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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
Edelsteine und Perlen, die zuerst in dieser Zeit an die Stelle des
alten unendlich schöneren und kunstvolleren Goldschmucks tra-
ten: es war schon vollkommener Barbarenstil, wenn bei Pompe-
ius Triumph über Mithradates das Bild des Siegers ganz von
Perlen gearbeitet sich präsentirte, und wenn man im Speisesaal
die Sophas und die Etageren mit Silber beschlagen, ja in der
Küche das Geschirr von Silber fertigen liess. Gleicher Art ist es,
wenn die Sammler dieser Zeit aus den alten Silberbechern die
kunstvollen Medaillons herausbrachen um sie in goldene Gefässe
wieder einzusetzen. Aber keine Gattung des Luxus blühte so wie
der roheste von allen, der Luxus der Tafel. Es fiel Niemand
mehr auf, wenn der Gast, um den Folgen der Schlemmerei zu
entgehen, nach vollendeter Mahlzeit ein Vomitiv nahm. Nicht bloss
der Koch war ein graduirter Gastronom, sondern oft machte
der Herr selbst den Lehrmeister seiner Köche. Längst war der
Braten durch Seefische und Austern in den Schatten gestellt;
jetzt galten die italischen Delikatessen und die italischen Weine
fast für gemein. Kein Naturforscher kann eifriger die Länder
und Meere nach neuen Thieren und Pflanzen durchsuchen als es
von den Esskünstlern jener Zeit wegen neuer Küchenelegantien
geschah. * An ausländischem Wein wurden jetzt schon bei Volks-
festen ausser dem italischen Falerner drei Sorten -- Sicilianer,
Lesbier, Chier -- vertheilt, während ein Menschenalter zuvor
es auch bei grossen Schmäusen genügt hatte einmal griechischen
Wein herumzureichen; in dem Keller des Redners Hortensius
fand sich ein Lager von 10000 Krügen (zu 33 Berl. Quart)
fremden Weines. Es war kein Wunder, dass die italischen Wein-
bauer anfingen über die Concurrenz der griechischen Inselweine
zu klagen. Die Debauche aller Art ward so systematisch und so
schwerfällig, dass sie ihre Professoren fand, die davon lebten
vornehmen Jünglingen theoretisch und praktisch als Lastermei-
ster zu dienen. Es wird nicht nöthig sein bei diesem wüsten Ge-
mälde eintönigster Mannigfaltigkeit noch länger zu verweilen;
um so weniger als ja auch auf diesem Gebiet die Römer nichts
weniger als originell waren und sich darauf beschränkten von
dem hellenisch-orientalischen Luxus eine noch mass- und noch

* In einem Speisezettel dieser Zeit finden sich folgende Schüsseln:
Pfauen von Samos. Haselhühner aus Phrygien. Kraniche von Melos. Zick-
lein von Ambrakia. Thunfische von Chalkedon. Muränen aus der gadita-
nischen Meerenge. Eselfische (?) von Pessinus. Austern und Muscheln
von Tarent. Störe (?) von Rhodos. Scarusfische (?) von Kilikien. Nüsse
von Thasos. Datteln aus Aegypten. Spanische Eicheln.

REPUBLIK UND MONARCHIE.
Edelsteine und Perlen, die zuerst in dieser Zeit an die Stelle des
alten unendlich schöneren und kunstvolleren Goldschmucks tra-
ten: es war schon vollkommener Barbarenstil, wenn bei Pompe-
ius Triumph über Mithradates das Bild des Siegers ganz von
Perlen gearbeitet sich präsentirte, und wenn man im Speisesaal
die Sophas und die Etageren mit Silber beschlagen, ja in der
Küche das Geschirr von Silber fertigen lieſs. Gleicher Art ist es,
wenn die Sammler dieser Zeit aus den alten Silberbechern die
kunstvollen Medaillons herausbrachen um sie in goldene Gefäſse
wieder einzusetzen. Aber keine Gattung des Luxus blühte so wie
der roheste von allen, der Luxus der Tafel. Es fiel Niemand
mehr auf, wenn der Gast, um den Folgen der Schlemmerei zu
entgehen, nach vollendeter Mahlzeit ein Vomitiv nahm. Nicht bloſs
der Koch war ein graduirter Gastronom, sondern oft machte
der Herr selbst den Lehrmeister seiner Köche. Längst war der
Braten durch Seefische und Austern in den Schatten gestellt;
jetzt galten die italischen Delikatessen und die italischen Weine
fast für gemein. Kein Naturforscher kann eifriger die Länder
und Meere nach neuen Thieren und Pflanzen durchsuchen als es
von den Eſskünstlern jener Zeit wegen neuer Küchenelegantien
geschah. * An ausländischem Wein wurden jetzt schon bei Volks-
festen auſser dem italischen Falerner drei Sorten — Sicilianer,
Lesbier, Chier — vertheilt, während ein Menschenalter zuvor
es auch bei groſsen Schmäusen genügt hatte einmal griechischen
Wein herumzureichen; in dem Keller des Redners Hortensius
fand sich ein Lager von 10000 Krügen (zu 33 Berl. Quart)
fremden Weines. Es war kein Wunder, daſs die italischen Wein-
bauer anfingen über die Concurrenz der griechischen Inselweine
zu klagen. Die Debauche aller Art ward so systematisch und so
schwerfällig, daſs sie ihre Professoren fand, die davon lebten
vornehmen Jünglingen theoretisch und praktisch als Lastermei-
ster zu dienen. Es wird nicht nöthig sein bei diesem wüsten Ge-
mälde eintönigster Mannigfaltigkeit noch länger zu verweilen;
um so weniger als ja auch auf diesem Gebiet die Römer nichts
weniger als originell waren und sich darauf beschränkten von
dem hellenisch-orientalischen Luxus eine noch maſs- und noch

