Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. tos zu, sondern wandte sich südwärts in die altrömische Provinz,wo er an der Propontis und am Hellespont sich ausbreitete, Lampsakos besetzte und die grosse und reiche Stadt Kyzikos zu belagern begann. Immer fester verrannte er sich also in die Sackgasse, die er eingeschlagen hatte. Die kyzikenische Bürger- schaft, obwohl sie in der unglücklichen Doppelschlacht von Kal- chedon an Schiffen und an Mannschaft starke Einbusse erlitten hatte, leistete dennoch den entschlossensten Widerstand; wie in wenigen anderen Griechenstädten regte hier sich noch die alte hellenische Tüchtigkeit und Gewandtheit. Kyzikos lag auf einer Insel unmittelbar dem Festland gegenüber und durch eine Brücke mit diesem verbunden. Die Belagerer bemächtigten sich sowohl des Höhenzugs auf dem Festland, der an der Brücke endigt, und der hier gelegenen Vorstadt, als auch auf der Insel selbst der be- rühmten dindymenischen Höhen, und auf der Festland- wie auf der Inselseite boten die griechischen Ingenieure des Königs alle ihre Kunst auf den Sturm möglich zu machen. Allein die Bresche, die endlich zu machen gelang, wurde während der Nacht wieder von den Belagerten geschlossen und die Anstrengungen der königli- chen Armee blieben ebenso fruchtlos wie die barbarische Drohung des Königs die gefangenen Kyzikener vor den Mauern tödten zu lassen, wenn die Bürgerschaft noch länger die Uebergabe ver- weigere. Die Kyzikener setzten die Vertheidigung mit Muth und Glück fort; es fehlte nicht viel, so hätten sie im Laufe der Bela- gerung den König selbst gefangen genommen. Inzwischen hatte Lucullus sich einer sehr festen Position im Rücken der ponti- schen Armee bemächtigt, die ihm zwar nicht gestattete der be- drängten Stadt unmittelbar zu Hülfe zu kommen, aber wohl dem Feinde alle Zufuhr zu Lande abzuschneiden. So stand die unge- heure mit dem Tross auf 300000 Köpfe geschätzte mithradatische Armee weder im Stande zu schlagen noch zu marschiren, fest eingekeilt zwischen der unbezwinglichen Stadt und dem unbe- weglich stehenden römischen Heer, und für allen ihren Bedarf einzig angewiesen auf die See, die zum Glück die pontische Flotte ausschliesslich beherrschte. Aber die schlechte Jahreszeit brach herein; ein Unwetter zerstörte einen grossen Theil der Belage- rungsbauten; der Mangel an Lebensmitteln und vor allem an Pferdefutter fing an unerträglich zu werden. Die Lastthiere und der Tross wurden unter Bedeckung des grössten Theils der pon- tischen Reiterei weggesandt mit dem Auftrag um jeden Preis sich durchzuschleichen oder durchzuschlagen; am Fluss Rhyndakos östlich von Kyzikos holte Lucullus sie ein und hieb den ganzen 4*
DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. tos zu, sondern wandte sich südwärts in die altrömische Provinz,wo er an der Propontis und am Hellespont sich ausbreitete, Lampsakos besetzte und die groſse und reiche Stadt Kyzikos zu belagern begann. Immer fester verrannte er sich also in die Sackgasse, die er eingeschlagen hatte. Die kyzikenische Bürger- schaft, obwohl sie in der unglücklichen Doppelschlacht von Kal- chedon an Schiffen und an Mannschaft starke Einbuſse erlitten hatte, leistete dennoch den entschlossensten Widerstand; wie in wenigen anderen Griechenstädten regte hier sich noch die alte hellenische Tüchtigkeit und Gewandtheit. Kyzikos lag auf einer Insel unmittelbar dem Festland gegenüber und durch eine Brücke mit diesem verbunden. Die Belagerer bemächtigten sich sowohl des Höhenzugs auf dem Festland, der an der Brücke endigt, und der hier gelegenen Vorstadt, als auch auf der Insel selbst der be- rühmten dindymenischen Höhen, und auf der Festland- wie auf der Inselseite boten die griechischen Ingenieure des Königs alle ihre Kunst auf den Sturm möglich zu machen. Allein die Bresche, die endlich zu machen gelang, wurde während der Nacht wieder von den Belagerten geschlossen und die Anstrengungen der königli- chen Armee blieben ebenso fruchtlos wie die barbarische Drohung des Königs die gefangenen Kyzikener vor den Mauern tödten zu lassen, wenn die