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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
sen, wo die wohlbewässerte Wiese, das üppige Kornfeld, der lustige
Rebenhügel von der dunklen Zeile der Oelbäume umsäumt wird,
wo der Schmuck des Landes, lachend in mannigfaltiger Anmuth,
die holdesten Gärten in seinem Schosse hegt und selber von nah-
runggebenden Bäumen umkränzt wird -- diese Schilderungen,
offenbar treue Gemälde der dem Dichter täglich vor Augen ste-
henden Landschaft, versetzen uns in die blühendsten Striche von
Toscana und Terra di lavoro. Die gediegene italische Boden-
wirthschaft erzielte in dieser Zeit, wo die allgemeine Entwicke-
lung der Intelligenz und die Fülle der Capitalien sie befruch-
tete, bei weitem glänzendere Resultate als jemals die alte Bauern-
wirthschaft hatte geben können, und ging sogar schon hinaus
über die Grenzen Italiens, indem der italische Oekonom auch
in den Provinzen grosse Strecken viehzüchtend und selbst korn-
bauend exploitirte. -- Welche Dimensionen aber neben dieser
auf dem Ruin der kleinen Bauerschaft unnatürlich gedeihenden
Landwirthschaft die Geldwirthschaft angenommen, wie die itali-
sche Kaufmannschaft mit den Juden um die Wette in alle Provin-
zen und Clientelstaaten des Reiches sich ergossen hatte, wie alles
Capital endlich in Rom zusammenfloss, dafür wird es, nach dem
früher darüber Gesagten, hier genügen auf die einzige Thatsache
hinzuweisen, dass auf dem hauptstädtischen Geldmarkt der regel-
mässige Zinsfuss in dieser Zeit 6 %, das Geld daselbst also halb
so billig war wie sonst durchschnittlich im Alterthume. -- In
Folge dieser agrarisch wie mercantil auf Capitalmassen und Spe-
culation begründeten Volkswirthschaft ergab sich das fürchter-
lichste Missverhältniss in der Vertheilung des Vermögens. Die oft
gebrauchte und oft gemissbrauchte Rede von einem aus Millio-
nären und Bettlern zusammengesetzten Gemeinwesen trifft viel-
leicht nirgends so vollständig zu wie bei dem Rom der letzten
Zeit der Republik. Was gleichsam als Mittelstand erscheint und
gewissermassen auch Mittelstand ist, sind diejenigen reichen Kauf-
leute und Grundbesitzer, die so ungebildet oder auch so gebildet
sind um sich innerhalb der Sphäre ihrer Thätigkeit zu beschei-
den. Unter den Kaufleuten, wo die zahlreichen Freigelassenen
und sonstigen emporgekommenen Leute in der Regel von dem
Schwindel erfasst wurden den vornehmen Mann zu spielen, gab
es solcher Verständigen nicht allzuviel: ein Musterbild dieser Gat-
tung ist der in den Berichten aus dieser Zeit häufig erwähnte Ti-
tus Pomponius Atticus, der theils mit der grossen Gutswirth-
schaft, welche er in Italien und in Epirus betrieb, theils mit sei-
nen durch ganz Italien, Griechenland, Makedonien, Kleinasien

Röm. Gesch. III. 31

REPUBLIK UND MONARCHIE.
sen, wo die wohlbewässerte Wiese, das üppige Kornfeld, der lustige
Rebenhügel von der dunklen Zeile der Oelbäume umsäumt wird,
wo der Schmuck des Landes, lachend in mannigfaltiger Anmuth,
die holdesten Gärten in seinem Schoſse hegt und selber von nah-
runggebenden Bäumen umkränzt wird — diese Schilderungen,
offenbar treue Gemälde der dem Dichter täglich vor Augen ste-
henden Landschaft, versetzen uns in die blühendsten Striche von
Toscana und Terra di lavoro. Die gediegene italische Boden-
wirthschaft erzielte in dieser Zeit, wo die allgemeine Entwicke-
lung der Intelligenz und die Fülle der Capitalien sie befruch-
tete, bei weitem glänzendere Resultate als jemals die alte Bauern-
wirthschaft hatte geben können, und ging sogar schon hinaus
über die Grenzen Italiens, indem der italische Oekonom auch
in den Provinzen groſse Strecken viehzüchtend und selbst korn-
bauend exploitirte. — Welche Dimensionen aber neben dieser
auf dem Ruin der kleinen Bauerschaft unnatürlich gedeihenden
Landwirthschaft die Geldwirthschaft angenommen, wie die itali-
sche Kaufmannschaft mit den Juden um die Wette in alle Provin-
zen und Clientelstaaten des Reiches sich ergossen hatte, wie alles
Capital endlich in Rom zusammenfloſs, dafür wird es, nach dem
früher darüber Gesagten, hier genügen auf die einzige Thatsache
hinzuweisen, daſs auf dem hauptstädtischen Geldmarkt der regel-
mäſsige Zinsfuſs in dieser Zeit 6 %, das Geld daselbst also halb
so billig war wie sonst durchschnittlich im Alterthume. — In
Folge dieser agrarisch wie mercantil auf Capitalmassen und Spe-
culation begründeten Volkswirthschaft ergab sich das fürchter-
lichste Miſsverhältniſs in der Vertheilung des Vermögens. Die oft
gebrauchte und oft gemiſsbrauchte Rede von einem aus Millio-
nären und Bettlern zusammengesetzten Gemeinwesen trifft viel-
leicht nirgends so vollständig zu wie bei dem Rom der letzten
Zeit der Republik. Was gleichsam als Mittelstand erscheint und
gewissermaſsen auch Mittelstand ist, sind diejenigen reichen Kauf-
leute und Grundbesitzer, die so ungebildet oder auch so gebildet
sind um sich innerhalb der Sphäre ihrer Thätigkeit zu beschei-
den. Unter den Kaufleuten, wo die zahlreichen Freigelassenen
und sonstigen emporgekommenen Leute in der Regel von dem
Schwindel erfaſst wurden den vornehmen Mann zu spielen, gab
es solcher Verständigen nicht allzuviel: ein Musterbild dieser Gat-
tung ist der in den Berichten aus dieser Zeit häufig erwähnte Ti-
tus Pomponius Atticus, der theils mit der groſsen Gutswirth-
schaft, welche er in Italien und in Epirus betrieb, theils mit sei-
nen durch ganz Italien, Griechenland, Makedonien, Kleinasien

