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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
Haufen zusammen. Eine andere Reiterabtheilung unter Metro-
phanes und Lucius Fannius musste nach langer Irrfahrt im
westlichen Kleinasien wieder in das Lager vor Kyzikos zurück-
kehren. Hunger und Seuchen räumten unter den pontischen
Schaaren fürchterlich auf. Als der Frühling herankam (681),
verdoppelten die Belagerten ihre Anstrengungen und nahmen die
auf dem Dindymon angelegten Schanzen; es blieb nichts übrig
als die Belagerung aufzuheben und mit Hülfe, der Flotte zu retten
was zu retten war. Die Flotte nahm den König an Bord und ging
nach dem Hellespont, wobei sie theils bei der Abfahrt, theils un-
terwegs durch Stürme beträchtliche Einbusse erlitt. Unter Zu-
rücklassung des Gepäcks so wie der Kranken und Verwundeten,
die von den erbitterten Kyzikenern sämmtlich niedergemacht
wurden, brachen die Trümmer des Landheers, geführt von Her-
maeos und Marius, nach Lampsakos auf, von dessen Mauern ge-
schützt sie hofften sich einschiffen zu können. Unterwegs fügte
ihnen Lucullus beim Uebergang über die Flüsse Aesepos und
Granikos sehr ansehnlichen Verlust zu; doch erreichten sie ihr
Ziel: die pontischen Schiffe entführten die Ueberreste der grossen
Armee und die lampsakenische Bürgerschaft selbst aus dem Be-
reiche der Römer. -- Lucullus folgerechte und bedächtige Krieg-
führung hatte nicht bloss die Fehler seines Collegen wieder gut
gemacht, sondern auch, ohne eine Hauptschlacht zu liefern, den
Kern der feindlichen Armee -- angeblich 200000 Soldaten --
aufgerieben. Hätte er noch die Flotte gehabt, die im Hafen von
Kalchedon verbrannt war, so würde er die ganze feindliche Armee
vernichtet haben; so blieb das Zerstörungswerk unvollendet und
er musste sogar es leiden, dass trotz der Katastrophe von Kyzi-
kos die pontische Flotte in der Propontis sich aufstellte, Perin-
thos und Byzantion auf der europäischen Küste von ihr blokirt,
Priapos auf der asiatischen ausgeraubt, das königliche Haupt-
quartier nach dem bithynischen Hafen Nikomedeia gelegt ward.
Ja ein erlesenes Geschwader von fünfzig Segeln, das 10000 er-
lesene Leute, darunter Marcus Marius und den Kern der römi-
schen Emigranten trug, segelte sogar hinaus in das aegaeische
Meer; es ging die Rede, dass es bestimmt sei in Italien zu landen
um dort aufs Neue den Bürgerkrieg zu entfachen. Indess fingen
die Schiffe, die Lucullus nach dem Unfall von Kalchedon von den
asiatischen Gemeinden eingefordert hatte, an sich einzustellen
und es konnte ein Geschwader gebildet werden, um die in das
aegaeische Meer abgegangenen feindlichen Schiffe aufzusuchen.
Lucullus selbst, als Flottenführer erprobt (II, 285), übernahm

FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
Haufen zusammen. Eine andere Reiterabtheilung unter Metro-
phanes und Lucius Fannius muſste nach langer Irrfahrt im
westlichen Kleinasien wieder in das Lager vor Kyzikos zurück-
kehren. Hunger und Seuchen räumten unter den pontischen
Schaaren fürchterlich auf. Als der Frühling herankam (681),
verdoppelten die Belagerten ihre Anstrengungen und nahmen die
auf dem Dindymon angelegten Schanzen; es blieb nichts übrig
als die Belagerung aufzuheben und mit Hülfe, der Flotte zu retten
was zu retten war. Die Flotte nahm den König an Bord und ging
nach dem Hellespont, wobei sie theils bei der Abfahrt, theils un-
terwegs durch Stürme beträchtliche Einbuſse erlitt. Unter Zu-
rücklassung des Gepäcks so wie der Kranken und Verwundeten,
die von den erbitterten Kyzikenern sämmtlich niedergemacht
wurden, brachen die Trümmer des Landheers, geführt von Her-
maeos und Marius, nach Lampsakos auf, von dessen Mauern ge-
schützt sie hofften sich einschiffen zu können. Unterwegs fügte
ihnen Lucullus beim Uebergang über die Flüsse Aesepos und
Granikos sehr ansehnlichen Verlust zu; doch erreichten sie ihr
Ziel: die pontischen Schiffe entführten die Ueberreste der groſsen
Armee und die lampsakenische Bürgerschaft selbst aus dem Be-
reiche der Römer. — Lucullus folgerechte und bedächtige Krieg-
führung hatte nicht bloſs die Fehler seines Collegen wieder gut
gemacht, sondern auch, ohne eine Hauptschlacht zu liefern, den
Kern der feindlichen Armee — angeblich 200000 Soldaten —
aufgerieben. Hätte er noch die Flotte gehabt, die im Hafen von
Kalchedon verbrannt war, so würde er die ganze feindliche Armee
vernichtet haben; so blieb das Zerstörungswerk unvollendet und
er muſste sogar es leiden, daſs trotz der Katastrophe von Kyzi-
kos die pontische Flotte in der Propontis sich aufstellte, Perin-
thos und Byzantion auf der europäischen Küste von ihr blokirt,
Priapos auf der asiatischen ausgeraubt, das königliche Haupt-
quartier nach dem bithynischen Hafen Nikomedeia gelegt ward.
Ja ein erlesenes Geschwader von fünfzig Segeln, das 10000 er-
lesene Leute, darunter Marcus Marius und den Kern der römi-
schen Emigranten trug, segelte sogar hinaus in das aegaeische
Meer; es ging die Rede, daſs es bestimmt sei in Italien zu landen
um dort aufs Neue den Bürgerkrieg zu entfachen. Indeſs fingen
die Schiffe, die Lucullus nach dem Unfall von Kalchedon von den
asiatischen Gemeinden eingefordert hatte, an sich einzustellen
und es konnte ein Geschwader gebildet werden, um die in das
aegaeische Meer abgegangenen feindlichen Schiffe aufzusuchen.
Lucullus selbst, als Flottenführer erprobt (II, 285), übernahm

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[52/0062] FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. Haufen zusammen. Eine andere Reiterabtheilung unter Metro- phanes und Lucius Fannius muſste nach langer Irrfahrt im westlichen Kleinasien wieder in das Lager vor Kyzikos zurück- kehren. Hunger und Seuchen räumten unter den pontischen Schaaren fürchterlich auf. Als der Frühling herankam (681), verdoppelten die Belagerten ihre Anstrengungen und nahmen die auf dem Dindymon angelegten Schanzen; es blieb nichts übrig als die Belagerung aufzuheben und mit Hülfe, der Flotte zu retten was zu retten war. Die Flotte nahm den König an Bord und ging nach dem Hellespont, wobei sie theils bei der Abfahrt, theils un- terwegs durch Stürme beträchtliche Einbuſse erlitt. Unter Zu- rücklassung des Gepäcks so wie der Kranken und Verwundeten, die von den erbitterten Kyzikenern sämmtlich niedergemacht wurden, brachen die Trümmer des Landheers, geführt von Her- maeos und Marius, nach Lampsakos auf, von dessen Mauern ge- schützt sie hofften sich einschiffen zu können. Unterwegs fügte ihnen Lucullus beim Uebergang über die Flüsse Aesepos und Granikos sehr ansehnlichen Verlust zu; doch erreichten sie ihr Ziel: die pontischen Schiffe entführten die Ueberreste der groſsen Armee und die lampsakenische Bürgerschaft selbst aus dem Be- reiche der Römer. — Lucullus folgerechte und bedächtige Krieg- führung hatte nicht bloſs die Fehler seines Collegen wieder gut gemacht, sondern auch, ohne eine Hauptschlacht zu liefern, den Kern der feindlichen Armee — angeblich 200000 Soldaten — aufgerieben. Hätte er noch die Flotte gehabt, die im Hafen von Kalchedon verbrannt war, so würde er die ganze feindliche Armee vernichtet haben; so blieb das Zerstörungswerk unvollendet und er muſste sogar es leiden, daſs trotz der Katastrophe von Kyzi- kos die pontische Flotte in der Propontis sich aufstellte, Perin- thos und Byzantion auf der europäischen Küste von ihr blokirt, Priapos auf der asiatischen ausgeraubt, das königliche Haupt- quartier nach dem bithynischen Hafen Nikomedeia gelegt ward. Ja ein erlesenes Geschwader von fünfzig Segeln, das 10000 er- lesene Leute, darunter Marcus Marius und den Kern der römi- schen Emigranten trug, segelte sogar hinaus in das aegaeische Meer; es ging die Rede, daſs es bestimmt sei in Italien zu landen um dort aufs Neue den Bürgerkrieg zu entfachen. Indeſs fingen die Schiffe, die Lucullus nach dem Unfall von Kalchedon von den asiatischen Gemeinden eingefordert hatte, an sich einzustellen und es konnte ein Geschwader gebildet werden, um die in das aegaeische Meer abgegangenen feindlichen Schiffe aufzusuchen. Lucullus selbst, als Flottenführer erprobt (II, 285), übernahm

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/62>, abgerufen am 27.11.2024.