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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
Vortheil zu nutzen: wo ein Posten besonderes Vertrauen in An-
spruch nimmt, sehen wir ihn grundsätzlich, so weit irgend an-
dere Rücksichten es gestatten, denselben mit seinen Sclaven,
Freigelassenen, niedriggeborenen Clienten besetzen. Seine Werke
im Ganzen zeigen, was ein organisirendes Genie wie das seinige
mit einem solchen Werkzeug auszurichten vermochte; auf die
Frage, wie im Einzelnen diese wunderbaren Leistungen durch-
geführt wurden, haben wir keine hinreichende Antwort -- die
Bureaukratie gleicht der Fabrik auch darin, dass das geschaffene
Werk nicht als das der Einzelnen erscheint, die es gearbeitet
haben, sondern als das der Fabrik, die es stempelt. Nur das ist
vollkommen klar, dass Caesar durchaus keinen Gehülfen bei sei-
nem Werke gehabt hat, der von persönlichem Einfluss auf das-
selbe oder auch nur in den ganzen Plan eingeweiht gewesen wäre;
er war nicht nur allein Meister, sondern er arbeitete auch ohne
Gesellen nur mit Handlangern. Im Einzelnen versteht sich von
selbst, dass in den eigentlich politischen Angelegenheiten Caesar
so weit irgend möglich jede Stellvertretung vermied. Wo sie un-
umgänglich war, wie denn Caesar namentlich während seiner
häufigen Abwesenheit von Rom eines höheren Organs daselbst
durchaus bedurfte, wurde in bezeichnender Weise hiezu nicht der
legale Stellvertreter des Monarchen, der Stadtpräfect bestimmt,
sondern ein Vertrauensmann ohne officiell anerkannte Compe-
tenz, gewöhnlich Caesars Banquier, der schlaue und geschmei-
dige phönikische Kaufmann Lucius Cornelius Balbus aus Ga-
des. In der Verwaltung war Caesar vor allem darauf bedacht
die Schlüssel der Staatskasse, die der Senat nach dem Sturze
des Königthums sich zugeeignet und mittelst deren er des Regi-
ments sich bemächtigt hatte, wiederum an sich zu nehmen und
sie nur solchen Dienern anzuvertrauen, die mit ihrem Kopfe un-
bedingt und ausschliesslich ihm hafteten. Zwar dem Eigenthum
nach blieb das Privatvermögen des Monarchen von dem Staats-
gut natürlich streng geschieden; aber die Verwaltung des gan-
zen Finanz- und Geldwesens des Staates führte Caesar durchaus
in der Art, wie er und überhaupt die römischen Grossen die
Verwaltung ihres eigenen Vermögens zu führen pflegten. Für
die Zukunft wurden die Erhebung der Provinzialgefälle und die
Leitung des Münzwesens den Sclaven und Freigelassenen des
Imperators übertragen und die Männer senatorischen Standes
davon unbedingt ausgeschlossen -- ein folgenreicher Schritt, aus
dem im Laufe der Zeit der so wichtige Procuratorenstand und
das ,kaiserliche Haus' sich entwickelt haben. Dagegen von den

FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
Vortheil zu nutzen: wo ein Posten besonderes Vertrauen in An-
spruch nimmt, sehen wir ihn grundsätzlich, so weit irgend an-
dere Rücksichten es gestatten, denselben mit seinen Sclaven,
Freigelassenen, niedriggeborenen Clienten besetzen. Seine Werke
im Ganzen zeigen, was ein organisirendes Genie wie das seinige
mit einem solchen Werkzeug auszurichten vermochte; auf die
Frage, wie im Einzelnen diese wunderbaren Leistungen durch-
geführt wurden, haben wir keine hinreichende Antwort — die
Bureaukratie gleicht der Fabrik auch darin, daſs das geschaffene
Werk nicht als das der Einzelnen erscheint, die es gearbeitet
haben, sondern als das der Fabrik, die es stempelt. Nur das ist
vollkommen klar, daſs Caesar durchaus keinen Gehülfen bei sei-
nem Werke gehabt hat, der von persönlichem Einfluſs auf das-
selbe oder auch nur in den ganzen Plan eingeweiht gewesen wäre;
er war nicht nur allein Meister, sondern er arbeitete auch ohne
Gesellen nur mit Handlangern. Im Einzelnen versteht sich von
selbst, daſs in den eigentlich politischen Angelegenheiten Caesar
so weit irgend möglich jede Stellvertretung vermied. Wo sie un-
umgänglich war, wie denn Caesar namentlich während seiner
häufigen Abwesenheit von Rom eines höheren Organs daselbst
durchaus bedurfte, wurde in bezeichnender Weise hiezu nicht der