Röm. Gesch. III. 31
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[481/0491] REPUBLIK UND MONARCHIE. sen, wo die wohlbewässerte Wiese, das üppige Kornfeld, der lustige Rebenhügel von der dunklen Zeile der Oelbäume umsäumt wird, wo der Schmuck des Landes, lachend in mannigfaltiger Anmuth, die holdesten Gärten in seinem Schoſse hegt und selber von nah- runggebenden Bäumen umkränzt wird — diese Schilderungen, offenbar treue Gemälde der dem Dichter täglich vor Augen ste- henden Landschaft, versetzen uns in die blühendsten Striche von Toscana und Terra di lavoro. Die gediegene italische Boden- wirthschaft erzielte in dieser Zeit, wo die allgemeine Entwicke- lung der Intelligenz und die Fülle der Capitalien sie befruch- tete, bei weitem glänzendere Resultate als jemals die alte Bauern- wirthschaft hatte geben können, und ging sogar schon hinaus über die Grenzen Italiens, indem der italische Oekonom auch in den Provinzen groſse Strecken viehzüchtend und selbst korn- bauend exploitirte. — Welche Dimensionen aber neben dieser auf dem Ruin der kleinen Bauerschaft unnatürlich gedeihenden Landwirthschaft die Geldwirthschaft angenommen, wie die itali- sche Kaufmannschaft mit den Juden um die Wette in alle Provin- zen und Clientelstaaten des Reiches sich ergossen hatte, wie alles Capital endlich in Rom zusammenfloſs, dafür wird es, nach dem früher darüber Gesagten, hier genügen auf die einzige Thatsache hinzuweisen, daſs auf dem hauptstädtischen Geldmarkt der regel- mäſsige Zinsfuſs in dieser Zeit 6 %, das Geld daselbst also halb so billig war wie sonst durchschnittlich im Alterthume. — In Folge dieser agrarisch wie mercantil auf Capitalmassen und Spe- culation begründeten Volkswirthschaft ergab sich das fürchter- lichste Miſsverhältniſs in der Vertheilung des Vermögens. Die oft gebrauchte und oft gemiſsbrauchte Rede von einem aus Millio- nären und Bettlern zusammengesetzten Gemeinwesen trifft viel- leicht nirgends so vollständig zu wie bei dem Rom der letzten Zeit der Republik. Was gleichsam als Mittelstand erscheint und gewissermaſsen auch Mittelstand ist, sind diejenigen reichen Kauf- leute und Grundbesitzer, die so ungebildet oder auch so gebildet sind um sich innerhalb der Sphäre ihrer Thätigkeit zu beschei- den. Unter den Kaufleuten, wo die zahlreichen Freigelassenen und sonstigen emporgekommenen Leute in der Regel von dem Schwindel erfaſst wurden den vornehmen Mann zu spielen, gab es solcher Verständigen nicht allzuviel: ein Musterbild dieser Gat- tung ist der in den Berichten aus dieser Zeit häufig erwähnte Ti- tus Pomponius Atticus, der theils mit der groſsen Gutswirth- schaft, welche er in Italien und in Epirus betrieb, theils mit sei- nen durch ganz Italien, Griechenland, Makedonien, Kleinasien Röm. Gesch. III. 31

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/491>, abgerufen am 22.05.2024.