Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. ner Freunde den sertorianischen Krieg zu Gunsten der legitimenRegierung entschieden hatte. Die Sclaven nun gar war es viel weniger eine Ehre besiegt, als eine Schande ihnen jahrelang in gleichem Kampfe gegenüber gestanden zu haben. Wenig mehr als ein Jahrhundert war seit dem hannibalischen Kriege verflos- sen; es musste dem ehrbaren Römer das Blut in die Wangen treiben, wenn er den furchtbar raschen Rückschritt der Nation seit jener grossen Zeit erwog. Damals standen die italischen Sclaven wie die Mauern gegen Hannibals Veteranen; jetzt stäubte die ita- lische Landwehr vor den Knitteln ihrer entlaufenen Knechte wie Spreu aus einander. Damals machte jeder einfache Oberst im Fall der Noth den Feldherrn und focht wo nicht immer mit Glück, doch immer mit Ehren; jetzt hielt es hart unter all den vorneh- men Offizieren nur einen Führer von gewöhnlicher Brauchbarkeit zu finden. Damals nahm die Regierung lieber den letzten Bauer vom Pflug, als dass sie darauf verzichtet hätte Griechenland und Spanien zu erobern; jetzt war man drauf und dran beide längst erworbene Gebiete wieder preiszugeben, nur um daheim der auf- ständischen Knechte sich erwehren zu können. Auch Spartacus hatte so gut wie Hannibal vom Po bis an die sicilische Meerenge Italien mit Heeresmacht durchzogen, beide Consuln geschlagen und Rom mit der Blokade bedroht; wozu es gegen das damalige Rom des grössten Feldherrn des Alterthums bedurft hatte, das ver- mochte gegen das jetzige ein kecker Räuberhauptmann. War es ein Wunder, dass solchen Siegen über Insurgenten und Räuberhaupt- leute kein frisches Leben entkeimte? -- Ein noch minder erfreu- liches Ergebniss aber hatten die äusseren Kriege herausgestellt. Zwar der thrakisch-makedonische hatte, wenn auch kein dem ansehnlichen Aufwand von Menschen und Geld entsprechendes, doch auch kein positiv ungünstiges Resultat gegeben. Dagegen in dem kleinasiatischen und in dem Piratenkrieg hätte die Regie- rung vollständigen Bankerott gemacht. Jener schloss ab mit dem Verlust der gesammten in acht blutigen Feldzügen gemachten Er- oberungen, dieser mit der vollständigen Verdrängung der Römer von ,ihrem Meer'. Einst hatte Rom im Vollgefühl der Unwider- stehlichkeit seiner Landmacht dies Uebergewicht auch auf das zweite Element übertragen; jetzt war der gewaltige Staat zur See ohnmächtig und wie es schien im Begriff auch wenigstens über den asiatischen Continent die Herrschaft einzubüssen. Die mate- riellen Wohlthaten des staatlichen Daseins: Sicherheit der Gren- zen, ungestörter friedlicher Verkehr, Rechtsschutz, geordnete Verwaltung fingen an alle mit einander den sämmtlichen im rö- Röm. Gesch. III. 6
DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. ner Freunde den sertorianischen Krieg zu Gunsten der legitimenRegierung entschieden hatte. Die Sclaven nun gar war es viel weniger eine Ehre besiegt, als eine Schande ihnen jahrelang in gleichem Kampfe gegenüber gestanden zu haben. Wenig mehr als ein Jahrhundert war seit dem hannibalischen Kriege verflos- sen; es muſste dem ehrbaren Römer das Blut in die Wangen treiben, wenn er den furchtbar raschen Rückschritt der Nation seit jener groſsen Zeit erwog. Damals standen die italischen Sclaven wie die Mauern gegen Hannibals Veteranen; jetzt stäubte die ita- lische Landwehr vor den Knitteln ihrer entlaufenen Knechte wie Spreu aus einander. Damals machte jeder einfache Oberst im Fall der Noth den Feldherrn und focht wo nicht immer mit Glück, doch immer mit Ehren; jetzt hielt es hart unter all den vorneh- men Offizieren nur einen Führer von gewöhnlicher Brauchbarkeit zu finden. Damals nahm die Regierung lieber den letzten Bauer vom Pflug, als daſs sie darauf verzichtet hätte Griechenland und