legale Stellvertreter des Monarchen, der Stadtpräfect bestimmt,
sondern ein Vertrauensmann ohne officiell anerkannte Compe-
tenz, gewöhnlich Caesars Banquier, der schlaue und geschmei-
dige phönikische Kaufmann Lucius Cornelius Balbus aus Ga-
des. In der Verwaltung war Caesar vor allem darauf bedacht
die Schlüssel der Staatskasse, die der Senat nach dem Sturze
des Königthums sich zugeeignet und mittelst deren er des Regi-
ments sich bemächtigt hatte, wiederum an sich zu nehmen und
sie nur solchen Dienern anzuvertrauen, die mit ihrem Kopfe un-
bedingt und ausschlieſslich ihm hafteten. Zwar dem Eigenthum
nach blieb das Privatvermögen des Monarchen von dem Staats-
gut natürlich streng geschieden; aber die Verwaltung des gan-
zen Finanz- und Geldwesens des Staates führte Caesar durchaus
in der Art, wie er und überhaupt die römischen Groſsen die
Verwaltung ihres eigenen Vermögens zu führen pflegten. Für
die Zukunft wurden die Erhebung der Provinzialgefälle und die
Leitung des Münzwesens den Sclaven und Freigelassenen des
Imperators übertragen und die Männer senatorischen Standes
davon unbedingt ausgeschlossen — ein folgenreicher Schritt, aus
dem im Laufe der Zeit der so wichtige Procuratorenstand und
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[454/0464] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. Vortheil zu nutzen: wo ein Posten besonderes Vertrauen in An- spruch nimmt, sehen wir ihn grundsätzlich, so weit irgend an- dere Rücksichten es gestatten, denselben mit seinen Sclaven, Freigelassenen, niedriggeborenen Clienten besetzen. Seine Werke im Ganzen zeigen, was ein organisirendes Genie wie das seinige mit einem solchen Werkzeug auszurichten vermochte; auf die Frage, wie im Einzelnen diese wunderbaren Leistungen durch- geführt wurden, haben wir keine hinreichende Antwort — die Bureaukratie gleicht der Fabrik auch darin, daſs das geschaffene Werk nicht als das der Einzelnen erscheint, die es gearbeitet haben, sondern als das der Fabrik, die es stempelt. Nur das ist vollkommen klar, daſs Caesar durchaus keinen Gehülfen bei sei- nem Werke gehabt hat, der von persönlichem Einfluſs auf das- selbe oder auch nur in den ganzen Plan eingeweiht gewesen wäre; er war nicht nur allein Meister, sondern er arbeitete auch ohne Gesellen nur mit Handlangern. Im Einzelnen versteht sich von selbst, daſs in den eigentlich politischen Angelegenheiten Caesar so weit irgend möglich jede Stellvertretung vermied. Wo sie un- umgänglich war, wie denn Caesar namentlich während seiner häufigen Abwesenheit von Rom eines höheren Organs daselbst durchaus bedurfte, wurde in bezeichnender Weise hiezu nicht der legale Stellvertreter des Monarchen, der Stadtpräfect bestimmt, sondern ein Vertrauensmann ohne officiell anerkannte Compe- tenz, gewöhnlich Caesars Banquier, der schlaue und geschmei- dige phönikische Kaufmann Lucius Cornelius Balbus aus Ga- des. In der Verwaltung war Caesar vor allem darauf bedacht die Schlüssel der Staatskasse, die der Senat nach dem Sturze des Königthums sich zugeeignet und mittelst deren er des Regi- ments sich bemächtigt hatte, wiederum an sich zu nehmen und sie nur solchen Dienern anzuvertrauen, die mit ihrem Kopfe un- bedingt und ausschlieſslich ihm hafteten. Zwar dem Eigenthum nach blieb das Privatvermögen des Monarchen von dem Staats- gut natürlich streng geschieden; aber die Verwaltung des gan- zen Finanz- und Geldwesens des Staates führte Caesar durchaus in der Art, wie er und überhaupt die römischen Groſsen die Verwaltung ihres eigenen Vermögens zu führen pflegten. Für die Zukunft wurden die Erhebung der Provinzialgefälle und die Leitung des Münzwesens den Sclaven und Freigelassenen des Imperators übertragen und die Männer senatorischen Standes davon unbedingt ausgeschlossen — ein folgenreicher Schritt, aus dem im Laufe der Zeit der so wichtige Procuratorenstand und das ‚kaiserliche Haus‘ sich entwickelt haben. Dagegen von den

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/464>, abgerufen am 23.05.2024.