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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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bauenden und die unnatürliche Vermehrung der kaufmännischen
Bevölkerung, woran ein unabsehbares Gefolge anderer Uebel-
stände sich anschloss. Wie es mit der italischen Bodenwirth-
schaft stand, wird dem Leser unvergessen sein. Trotz der ernst-
lichsten Versuche der Vernichtung des kleinen Grundbesitzes
zu steuern war doch in dieser Epoche kaum noch in einer Land-
schaft des eigentlichen Italien, etwa mit Ausnahme der Apen-
ninen- und Abruzzenthäler, die Bauernwirthschaft die vorwie-
gende Wirthschaftsweise. In der Umgegend Roms hatte die
Nutzwirthschaft überhaupt dem unfruchtbaren Luxus Platz ma-
chen müssen: wo die alten latinischen Bauernschaften gesäet
und geerntet hatten, erhoben sich jetzt die glänzenden Landhäu-
ser, von denen manches mit den dazu gehörigen Gärten, Parken
und Wasserleitungen, den Süss- und Salzwasserreservoirs zur
Aufbewahrung und Züchtung von Fluss- und Seefischen, den
Wildhäusern, Volieren und Fasanerien den Raum einer mässigen
Stadt bedeckte. Im übrigen Italien wog durchaus die Guts-
wirthschaft vor, welche wesentlich ruhte auf Sclavenhaltung im
Grossen. Wo fremde Arbeit billiger war als die der eigenen Scla-
ven, kam natürlich jene daneben zur Anwendung; wie zum Bei-
spiel im Thal von Rieti die Gutsbesitzer jährlich grosse Massen
umbrischer Schnitter bei Einbringung der Ernte beschäftigten.
Allein theils das System der Mittelsmänner, das hiebei zur An-
wendung kam, theils die Concurrenz der Besitzer von Sclaven-
heerden, die aus dem Arbeitsverdingen gleichfalls ein Geschäft
machten, drückten selbst hier noch schwer auf den freien itali-
schen Tagelöhner. Die Bewirthschaftung des Gutes war entweder
Weide- oder Plantagenwirthschaft, von denen jene im Süden
und Osten, diese im westlichen und mittleren Italien überwog.
Dass die Verwandlung ehemals ergiebiger Ackerlandschaften in
Wiese und Weide in jeder Beziehung ein Rückschritt war, bedarf
keiner weiteren Ausführung; die Plantagenwirthschaft dagegen
stand ökonomisch auf einer schwer zu übertreffenden Höhe der
Entwickelung. Das Thal von Rieti, die Umgegend des Fuciner-
sees, die Landschaften am Liris und Volturnus, ja Mittelitalien
überhaupt waren landwirthschaftlich in dem blühendsten Zustand;
die italischen Producenten namentlich von Wein und Oel versorg-
ten nicht bloss die italischen Märkte, sondern machten auch in
beiden Artikeln ansehnliche überseeische Ausfuhrgeschäfte. Eine
schlichte fachwissenschaftliche Schrift dieser Zeit vergleicht Ita-
lien einem grossen Fruchtgarten; und die Schilderungen, die die
gleichzeitigen Dichter von ihrem schönen Heimathland entwer-

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bauenden und die unnatürliche Vermehrung der kaufmännischen
Bevölkerung, woran ein unabsehbares Gefolge anderer Uebel-
stände sich anschloſs. Wie es mit der italischen Bodenwirth-
schaft stand, wird dem Leser unvergessen sein. Trotz der ernst-
lichsten Versuche der Vernichtung des kleinen Grundbesitzes
zu steuern war doch in dieser Epoche kaum noch in einer Land-
schaft des eigentlichen Italien, etwa mit Ausnahme der Apen-
ninen- und Abruzzenthäler, die Bauernwirthschaft die vorwie-
gende Wirthschaftsweise. In der Umgegend Roms hatte die
Nutzwirthschaft überhaupt dem unfruchtbaren Luxus Platz ma-
chen müssen: wo die alten latinischen Bauernschaften gesäet
und geerntet hatten, erhoben sich jetzt die glänzenden Landhäu-
ser, von denen manches mit den dazu gehörigen Gärten, Parken
und Wasserleitungen, den Süſs- und Salzwasserreservoirs zur
Aufbewahrung und Züchtung von Fluſs- und Seefischen, den
Wildhäusern, Volieren und Fasanerien den Raum einer mäſsigen
Stadt bedeckte. Im übrigen Italien wog durchaus die Guts-
wirthschaft vor, welche wesentlich ruhte auf Sclavenhaltung im
Groſsen. Wo fremde Arbeit billiger war als die der eigenen Scla-
ven, kam natürlich jene daneben zur Anwendung; wie zum Bei-
spiel im Thal von Rieti die Gutsbesitzer jährlich groſse Massen
umbrischer Schnitter bei Einbringung der Ernte beschäftigten.
