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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
fast ungemessener Ausdehnung zu realisiren, wird die Absicht
gehabt haben, hiemit dauernd fortzufahren und dem stets wieder
sich erzeugenden Uebel durch einen bleibenden Abzugscanal zu
begegnen. Massregeln wurden ferner ergriffen um den argen
Preisschwankungen der wichtigsten Nahrungsmittel auf den haupt-
städtischen Märkten Grenzen zu setzen. Die neu geordneten und
liberal verwalteten Staatsfinanzen lieferten hiezu die Mittel und
zwei neu ernannte Beamte, die Getreideaedilen (S. 457), über-
nahmen die specielle Beaufsichtigung der Lieferanten und des
Marktes der Hauptstadt. Dem Clubwesen wurde wirksamer, als
es durch Prohibitivgesetze möglich war, gesteuert durch die ver-
änderte Verfassung, indem mit der Republik und den republika-
nischen Wahlen und Gerichten die Bestechung und Vergewalti-
gung der Wahl- und Richtercollegien, überhaupt die politischen
Saturnalien der Canaille von selbst ein Ende hatten. Ausserdem
wurden die durch das clodische Gesetz ins Leben getretenen Ver-
bindungen aufgelöst und das ganze Associationswesen unter die
Oberaufsicht der Regierungsbehörden gestellt. Mit Ausnahme der
althergebrachten Zünfte und Vergesellschaftungen, der religiösen
Vereinigungen der Juden und anderer besonders ausgenommener
Kategorien, wofür die einfache Anzeige an den Senat genügt zu
haben scheint, wurde die Erlaubniss eine bleibende Gesellschaft
mit festen Versammlungsfristen und stehenden Einschüssen zu
constituiren an eine nach eingeholter Willensmeinung des Mo-
narchen vom Senat zu ertheilende Concession geknüpft. Dazu
kam eine strengere Criminalrechtspflege und eine energische Po-
lizei. Die Gesetze, namentlich hinsichtlich des Verbrechens der
Vergewaltigung, wurden verschärft und die unvernünftige Be-
stimmung des republikanischen Rechts, dass der überwiesene
Verbrecher befugt sei durch Selbstverbannung einem Theil der
verwirkten Strafe sich zu entziehen, wie billig beseitigt. Das de-
taillirte Regulativ, das Caesar über die hauptstädtische Polizei er-
liess, ist grossentheils noch erhalten und es kann wer da will sich
überzeugen, dass der Imperator es nicht verschmähte die Haus-
besitzer zur Instandsetzung der Strassen und zur Pflasterung der
Trottoirs in ihrer ganzen Breite mit behauenen Steinen anzu-
halten und geeignete Bestimmungen über das Tragen der Sänften
und das Fahren der Wagen zu erlassen, die bei der Beschaffen-
heit der Strassen nur zur Nachtzeit in der Hauptstadt frei circu-
liren durften. Die Oberaufsicht über die Localpolizei blieb wie
bisher hauptsächlich den vier Aedilen, deren Wirksamkeit und
Verantwortlichkeit aber dadurch erhöht ward, dass sie, statt wie

REPUBLIK UND MONARCHIE.
fast ungemessener Ausdehnung zu realisiren, wird die Absicht
gehabt haben, hiemit dauernd fortzufahren und dem stets wieder
sich erzeugenden Uebel durch einen bleibenden Abzugscanal zu
begegnen. Maſsregeln wurden ferner ergriffen um den argen
Preisschwankungen der wichtigsten Nahrungsmittel auf den haupt-
städtischen Märkten Grenzen zu setzen. Die neu geordneten und
liberal verwalteten Staatsfinanzen lieferten hiezu die Mittel und
zwei neu ernannte Beamte, die Getreideaedilen (S. 457), über-
nahmen die specielle Beaufsichtigung der Lieferanten und des
Marktes der Hauptstadt. Dem Clubwesen wurde wirksamer, als
es durch Prohibitivgesetze möglich war, gesteuert durch die ver-
änderte Verfassung, indem mit der Republik und den republika-
nischen Wahlen und Gerichten die Bestechung und Vergewalti-
gung der Wahl- und Richtercollegien, überhaupt die politischen
Saturnalien der Canaille von selbst ein Ende hatten. Auſserdem
wurden die durch das clodische Gesetz ins Leben getretenen Ver-
bindungen aufgelöst und das ganze Associationswesen unter die
Oberaufsicht der Regierungsbehörden gestellt. Mit Ausnahme der
althergebrachten Zünfte und Vergesellschaftungen, der religiösen
Vereinigungen der Juden und anderer besonders ausgenommener
Kategorien, wofür die einfache Anzeige an den Senat genügt zu
haben scheint, wurde die Erlaubniſs eine bleibende Gesellschaft
mit festen Versammlungsfristen und stehenden Einschüssen zu
constituiren an eine nach eingeholter Willensmeinung des Mo-
narchen vom Senat zu ertheilende Concession geknüpft. Dazu
kam eine strengere Criminalrechtspflege und eine energische Po-
lizei. Die Gesetze, namentlich hinsichtlich des Verbrechens der
Vergewaltigung, wurden verschärft und die unvernünftige Be-
stimmung des republikanischen Rechts, daſs der überwiesene
Verbrecher befugt sei durch Selbstverbannung einem Theil der
verwirkten Strafe sich zu entziehen, wie billig beseitigt. Das de-
taillirte Regulativ, das Caesar über die hauptstädtische Polizei er-
lieſs, ist groſsentheils noch erhalten und es kann wer da will sich
überzeugen, daſs der Imperator es nicht verschmähte die Haus-
besitzer zur Instandsetzung der Straſsen und zur Pflasterung der
Trottoirs in ihrer ganzen Breite mit behauenen Steinen anzu-
halten und geeignete Bestimmungen über das Tragen der Sänften
und das Fahren der Wagen zu erlassen, die bei der Beschaffen-
heit der Straſsen nur zur Nachtzeit in der Hauptstadt frei circu-
liren durften. Die Oberaufsicht über die Localpolizei blieb wie
bisher hauptsächlich den vier Aedilen, deren Wirksamkeit und
Verantwortlichkeit aber dadurch erhöht ward, daſs sie, statt wie

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[477/0487] REPUBLIK UND MONARCHIE. fast ungemessener Ausdehnung zu realisiren, wird die Absicht gehabt haben, hiemit dauernd fortzufahren und dem stets wieder sich erzeugenden Uebel durch einen bleibenden Abzugscanal zu begegnen. Maſsregeln wurden ferner ergriffen um den argen Preisschwankungen der wichtigsten Nahrungsmittel auf den haupt- städtischen Märkten Grenzen zu setzen. Die neu geordneten und liberal verwalteten Staatsfinanzen lieferten hiezu die Mittel und zwei neu ernannte Beamte, die Getreideaedilen (S. 457), über- nahmen die specielle Beaufsichtigung der Lieferanten und des Marktes der Hauptstadt. Dem Clubwesen wurde wirksamer, als es durch Prohibitivgesetze möglich war, gesteuert durch die ver- änderte Verfassung, indem mit der Republik und den republika- nischen Wahlen und Gerichten die Bestechung und Vergewalti- gung der Wahl- und Richtercollegien, überhaupt die politischen Saturnalien der Canaille von selbst ein Ende hatten. Auſserdem wurden die durch das clodische Gesetz ins Leben getretenen Ver- bindungen aufgelöst und das ganze Associationswesen unter die Oberaufsicht der Regierungsbehörden gestellt. Mit Ausnahme der althergebrachten Zünfte und Vergesellschaftungen, der religiösen Vereinigungen der Juden und anderer besonders ausgenommener Kategorien, wofür die einfache Anzeige an den Senat genügt zu haben scheint, wurde die Erlaubniſs eine bleibende Gesellschaft mit festen Versammlungsfristen und stehenden Einschüssen zu constituiren an eine nach eingeholter Willensmeinung des Mo- narchen vom Senat zu ertheilende Concession geknüpft. Dazu kam eine strengere Criminalrechtspflege und eine energische Po- lizei. Die Gesetze, namentlich hinsichtlich des Verbrechens der Vergewaltigung, wurden verschärft und die unvernünftige Be- stimmung des republikanischen Rechts, daſs der überwiesene Verbrecher befugt sei durch Selbstverbannung einem Theil der verwirkten Strafe sich zu entziehen, wie billig beseitigt. Das de- taillirte Regulativ, das Caesar über die hauptstädtische Polizei er- lieſs, ist groſsentheils noch erhalten und es kann wer da will sich überzeugen, daſs der Imperator es nicht verschmähte die Haus- besitzer zur Instandsetzung der Straſsen und zur Pflasterung der Trottoirs in ihrer ganzen Breite mit behauenen Steinen anzu- halten und geeignete Bestimmungen über das Tragen der Sänften und das Fahren der Wagen zu erlassen, die bei der Beschaffen- heit der Straſsen nur zur Nachtzeit in der Hauptstadt frei circu- liren durften. Die Oberaufsicht über die Localpolizei blieb wie bisher hauptsächlich den vier Aedilen, deren Wirksamkeit und Verantwortlichkeit aber dadurch erhöht ward, daſs sie, statt wie

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/487>, abgerufen am 18.05.2024.