Spanien zu erobern; jetzt war man drauf und dran beide längst erworbene Gebiete wieder preiszugeben, nur um daheim der auf- ständischen Knechte sich erwehren zu können. Auch Spartacus hatte so gut wie Hannibal vom Po bis an die sicilische Meerenge Italien mit Heeresmacht durchzogen, beide Consuln geschlagen und Rom mit der Blokade bedroht; wozu es gegen das damalige Rom des gröſsten Feldherrn des Alterthums bedurft hatte, das ver- mochte gegen das jetzige ein kecker Räuberhauptmann. War es ein Wunder, daſs solchen Siegen über Insurgenten und Räuberhaupt- leute kein frisches Leben entkeimte? — Ein noch minder erfreu- liches Ergebniſs aber hatten die äuſseren Kriege herausgestellt. Zwar der thrakisch-makedonische hatte, wenn auch kein dem ansehnlichen Aufwand von Menschen und Geld entsprechendes, doch auch kein positiv ungünstiges Resultat gegeben. Dagegen in dem kleinasiatischen und in dem Piratenkrieg hätte die Regie- rung vollständigen Bankerott gemacht. Jener schloſs ab mit dem Verlust der gesammten in acht blutigen Feldzügen gemachten Er- oberungen, dieser mit der vollständigen Verdrängung der Römer von ‚ihrem Meer‘. Einst hatte Rom im Vollgefühl der Unwider- stehlichkeit seiner Landmacht dies Uebergewicht auch auf das zweite Element übertragen; jetzt war der gewaltige Staat zur See ohnmächtig und wie es schien im Begriff auch wenigstens über den asiatischen Continent die Herrschaft einzubüſsen. Die mate- riellen Wohlthaten des staatlichen Daseins: Sicherheit der Gren- zen, ungestörter friedlicher Verkehr, Rechtsschutz, geordnete Verwaltung fingen an alle mit einander den sämmtlichen im rö- Röm. Gesch. III. 6
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0091" n="81"/><fw place="top" type="header">DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.</fw><lb/> ner Freunde den sertorianischen Krieg zu Gunsten der legitimen<lb/> Regierung entschieden hatte. Die Sclaven nun gar war es viel<lb/> weniger eine Ehre besiegt, als eine Schande ihnen jahrelang in<lb/> gleichem Kampfe gegenüber gestanden zu haben. Wenig mehr<lb/> als ein Jahrhundert war seit dem hannibalischen Kriege verflos-<lb/> sen; es muſste dem ehrbaren Römer das Blut in die Wangen<lb/> treiben, wenn er den furchtbar raschen Rückschritt der Nation seit<lb/> jener groſsen Zeit erwog. Damals standen die italischen Sclaven<lb/> wie die Mauern gegen Hannibals Veteranen; jetzt stäubte die ita-<lb/> lische Landwehr vor den Knitteln ihrer entlaufenen Knechte wie<lb/> Spreu aus einander. Damals machte jeder einfache Oberst im Fall<lb/> der Noth den Feldherrn und focht wo nicht immer mit Glück,<lb/> doch immer mit Ehren; jetzt hielt es hart unter all den vorneh-<lb/> men Offizieren nur einen Führer von gewöhnlicher Brauchbarkeit<lb/> zu finden. Damals nahm die Regierung lieber den letzten Bauer<lb/> vom Pflug, als daſs sie darauf verzichtet hätte Griechenland und<lb/> Spanien zu erobern; jetzt war man drauf und dran beide längst<lb/> erworbene Gebiete wieder preiszugeben, nur um daheim der auf-<lb/> ständischen Knechte sich erwehren zu können. Auch Spartacus<lb/> hatte so gut wie Hannibal vom Po bis an die sicilische Meerenge<lb/> Italien mit Heeresmacht durchzogen, beide Consuln geschlagen<lb/> und Rom mit der Blokade bedroht; wozu es gegen das damalige<lb/> Rom des gröſsten Feldherrn des Alterthums bedurft hatte, das ver-<lb/> mochte gegen das jetzige ein kecker Räuberhauptmann. War es ein<lb/> Wunder, daſs solchen Siegen über Insurgenten und Räuberhaupt-<lb/> leute kein frisches Leben entkeimte? — Ein noch minder erfreu-<lb/> liches Ergebniſs aber hatten die äuſseren Kriege herausgestellt.