Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. geistlosere Copie zu liefern. Natürlich verschlingt Plutos seineKinder so gut wie Kronos; die Concurrenz um alle jene meist nichtigen Gegenstände vornehmer Begehrlichkeit trieb die Preise so in die Höhe, dass den mit den Strome Schwimmenden in kurzer Zeit das colossalste Vermögen zerrann und auch diejeni- gen, die nur Ehren halber das Nothwendigste mitmachten, den ererbten und festgegründeten Wohlstand rasch sich unterhöh- len sahen. Die Bewerbung um das Consulat zum Beispiel war die gewöhnliche Landstrasse zum Ruin angesehener Häuser; und fast dasselbe gilt von den Spielen, den grossen Bauten und all jenen andern zwar lustigen, aber theuren Metiers. Bis zu welchem Grade jenes verschwenderische Leben und Treiben der vorneh- men römischen Welt auf Credit beruhte, beweisen zum Beispiel die Thatsachen, dass durch die Anleihen der verschiedenen Con- currenten um das Consulat einmal in Rom der Zinsfuss plötzlich von 4 auf 8 pCt. aufschlug. Der fürstliche Reichthum jener Zeit wird nur von der noch fürstlicheren Verschuldung überboten: Caesar schuldete um 692 nach Abzug seiner Activa 25 Mill. Sest. (1,800000 Thlr.), Marcus Antonius als Vierundzwanzig- jähriger 6 Mill. Sest. (429000 Thlr.), vierzehn Jahre später 40 (2,860000 Thlr.), Curio 60 (4 Mill. Thlr.), Milo 70 (5 Mill. Thlr.). Bei dem Concurs des Letzteren erhielten die Gläu- biger etwas über 4 pCt. der liquidirten Summen. Es gewann bei diesem rasend schnellen Umschlagen von Reichthum zur Insolvenz natürlich niemand als der kühle Banquier, der es verstand Credit zu geben und zu verweigern. Auch dies hätte sich ertragen lassen, wenn die Insolvenz rechtzeitig den Concurs herbeigeführt und damit wenigstens wieder ein klares Verhält- niss hergestellt hätte. Allein statt dessen suchte der Schuldner den Concurs, ja sogar die Liquidation durch Verkauf seiner Habe, namentlich seiner Grundstücke aus freier Hand, so lange es ir- gend anging, zu verzögern und so lange er konnte den Schein- reichen weiter zu spielen. So kamen denn die Creditverhältnisse fast auf demselben Punkte wieder an, wo sie in den schlimmsten Zeiten der socialen Krise des fünften Jahrhunderts gestanden hatten: die nominellen Grundeigenthümer waren gleichsam die Bittbesitzer ihrer Gläubiger, die Schuldner entweder ihren Gläubi- gern knechtisch unterthan, so dass die geringeren von ihnen gleich den Freigelassenen in dem Gefolge derselben zu erschei- nen, die vornehmeren selbst im Senat nach dem Wink ihres Schuldherrn zu sprechen und zu stimmen sich genöthigt sahen, oder auch im Begriff dem Eigenthum selbst den Krieg zu erklären FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. geistlosere Copie zu liefern. Natürlich verschlingt Plutos seineKinder so gut wie Kronos; die Concurrenz um alle jene meist nichtigen Gegenstände vornehmer Begehrlichkeit trieb die Preise so in die Höhe, daſs den mit den Strome Schwimmenden in kurzer Zeit das colossalste Vermögen zerrann und auch diejeni- gen, die nur Ehren halber das Nothwendigste mitmachten, den ererbten und festgegründeten Wohlstand rasch sich unterhöh- len sahen. Die Bewerbung um das Consulat zum Beispiel war die gewöhnliche Landstraſse zum Ruin angesehener Häuser; und fast dasselbe gilt von den Spielen, den groſsen Bauten und all jenen andern zwar lustigen, aber theuren Metiers. Bis zu welchem Grade jenes verschwenderische Leben und Treiben der vorneh- men römischen Welt auf Credit beruhte, beweisen zum Beispiel die Thatsachen, daſs durch die Anleihen der verschiedenen Con- currenten um das Consulat einmal in Rom der Zinsfuſs plötzlich von 4 auf 8 pCt. aufschlug. Der fürstliche Reichthum jener Zeit wird nur von der noch fürstlicheren Verschuldung überboten: Caesar schuldete um 692 nach Abzug seiner Activa 25 Mill. Sest. (1,800000 Thlr.), Marcus Antonius als Vierundzwanzig- jähriger 6 Mill. Sest. (429000 Thlr.), vierzehn Jahre später 40 (2,860000 Thlr.), Curio 60 (4 Mill. Thlr.), Milo 70 (5 Mill. Thlr.). Bei dem Concurs des Letzteren erhielten die Gläu- biger etwas über 4 pCt. der liquidirten Summen. Es gewann bei diesem rasend schnellen Umschlagen von Reichthum zur Insolvenz natürlich niemand als der kühle Banquier, der es verstand Credit zu geben und zu verweigern. Auch dies hätte sich ertragen lassen, wenn die Insolvenz rechtzeitig den Concurs herbeigeführt und damit wenigstens wieder ein klares Verhält- niſs