Bürgerschaft noch länger die Uebergabe ver- weigere. Die Kyzikener setzten die Vertheidigung mit Muth und Glück fort; es fehlte nicht viel, so hätten sie im Laufe der Bela- gerung den König selbst gefangen genommen. Inzwischen hatte Lucullus sich einer sehr festen Position im Rücken der ponti- schen Armee bemächtigt, die ihm zwar nicht gestattete der be- drängten Stadt unmittelbar zu Hülfe zu kommen, aber wohl dem Feinde alle Zufuhr zu Lande abzuschneiden. So stand die unge- heure mit dem Troſs auf 300000 Köpfe geschätzte mithradatische Armee weder im Stande zu schlagen noch zu marschiren, fest eingekeilt zwischen der unbezwinglichen Stadt und dem unbe- weglich stehenden römischen Heer, und für allen ihren Bedarf einzig angewiesen auf die See, die zum Glück die pontische Flotte ausschlieſslich beherrschte. Aber die schlechte Jahreszeit brach herein; ein Unwetter zerstörte einen groſsen Theil der Belage- rungsbauten; der Mangel an Lebensmitteln und vor allem an Pferdefutter fing an unerträglich zu werden. Die Lastthiere und der Troſs wurden unter Bedeckung des gröſsten Theils der pon- tischen Reiterei weggesandt mit dem Auftrag um jeden Preis sich durchzuschleichen oder durchzuschlagen; am Fluſs Rhyndakos östlich von Kyzikos holte Lucullus sie ein und hieb den ganzen 4*
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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
tos zu, sondern wandte sich südwärts in die altrömische Provinz,
wo er an der Propontis und am Hellespont sich ausbreitete,
Lampsakos besetzte und die groſse und reiche Stadt Kyzikos zu
belagern begann. Immer fester verrannte er sich also in die
Sackgasse, die er eingeschlagen hatte. Die kyzikenische Bürger-
schaft, obwohl sie in der unglücklichen Doppelschlacht von Kal-
chedon an Schiffen und an Mannschaft starke Einbuſse erlitten
hatte, leistete dennoch den entschlossensten Widerstand; wie in
wenigen anderen Griechenstädten regte hier sich noch die alte
hellenische Tüchtigkeit und Gewandtheit. Kyzikos lag auf einer
Insel unmittelbar dem Festland gegenüber und durch eine Brücke
mit diesem verbunden. Die Belagerer bemächtigten sich sowohl
des Höhenzugs auf dem Festland, der an der Brücke endigt, und
der hier gelegenen Vorstadt, als auch auf der Insel selbst der be-
rühmten dindymenischen Höhen, und auf der Festland- wie auf der
Inselseite boten die griechischen Ingenieure des Königs alle ihre
Kunst auf den Sturm möglich zu machen. Allein die Bresche, die
endlich zu machen gelang, wurde während der Nacht wieder von
den Belagerten geschlossen und die Anstrengungen der königli-
chen Armee blieben ebenso fruchtlos wie die barbarische Drohung
des Königs die gefangenen Kyzikener vor den Mauern tödten zu
lassen, wenn die Bürgerschaft noch länger die Uebergabe ver-
weigere. Die Kyzikener setzten die Vertheidigung mit Muth und
Glück fort; es fehlte nicht viel, so hätten sie im Laufe der Bela-
gerung den König selbst gefangen genommen. Inzwischen hatte
Lucullus sich einer sehr festen Position im Rücken der ponti-
schen Armee bemächtigt, die ihm zwar nicht gestattete der be-
drängten Stadt unmittelbar zu Hülfe zu kommen, aber wohl dem
Feinde alle Zufuhr zu Lande abzuschneiden. So stand die unge-
heure mit dem Troſs auf 300000 Köpfe geschätzte mithradatische
Armee weder im Stande zu schlagen noch zu marschiren, fest
eingekeilt zwischen der unbezwinglichen Stadt und dem unbe-
weglich stehenden römischen Heer, und für allen ihren Bedarf
einzig angewiesen auf die See, die zum Glück die pontische Flotte
ausschlieſslich beherrschte. Aber die schlechte Jahreszeit brach
herein; ein Unwetter zerstörte einen groſsen Theil der Belage-
rungsbauten; der Mangel an Lebensmitteln und vor allem an
Pferdefutter fing an unerträglich zu werden. Die Lastthiere und
der Troſs wurden unter Bedeckung des gröſsten Theils der pon-
tischen Reiterei weggesandt mit dem Auftrag um jeden Preis sich
durchzuschleichen oder durchzuschlagen; am Fluſs Rhyndakos
östlich von Kyzikos holte Lucullus sie ein und hieb den ganzen
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