* In einem Speisezettel dieser Zeit finden sich folgende Schüsseln:
Pfauen von Samos. Haselhühner aus Phrygien. Kraniche von Melos. Zick-
lein von Ambrakia. Thunfische von Chalkedon. Muränen aus der gadita-
nischen Meerenge. Eselfische (?) von Pessinus. Austern und Muscheln
von Tarent. Störe (?) von Rhodos. Scarusfische (?) von Kilikien. Nüsse
von Thasos. Datteln aus Aegypten. Spanische Eicheln.
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[485/0495] REPUBLIK UND MONARCHIE. Edelsteine und Perlen, die zuerst in dieser Zeit an die Stelle des alten unendlich schöneren und kunstvolleren Goldschmucks tra- ten: es war schon vollkommener Barbarenstil, wenn bei Pompe- ius Triumph über Mithradates das Bild des Siegers ganz von Perlen gearbeitet sich präsentirte, und wenn man im Speisesaal die Sophas und die Etageren mit Silber beschlagen, ja in der Küche das Geschirr von Silber fertigen lieſs. Gleicher Art ist es, wenn die Sammler dieser Zeit aus den alten Silberbechern die kunstvollen Medaillons herausbrachen um sie in goldene Gefäſse wieder einzusetzen. Aber keine Gattung des Luxus blühte so wie der roheste von allen, der Luxus der Tafel. Es fiel Niemand mehr auf, wenn der Gast, um den Folgen der Schlemmerei zu entgehen, nach vollendeter Mahlzeit ein Vomitiv nahm. Nicht bloſs der Koch war ein graduirter Gastronom, sondern oft machte der Herr selbst den Lehrmeister seiner Köche. Längst war der Braten durch Seefische und Austern in den Schatten gestellt; jetzt galten die italischen Delikatessen und die italischen Weine fast für gemein. Kein Naturforscher kann eifriger die Länder und Meere nach neuen Thieren und Pflanzen durchsuchen als es von den Eſskünstlern jener Zeit wegen neuer Küchenelegantien geschah. * An ausländischem Wein wurden jetzt schon bei Volks- festen auſser dem italischen Falerner drei Sorten — Sicilianer, Lesbier, Chier — vertheilt, während ein Menschenalter zuvor es auch bei groſsen Schmäusen genügt hatte einmal griechischen Wein herumzureichen; in dem Keller des Redners Hortensius fand sich ein Lager von 10000 Krügen (zu 33 Berl. Quart) fremden Weines. Es war kein Wunder, daſs die italischen Wein- bauer anfingen über die Concurrenz der griechischen Inselweine zu klagen. Die Debauche aller Art ward so systematisch und so schwerfällig, daſs sie ihre Professoren fand, die davon lebten vornehmen Jünglingen theoretisch und praktisch als Lastermei- ster zu dienen. Es wird nicht nöthig sein bei diesem wüsten Ge- mälde eintönigster Mannigfaltigkeit noch länger zu verweilen; um so weniger als ja auch auf diesem Gebiet die Römer nichts weniger als originell waren und sich darauf beschränkten von dem hellenisch-orientalischen Luxus eine noch maſs- und noch * In einem Speisezettel dieser Zeit finden sich folgende Schüsseln: Pfauen von Samos. Haselhühner aus Phrygien. Kraniche von Melos. Zick- lein von Ambrakia. Thunfische von Chalkedon. Muränen aus der gadita- nischen Meerenge. Eselfische (?) von Pessinus. Austern und Muscheln von Tarent. Störe (?) von Rhodos. Scarusfische (?) von Kilikien. Nüsse von Thasos. Datteln aus Aegypten. Spanische Eicheln.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/495>, abgerufen am 18.05.2024.