Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

REPUBLIK UND MONARCHIE.
selbe, was die alten Könige, als sie zu der Zeit, wo die Patricier
noch allein die Bürgerschaft ausmachten, in ihren Senat auch
Plebejer aufnahmen (I, 57. 71. 164). -- Eben dieselbe Tendenz
erkennt man in dem merkwürdigen Versuche Caesars den Adel
der Oligarchie durch einen zugleich alten und neuen monarchi-
schen in den Schatten zu stellen. Noch immer bestand die Patri-
cierschaft, wenn gleich ohne wesentliche ständische Vorrechte,
doch als geschlossene Junkergilde fort (I, 194) und ebenso na-
türlich die freilich seit Jahrhunderten nicht ausgeübte Befugniss
der Curien neue Geschlechter in diese Gilde aufzunehmen (I, 60).
Indem Caesar durch Volksbeschluss anstatt der Curien dem Im-
perator das Recht übertragen liess neue patricische Familien zu
creiren, gründete er im Gegensatz zu der republikanischen Nobi-
lität den neuen Adel des Patriciats, der alle Erfordernisse eines
monarchischen Adels: altersgrauen Zauber, vollständige Abhän-
gigkeit von der Regierung und gänzliche Bedeutungslosigkeit auf
das Glücklichste vereinigte. -- Wenn hiemit das Regiment der
Nobilität beseitigt und ihre Existenz untergraben, der Senat in
seiner neuen Gestalt aber durchaus zum Werkzeug des Monar-
chen gemacht war, so wurde zugleich in der Verwaltung und Re-
gierung des Staats die Autokratie in der schärfsten Weise durch-
geführt und die gesammte Execution in der Hand des Monar-
chen vereinigt. Vor allen Dingen entschied natürlich in jeder
irgend wesentlichen Frage der Imperator in eigener Person.
Caesar hat es vermocht das persönliche Regiment in einer Aus-
dehnung durchzuführen, die für uns geringe Menschen kaum
fasslich ist und deren Erklärung doch nicht allein in der beispiel-
losen Raschheit und Sicherheit seines Arbeitens gefunden werden
kann, sondern ausserdem noch begründet ist in einer allgemei-
neren Ursache. Wenn wir Caesar, Sulla, Gaius Gracchus, über-
haupt die römischen Staatsmänner durchweg eine unsere Vorstel-
lungen von menschlicher Arbeitskraft übersteigende Thätigkeit
entwickeln sehen, so liegt die Ursache nicht in der seit jener
Zeit veränderten Menschennatur, sondern in der seit jener Zeit
veränderten Organisation des Hauswesens. Das römische Haus
war eine Maschine, in der dem Herrn auch die geistigen Kräfte
seiner Sclaven und Freigelassenen zuwuchsen; ein Herr, der sie
zu regieren verstand, arbeitete gleichsam mit unzähligen Gei-
stern. Es war das Ideal bureaukratischer Centralisation, dem un-
ser Comptoirwesen zwar mit Eifer nachstrebt, aber doch hinter
dem Urbild ebensoweit zurückbleibt wie die heutige Capitalherr-
schaft hinter dem antiken Sclavensystem. Caesar verstand diesen

REPUBLIK UND MONARCHIE.
selbe, was die alten Könige, als sie zu der Zeit, wo die Patricier
noch allein die Bürgerschaft ausmachten, in ihren Senat auch
Plebejer aufnahmen (I, 57. 71. 164). — Eben dieselbe Tendenz
erkennt man in dem merkwürdigen Versuche Caesars den Adel
der Oligarchie durch einen zugleich alten und neuen monarchi-
schen in den Schatten zu stellen. Noch immer bestand die Patri-
cierschaft, wenn gleich ohne wesentliche ständische Vorrechte,
doch als geschlossene Junkergilde fort (I, 194) und ebenso na-
türlich die freilich seit Jahrhunderten nicht ausgeübte Befugniſs
der Curien neue Geschlechter in diese Gilde aufzunehmen (I, 60).
Indem Caesar durch Volksbeschluſs anstatt der Curien dem Im-
perator das Recht übertragen lieſs neue patricische Familien zu
creiren, gründete er im Gegensatz zu der republikanischen Nobi-
lität den neuen Adel des Patriciats, der alle Erfordernisse eines
monarchischen Adels: altersgrauen Zauber, vollständige Abhän-
gigkeit von der Regierung und gänzliche Bedeutungslosigkeit auf
das Glücklichste vereinigte. — Wenn hiemit das Regiment der
Nobilität beseitigt und ihre Existenz untergraben, der Senat in
seiner neuen Gestalt aber durchaus zum Werkzeug des Monar-
chen gemacht war, so wurde zugleich in der Verwaltung und Re-
gierung des Staats die Autokratie in der schärfsten Weise durch-
geführt und die gesammte Execution in der Hand des Monar-
chen vereinigt. Vor allen Dingen entschied natürlich in jeder
irgend wesentlichen Frage der Imperator in eigener Person.