Allein theils das System der Mittelsmänner, das hiebei zur An-
wendung kam, theils die Concurrenz der Besitzer von Sclaven-
heerden, die aus dem Arbeitsverdingen gleichfalls ein Geschäft
machten, drückten selbst hier noch schwer auf den freien itali-
schen Tagelöhner. Die Bewirthschaftung des Gutes war entweder
Weide- oder Plantagenwirthschaft, von denen jene im Süden
und Osten, diese im westlichen und mittleren Italien überwog.
Daſs die Verwandlung ehemals ergiebiger Ackerlandschaften in
Wiese und Weide in jeder Beziehung ein Rückschritt war, bedarf
keiner weiteren Ausführung; die Plantagenwirthschaft dagegen
stand ökonomisch auf einer schwer zu übertreffenden Höhe der
Entwickelung. Das Thal von Rieti, die Umgegend des Fuciner-
sees, die Landschaften am Liris und Volturnus, ja Mittelitalien
überhaupt waren landwirthschaftlich in dem blühendsten Zustand;
die italischen Producenten namentlich von Wein und Oel versorg-
ten nicht bloſs die italischen Märkte, sondern machten auch in
beiden Artikeln ansehnliche überseeische Ausfuhrgeschäfte. Eine
schlichte fachwissenschaftliche Schrift dieser Zeit vergleicht Ita-
lien einem groſsen Fruchtgarten; und die Schilderungen, die die
gleichzeitigen Dichter von ihrem schönen Heimathland entwer-

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[480/0490] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. bauenden und die unnatürliche Vermehrung der kaufmännischen Bevölkerung, woran ein unabsehbares Gefolge anderer Uebel- stände sich anschloſs. Wie es mit der italischen Bodenwirth- schaft stand, wird dem Leser unvergessen sein. Trotz der ernst- lichsten Versuche der Vernichtung des kleinen Grundbesitzes zu steuern war doch in dieser Epoche kaum noch in einer Land- schaft des eigentlichen Italien, etwa mit Ausnahme der Apen- ninen- und Abruzzenthäler, die Bauernwirthschaft die vorwie- gende Wirthschaftsweise. In der Umgegend Roms hatte die Nutzwirthschaft überhaupt dem unfruchtbaren Luxus Platz ma- chen müssen: wo die alten latinischen Bauernschaften gesäet und geerntet hatten, erhoben sich jetzt die glänzenden Landhäu- ser, von denen manches mit den dazu gehörigen Gärten, Parken und Wasserleitungen, den Süſs- und Salzwasserreservoirs zur Aufbewahrung und Züchtung von Fluſs- und Seefischen, den Wildhäusern, Volieren und Fasanerien den Raum einer mäſsigen Stadt bedeckte. Im übrigen Italien wog durchaus die Guts- wirthschaft vor, welche wesentlich ruhte auf Sclavenhaltung im Groſsen. Wo fremde Arbeit billiger war als die der eigenen Scla- ven, kam natürlich jene daneben zur Anwendung; wie zum Bei- spiel im Thal von Rieti die Gutsbesitzer jährlich groſse Massen umbrischer Schnitter bei Einbringung der Ernte beschäftigten. Allein theils das System der Mittelsmänner, das hiebei zur An- wendung kam, theils die Concurrenz der Besitzer von Sclaven- heerden, die aus dem Arbeitsverdingen gleichfalls ein Geschäft machten, drückten selbst hier noch schwer auf den freien itali- schen Tagelöhner. Die Bewirthschaftung des Gutes war entweder Weide- oder Plantagenwirthschaft, von denen jene im Süden und Osten, diese im westlichen und mittleren Italien überwog. Daſs die Verwandlung ehemals ergiebiger Ackerlandschaften in Wiese und Weide in jeder Beziehung ein Rückschritt war, bedarf keiner weiteren Ausführung; die Plantagenwirthschaft dagegen stand ökonomisch auf einer schwer zu übertreffenden Höhe der Entwickelung. Das Thal von Rieti, die Umgegend des Fuciner- sees, die Landschaften am Liris und Volturnus, ja Mittelitalien überhaupt waren landwirthschaftlich in dem blühendsten Zustand; die italischen Producenten namentlich von Wein und Oel versorg- ten nicht bloſs die italischen Märkte, sondern machten auch in beiden Artikeln ansehnliche überseeische Ausfuhrgeschäfte. Eine schlichte fachwissenschaftliche Schrift dieser Zeit vergleicht Ita- lien einem groſsen Fruchtgarten; und die Schilderungen, die die gleichzeitigen Dichter von ihrem schönen Heimathland entwer-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/490>, abgerufen am 18.05.2024.