unter dem Poͤbel etwas ſeltzames ſich be-
gibt/ ſo pflegen ſie reimende Sprichwoͤr-
ter davon zu machen. Dann ſie bilden
ihm viel ehe die Woͤrter ein/ die eine har-
moniam
bey ſich fuͤhren. Weiln [n]un das
metrum nicht allein beluſtiget/ ſondern
auch die Rede gleichſam befeſtiget und
verewiget/ ſo hat man zu dem Gottesdienſt
und der Helden Lob ſolche Geſānge er-
wehlet. Es iſt nicht unglāublich/ daß
auch vor der Suͤndfluth dergleichen ge-
weſen. Nach derſelben ſind keine aͤltere
als des Moſis ſeine/ welchen hernach die
Heidniſchen gefolget/ die Campanella gar
artig degeneres Prophetas neñet. Solche
Carmina ſind bey den Griechen Oden/ bey
den Teutſchen Lieder genant. Das Wort

Ode
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0713" n="701"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Oden.</hi></fw><lb/>
ein Leben/ dadurch die Gemu&#x0364;ther auffge-<lb/>
muntert/ und zu allerhand Bewegungen<lb/>
gereitzet werden. Daher i&#x017F;t gekommen/<lb/>
daß wann man etwas auff die Nachkom-<lb/>
men fortbringen wollen/ man &#x017F;ol-<lb/>
ches in Ge&#x017F;a&#x0304;nge verfa&#x017F;&#x017F;et/ da man noch<lb/>
die Schreibkun&#x017F;t nicht gehabt. Wann<lb/>
unter dem Po&#x0364;bel etwas &#x017F;eltzames &#x017F;ich be-<lb/>
gibt/ &#x017F;o pflegen &#x017F;ie reimende Sprichwo&#x0364;r-<lb/>
ter davon zu machen. Dann &#x017F;ie bilden<lb/>
ihm viel ehe die Wo&#x0364;rter ein/ die eine <hi rendition="#aq">har-<lb/>
moniam</hi> bey &#x017F;ich fu&#x0364;hren. Weiln <supplied>n</supplied>un das<lb/><hi rendition="#aq">metrum</hi> nicht allein belu&#x017F;tiget/ &#x017F;ondern<lb/>
auch die Rede gleich&#x017F;am befe&#x017F;tiget und<lb/>
verewiget/ &#x017F;o hat man zu dem Gottesdien&#x017F;t<lb/>
und der Helden Lob &#x017F;olche Ge&#x017F;a&#x0304;nge er-<lb/>
wehlet. Es i&#x017F;t nicht ungla&#x0304;ublich/ daß<lb/>
auch vor der Su&#x0364;ndfluth dergleichen ge-<lb/>
we&#x017F;en. Nach der&#x017F;elben &#x017F;ind keine a&#x0364;ltere<lb/>
als des Mo&#x017F;is &#x017F;eine/ welchen hernach die<lb/>
Heidni&#x017F;chen gefolget/ die <hi rendition="#aq">Campanella</hi> gar<lb/>
artig <hi rendition="#aq">degeneres Prophetas</hi> nen&#x0303;et. Solche<lb/><hi rendition="#aq">Carmina</hi> &#x017F;ind bey den Griechen Oden/ bey<lb/>
den Teut&#x017F;chen Lieder genant. Das Wort<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ode</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[701/0713] Oden. ein Leben/ dadurch die Gemuͤther auffge- muntert/ und zu allerhand Bewegungen gereitzet werden. Daher iſt gekommen/ daß wann man etwas auff die Nachkom- men fortbringen wollen/ man ſol- ches in Geſānge verfaſſet/ da man noch die Schreibkunſt nicht gehabt. Wann unter dem Poͤbel etwas ſeltzames ſich be- gibt/ ſo pflegen ſie reimende Sprichwoͤr- ter davon zu machen. Dann ſie bilden ihm viel ehe die Woͤrter ein/ die eine har- moniam bey ſich fuͤhren. Weiln nun das metrum nicht allein beluſtiget/ ſondern auch die Rede gleichſam befeſtiget und verewiget/ ſo hat man zu dem Gottesdienſt und der Helden Lob ſolche Geſānge er- wehlet. Es iſt nicht unglāublich/ daß auch vor der Suͤndfluth dergleichen ge- weſen. Nach derſelben ſind keine aͤltere als des Moſis ſeine/ welchen hernach die Heidniſchen gefolget/ die Campanella gar artig degeneres Prophetas neñet. Solche Carmina ſind bey den Griechen Oden/ bey den Teutſchen Lieder genant. Das Wort Ode

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682/713
Zitationshilfe: Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682/713>, abgerufen am 26.05.2024.