<lb/> Zwar der thrakisch-makedonische hatte, wenn auch kein dem<lb/> ansehnlichen Aufwand von Menschen und Geld entsprechendes,<lb/> doch auch kein positiv ungünstiges Resultat gegeben. Dagegen<lb/> in dem kleinasiatischen und in dem Piratenkrieg hätte die Regie-<lb/> rung vollständigen Bankerott gemacht. Jener schloſs ab mit dem<lb/> Verlust der gesammten in acht blutigen Feldzügen gemachten Er-<lb/> oberungen, dieser mit der vollständigen Verdrängung der Römer<lb/> von ‚ihrem Meer‘. Einst hatte Rom im Vollgefühl der Unwider-<lb/> stehlichkeit seiner Landmacht dies Uebergewicht auch auf das<lb/> zweite Element übertragen; jetzt war der gewaltige Staat zur See<lb/> ohnmächtig und wie es schien im Begriff auch wenigstens über<lb/> den asiatischen Continent die Herrschaft einzubüſsen. Die mate-<lb/> riellen Wohlthaten des staatlichen Daseins: Sicherheit der Gren-<lb/> zen, ungestörter friedlicher Verkehr, Rechtsschutz, geordnete<lb/> Verwaltung fingen an alle mit einander den sämmtlichen im rö-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Röm. Gesch. III. 6</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0091]
DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
ner Freunde den sertorianischen Krieg zu Gunsten der legitimen
Regierung entschieden hatte. Die Sclaven nun gar war es viel
weniger eine Ehre besiegt, als eine Schande ihnen jahrelang in
gleichem Kampfe gegenüber gestanden zu haben. Wenig mehr
als ein Jahrhundert war seit dem hannibalischen Kriege verflos-
sen; es muſste dem ehrbaren Römer das Blut in die Wangen
treiben, wenn er den furchtbar raschen Rückschritt der Nation seit
jener groſsen Zeit erwog. Damals standen die italischen Sclaven
wie die Mauern gegen Hannibals Veteranen; jetzt stäubte die ita-
lische Landwehr vor den Knitteln ihrer entlaufenen Knechte wie
Spreu aus einander. Damals machte jeder einfache Oberst im Fall
der Noth den Feldherrn und focht wo nicht immer mit Glück,
doch immer mit Ehren; jetzt hielt es hart unter all den vorneh-
men Offizieren nur einen Führer von gewöhnlicher Brauchbarkeit
zu finden. Damals nahm die Regierung lieber den letzten Bauer
vom Pflug, als daſs sie darauf verzichtet hätte Griechenland und
Spanien zu erobern; jetzt war man drauf und dran beide längst
erworbene Gebiete wieder preiszugeben, nur um daheim der auf-
ständischen Knechte sich erwehren zu können. Auch Spartacus
hatte so gut wie Hannibal vom Po bis an die sicilische Meerenge
Italien mit Heeresmacht durchzogen, beide Consuln geschlagen
und Rom mit der Blokade bedroht; wozu es gegen das damalige
Rom des gröſsten Feldherrn des Alterthums bedurft hatte, das ver-
mochte gegen das jetzige ein kecker Räuberhauptmann. War es ein
Wunder, daſs solchen Siegen über Insurgenten und Räuberhaupt-
leute kein frisches Leben entkeimte? — Ein noch minder erfreu-
liches Ergebniſs aber hatten die äuſseren Kriege herausgestellt.
Zwar der thrakisch-makedonische hatte, wenn auch kein dem
ansehnlichen Aufwand von Menschen und Geld entsprechendes,
doch auch kein positiv ungünstiges Resultat gegeben. Dagegen
in dem kleinasiatischen und in dem Piratenkrieg hätte die Regie-
rung vollständigen Bankerott gemacht. Jener schloſs ab mit dem
Verlust der gesammten in acht blutigen Feldzügen gemachten Er-
oberungen, dieser mit der vollständigen Verdrängung der Römer
von ‚ihrem Meer‘. Einst hatte Rom im Vollgefühl der Unwider-
stehlichkeit seiner Landmacht dies Uebergewicht auch auf das
zweite Element übertragen; jetzt war der gewaltige Staat zur See
ohnmächtig und wie es schien im Begriff auch wenigstens über
den asiatischen Continent die Herrschaft einzubüſsen. Die mate-
riellen Wohlthaten des staatlichen Daseins: Sicherheit der Gren-
zen, ungestörter friedlicher Verkehr, Rechtsschutz, geordnete
Verwaltung fingen an alle mit einander den sämmtlichen im rö-
Röm. Gesch. III. 6
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |