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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
der Sieger den darniederliegenden Besiegten entweder verschonte
oder durchbohrte. Das Handwerk des Fechtens war so im Preise
gestiegen oder auch die Freiheit so im Preise gesunken, dass freie
Männer nicht selten sich den Entrepreneurs für Kost und Lohn als
Fechtknechte verkauften. Auch die Plebejer des fünften Jahrhun-
derts hatten gedarbt und gehungert, aber ihre Freiheit hatten sie
nicht verkauft; und noch weniger würden die Rechtweiser jener
Zeit sich dazu hergegeben haben den ebenso sitten- wie rechts-
widrigen Contract eines solchen Fechtknechtes ,sich unweiger-
lich fesseln, peitschen, brennen oder tödten zu lassen, wenn
die Gesetze der Anstalt dies mit sich bringen würden' auf un-
feinen juristischen Schleichwegen als statthaft und klagbar hinzu-
stellen. -- In der vornehmen Welt kam nun wohl dergleichen
nicht vor; aber im Grunde war sie kaum anders, am wenigsten
besser. Im Nichtsthun nahm es der Aristokrat dreist mit dem Pro-
letarier auf; wenn dieser auf dem Pflaster lungerte, dehnte jener
sich bis in den hellen Tag hinein in den Federn. Die Verschwen-
dung regierte hier ebenso mass- wie geschmacklos. Sie warf
sich auf die Politik wie die Kunst, natürlich zu beider Verder-
ben: man kaufte das Consulamt um unglaublichen Preis -- im
Sommer 700 ward allein die erste Stimmabtheilung mit 10 Mill.
Sest. (715000 Thlr.) bezahlt -- und verdarb durch den tollen
Decorationsluxus dem Gebildeten alle Freude am Bühnenspiel.
Die Miethpreise scheinen in Rom durchschnittlich vierfach höher
als in den Landstädten sich gestellt zu haben; ein Haus daselbst
ward einmal für 15 Mill. Sest. (1 Mill. Thlr.) verkauft. Des
mit den Landhäusern getriebenen Schwindels ward bereits ge-
dacht; wir finden, dass für ein solches, das hauptsächlich seines
Fischteiches wegen geschätzt war, 4 Mill. Sest. (286000 Thlr.)
bezahlt wurden; und der ganz vornehme Mann bedurfte jetzt
schon wenigstens zweier Landhäuser, eines in den Sabiner- oder
Albanerbergen bei der Hauptstadt und eines zweiten in der Nähe
der campanischen Bäder, dazu noch wo möglich eines Gartens
unmittelbar vor den Thoren Roms. Noch unsinniger als diese Vil-
len- waren die Grabpaläste, von denen einzelne noch bis auf den
heutigen Tag es bezeugen, welches himmelhohen Quaderhaufens
der reiche Römer bedurfte, um standesmässig gestorben zu sein.
Die Pferde- und Hundeliebhaber fehlten auch nicht; für ein
Luxuspferd waren 24000 Sest. (1700 Thlr.) ein gangbarer
Preis. Man raffinirte auf Möbeln von feinem Holz -- ein Tisch
von Citronenholz ward mit 1 Mill. Sest. (71500 Thlr.) bezahlt -- ;
auf Gewänder von Purpurstoffen oder durchsichtiger Gaze; auf

FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
der Sieger den darniederliegenden Besiegten entweder verschonte
oder durchbohrte. Das Handwerk des Fechtens war so im Preise
gestiegen oder auch die Freiheit so im Preise gesunken, daſs freie
Männer nicht selten sich den Entrepreneurs für Kost und Lohn als
Fechtknechte verkauften. Auch die Plebejer des fünften Jahrhun-
derts hatten gedarbt und gehungert, aber ihre Freiheit hatten sie
nicht verkauft; und noch weniger würden die Rechtweiser jener
Zeit sich dazu hergegeben haben den ebenso sitten- wie rechts-
widrigen Contract eines solchen Fechtknechtes ‚sich unweiger-
lich fesseln, peitschen, brennen oder tödten zu lassen, wenn
die Gesetze der Anstalt dies mit sich bringen würden‘ auf un-
feinen juristischen Schleichwegen als statthaft und klagbar hinzu-
stellen. — In der vornehmen Welt kam nun wohl dergleichen
nicht vor; aber im Grunde war sie kaum anders, am wenigsten
besser. Im Nichtsthun nahm es der Aristokrat dreist mit dem Pro-
letarier auf; wenn dieser auf dem Pflaster lungerte, dehnte jener
sich bis in den hellen Tag hinein in den Federn. Die Verschwen-
dung regierte hier ebenso maſs- wie geschmacklos. Sie warf
sich auf die Politik wie die Kunst, natürlich zu beider Verder-
ben: man kaufte das Consulamt um unglaublichen Preis — im
Sommer 700 ward allein die erste Stimmabtheilung mit 10 Mill.
Sest. (715000 Thlr.) bezahlt — und verdarb durch den tollen
Decorationsluxus dem Gebildeten alle Freude am Bühnenspiel.
Die Miethpreise scheinen in Rom durchschnittlich vierfach höher
als in den Landstädten sich gestellt zu haben; ein Haus daselbst
ward einmal für 15 Mill. Sest. (1 Mill. Thlr.) verkauft. Des
mit den Landhäusern getriebenen Schwindels ward bereits ge-
dacht; wir finden, daſs für ein solches, das hauptsächlich seines
Fischteiches wegen geschätzt war, 4 Mill. Sest. (286000 Thlr.)
bezahlt wurden; und der ganz vornehme Mann bedurfte jetzt
schon wenigstens zweier Landhäuser, eines in den Sabiner- oder
Albanerbergen bei der Hauptstadt und eines zweiten in der Nähe
der campanischen Bäder, dazu noch wo möglich eines Gartens
unmittelbar vor den Thoren Roms. Noch unsinniger als diese Vil-
len- waren die Grabpaläste, von denen einzelne noch bis auf den
heutigen Tag es bezeugen, welches himmelhohen Quaderhaufens
der reiche Römer bedurfte, um standesmäſsig gestorben zu sein.
Die Pferde- und Hundeliebhaber fehlten auch nicht; für ein
Luxuspferd waren 24000 Sest. (1700 Thlr.) ein gangbarer
Preis. Man raffinirte auf Möbeln von feinem Holz — ein Tisch
von Citronenholz ward mit 1 Mill. Sest. (71500 Thlr.) bezahlt — ;
auf Gewänder von Purpurstoffen oder durchsichtiger Gaze; auf

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[484/0494] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. der Sieger den darniederliegenden Besiegten entweder verschonte oder durchbohrte. Das Handwerk des Fechtens war so im Preise gestiegen oder auch die Freiheit so im Preise gesunken, daſs freie Männer nicht selten sich den Entrepreneurs für Kost und Lohn als Fechtknechte verkauften. Auch die Plebejer des fünften Jahrhun- derts hatten gedarbt und gehungert, aber ihre Freiheit hatten sie nicht verkauft; und noch weniger würden die Rechtweiser jener Zeit sich dazu hergegeben haben den ebenso sitten- wie rechts- widrigen Contract eines solchen Fechtknechtes ‚sich unweiger- lich fesseln, peitschen, brennen oder tödten zu lassen, wenn die Gesetze der Anstalt dies mit sich bringen würden‘ auf un- feinen juristischen Schleichwegen als statthaft und klagbar hinzu- stellen. — In der vornehmen Welt kam nun wohl dergleichen nicht vor; aber im Grunde war sie kaum anders, am wenigsten besser. Im Nichtsthun nahm es der Aristokrat dreist mit dem Pro- letarier auf; wenn dieser auf dem Pflaster lungerte, dehnte jener sich bis in den hellen Tag hinein in den Federn. Die Verschwen- dung regierte hier ebenso maſs- wie geschmacklos. Sie warf sich auf die Politik wie die Kunst, natürlich zu beider Verder- ben: man kaufte das Consulamt um unglaublichen Preis — im Sommer 700 ward allein die erste Stimmabtheilung mit 10 Mill. Sest. (715000 Thlr.) bezahlt — und verdarb durch den tollen Decorationsluxus dem Gebildeten alle Freude am Bühnenspiel. Die Miethpreise scheinen in Rom durchschnittlich vierfach höher als in den Landstädten sich gestellt zu haben; ein Haus daselbst ward einmal für 15 Mill. Sest. (1 Mill. Thlr.) verkauft. Des mit den Landhäusern getriebenen Schwindels ward bereits ge- dacht; wir finden, daſs für ein solches, das hauptsächlich seines Fischteiches wegen geschätzt war, 4 Mill. Sest. (286000 Thlr.) bezahlt wurden; und der ganz vornehme Mann bedurfte jetzt schon wenigstens zweier Landhäuser, eines in den Sabiner- oder Albanerbergen bei der Hauptstadt und eines zweiten in der Nähe der campanischen Bäder, dazu noch wo möglich eines Gartens unmittelbar vor den Thoren Roms. Noch unsinniger als diese Vil- len- waren die Grabpaläste, von denen einzelne noch bis auf den heutigen Tag es bezeugen, welches himmelhohen Quaderhaufens der reiche Römer bedurfte, um standesmäſsig gestorben zu sein. Die Pferde- und Hundeliebhaber fehlten auch nicht; für ein Luxuspferd waren 24000 Sest. (1700 Thlr.) ein gangbarer Preis. Man raffinirte auf Möbeln von feinem Holz — ein Tisch von Citronenholz ward mit 1 Mill. Sest. (71500 Thlr.) bezahlt — ; auf Gewänder von Purpurstoffen oder durchsichtiger Gaze; auf

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/494>, abgerufen am 22.05.2024.