hergestellt hätte. Allein statt dessen suchte der Schuldner den Concurs, ja sogar die Liquidation durch Verkauf seiner Habe, namentlich seiner Grundstücke aus freier Hand, so lange es ir- gend anging, zu verzögern und so lange er konnte den Schein- reichen weiter zu spielen. So kamen denn die Creditverhältnisse fast auf demselben Punkte wieder an, wo sie in den schlimmsten Zeiten der socialen Krise des fünften Jahrhunderts gestanden hatten: die nominellen Grundeigenthümer waren gleichsam die Bittbesitzer ihrer Gläubiger, die Schuldner entweder ihren Gläubi- gern knechtisch unterthan, so daſs die geringeren von ihnen gleich den Freigelassenen in dem Gefolge derselben zu erschei- nen, die vornehmeren selbst im Senat nach dem Wink ihres Schuldherrn zu sprechen und zu stimmen sich genöthigt sahen, oder auch im Begriff dem Eigenthum selbst den Krieg zu erklären <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0496" n="486"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.</fw><lb/> geistlosere Copie zu liefern. Natürlich verschlingt Plutos seine<lb/> Kinder so gut wie Kronos; die Concurrenz um alle jene meist<lb/> nichtigen Gegenstände vornehmer Begehrlichkeit trieb die Preise<lb/> so in die Höhe, daſs den mit den Strome Schwimmenden in<lb/> kurzer Zeit das colossalste Vermögen zerrann und auch diejeni-<lb/> gen, die nur Ehren halber das Nothwendigste mitmachten, den<lb/> ererbten und festgegründeten Wohlstand rasch sich unterhöh-<lb/> len sahen. Die Bewerbung um das Consulat zum Beispiel war<lb/> die gewöhnliche Landstraſse zum Ruin angesehener Häuser; und<lb/> fast dasselbe gilt von den Spielen, den groſsen Bauten und all<lb/> jenen andern zwar lustigen, aber theuren Metiers. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
geistlosere Copie zu liefern. Natürlich verschlingt Plutos seine
Kinder so gut wie Kronos; die Concurrenz um alle jene meist
nichtigen Gegenstände vornehmer Begehrlichkeit trieb die Preise
so in die Höhe, daſs den mit den Strome Schwimmenden in
kurzer Zeit das colossalste Vermögen zerrann und auch diejeni-
gen, die nur Ehren halber das Nothwendigste mitmachten, den
ererbten und festgegründeten Wohlstand rasch sich unterhöh-
len sahen. Die Bewerbung um das Consulat zum Beispiel war
die gewöhnliche Landstraſse zum Ruin angesehener Häuser; und
fast dasselbe gilt von den Spielen, den groſsen Bauten und all
jenen andern zwar lustigen, aber theuren Metiers. Bis zu welchem
Grade jenes verschwenderische Leben und Treiben der vorneh-
men römischen Welt auf Credit beruhte, beweisen zum Beispiel
die Thatsachen, daſs durch die Anleihen der verschiedenen Con-
currenten um das Consulat einmal in Rom der Zinsfuſs plötzlich
von 4 auf 8 pCt. aufschlug. Der fürstliche Reichthum jener Zeit
wird nur von der noch fürstlicheren Verschuldung überboten:
Caesar schuldete um 692 nach Abzug seiner Activa 25 Mill.
Sest. (1,800000 Thlr.), Marcus Antonius als Vierundzwanzig-
jähriger 6 Mill. Sest. (429000 Thlr.), vierzehn Jahre später
40 (2,860000 Thlr.), Curio 60 (4 Mill. Thlr.), Milo 70 (5
Mill. Thlr.). Bei dem Concurs des Letzteren erhielten die Gläu-
biger etwas über 4 pCt. der liquidirten Summen. Es gewann
bei diesem rasend schnellen Umschlagen von Reichthum zur
Insolvenz natürlich niemand als der kühle Banquier, der es
verstand Credit zu geben und zu verweigern. Auch dies hätte
sich ertragen lassen, wenn die Insolvenz rechtzeitig den Concurs
herbeigeführt und damit wenigstens wieder ein klares Verhält-
niſs hergestellt hätte. Allein statt dessen suchte der Schuldner
den Concurs, ja sogar die Liquidation durch Verkauf seiner Habe,
namentlich seiner Grundstücke aus freier Hand, so lange es ir-
gend anging, zu verzögern und so lange er konnte den Schein-
reichen weiter zu spielen. So kamen denn die Creditverhältnisse
fast auf demselben Punkte wieder an, wo sie in den schlimmsten
Zeiten der socialen Krise des fünften Jahrhunderts gestanden
hatten: die nominellen Grundeigenthümer waren gleichsam die
Bittbesitzer ihrer Gläubiger, die Schuldner entweder ihren Gläubi-
gern knechtisch unterthan, so daſs die geringeren von ihnen
gleich den Freigelassenen in dem Gefolge derselben zu erschei-
nen, die vornehmeren selbst im Senat nach dem Wink ihres
Schuldherrn zu sprechen und zu stimmen sich genöthigt sahen,
oder auch im Begriff dem Eigenthum selbst den Krieg zu erklären
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