Caesar hat es vermocht das persönliche Regiment in einer Aus-
dehnung durchzuführen, die für uns geringe Menschen kaum
faſslich ist und deren Erklärung doch nicht allein in der beispiel-
losen Raschheit und Sicherheit seines Arbeitens gefunden werden
kann, sondern auſserdem noch begründet ist in einer allgemei-
neren Ursache. Wenn wir Caesar, Sulla, Gaius Gracchus, über-
haupt die römischen Staatsmänner durchweg eine unsere Vorstel-
lungen von menschlicher Arbeitskraft übersteigende Thätigkeit
entwickeln sehen, so liegt die Ursache nicht in der seit jener
Zeit veränderten Menschennatur, sondern in der seit jener Zeit
veränderten Organisation des Hauswesens. Das römische Haus
war eine Maschine, in der dem Herrn auch die geistigen Kräfte
seiner Sclaven und Freigelassenen zuwuchsen; ein Herr, der sie
zu regieren verstand, arbeitete gleichsam mit unzähligen Gei-
stern. Es war das Ideal bureaukratischer Centralisation, dem un-
ser Comptoirwesen zwar mit Eifer nachstrebt, aber doch hinter
dem Urbild ebensoweit zurückbleibt wie die heutige Capitalherr-
schaft hinter dem antiken Sclavensystem. Caesar verstand diesen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0463" n="453"/><fw place="top" type="header">REPUBLIK UND MONARCHIE.</fw><lb/>
selbe, was die alten Könige, als sie zu der Zeit, wo die Patricier<lb/>
noch allein die Bürgerschaft ausmachten, in ihren Senat auch<lb/>
Plebejer aufnahmen (I, 57. 71. 164). &#x2014; Eben dieselbe Tendenz<lb/>
erkennt man in dem merkwürdigen Versuche Caesars den Adel<lb/>
der Oligarchie durch einen zugleich alten und neuen monarchi-<lb/>
schen in den Schatten zu stellen. Noch immer bestand die Patri-<lb/>
cierschaft, wenn gleich ohne wesentliche ständische Vorrechte,<lb/>
doch als geschlossene Junkergilde fort (I, 194) und ebenso na-<lb/>
türlich die freilich seit Jahrhunderten nicht ausgeübte Befugni&#x017F;s<lb/>
der Curien neue Geschlechter in diese Gilde aufzunehmen (I, 60).<lb/>
Indem Caesar durch Volksbeschlu&#x017F;s anstatt der Curien dem Im-<lb/>
perator das Recht übertragen lie&#x017F;s neue patricische Familien zu<lb/>
creiren, gründete er im Gegensatz zu der republikanischen Nobi-<lb/>
lität den neuen Adel des Patriciats, der alle Erfordernisse eines<lb/>
monarchischen Adels: altersgrauen Zauber, vollständige Abhän-<lb/>
gigkeit von der Regierung und gänzliche Bedeutungslosigkeit auf<lb/>
das Glücklichste vereinigte. &#x2014; Wenn hiemit das Regiment der<lb/>
Nobilität beseitigt und ihre Existenz untergraben, der Senat in<lb/>
seiner neuen Gestalt aber durchaus zum Werkzeug des Monar-<lb/>
chen gemacht war, so wurde zugleich in der Verwaltung und Re-<lb/>
gierung des Staats die Autokratie in der schärfsten Weise durch-<lb/>
geführt und die gesammte Execution in der Hand des Monar-<lb/>
chen vereinigt. Vor allen Dingen entschied natürlich in jeder<lb/>
irgend wesentlichen Frage der Imperator in eigener Person.<lb/>
Caesar hat es vermocht das persönliche Regiment in einer Aus-<lb/>
dehnung durchzuführen, die für uns geringe Menschen kaum<lb/>
fa&#x017F;slich ist und deren Erklärung doch nicht allein in der beispiel-<lb/>
losen Raschheit und Sicherheit seines Arbeitens gefunden werden<lb/>
kann, sondern au&#x017F;serdem noch begründet ist in einer allgemei-<lb/>
neren Ursache. Wenn wir Caesar, Sulla, Gaius Gracchus, über-<lb/>
haupt die römischen Staatsmänner durchweg eine unsere Vorstel-<lb/>
lungen von menschlicher Arbeitskraft übersteigende Thätigkeit<lb/>
entwickeln sehen, so liegt die Ursache nicht in der seit jener<lb/>
Zeit veränderten Menschennatur, sondern in der seit jener Zeit<lb/>
veränderten Organisation des Hauswesens. Das römische Haus<lb/>
war eine Maschine, in der dem Herrn auch die geistigen Kräfte<lb/>
seiner Sclaven und Freigelassenen zuwuchsen; ein Herr, der sie<lb/>
zu regieren verstand, arbeitete gleichsam mit unzähligen Gei-<lb/>
stern. Es war das Ideal bureaukratischer Centralisation, dem un-<lb/>
ser Comptoirwesen zwar mit Eifer nachstrebt, aber doch hinter<lb/>
dem Urbild ebensoweit zurückbleibt wie die heutige Capitalherr-<lb/>
schaft hinter dem antiken Sclavensystem. Caesar verstand diesen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[453/0463] REPUBLIK UND MONARCHIE. selbe, was die alten Könige, als sie zu der Zeit, wo die Patricier noch allein die Bürgerschaft ausmachten, in ihren Senat auch Plebejer aufnahmen (I, 57. 71. 164). — Eben dieselbe Tendenz erkennt man in dem merkwürdigen Versuche Caesars den Adel der Oligarchie durch einen zugleich alten und neuen monarchi- schen in den Schatten zu stellen. Noch immer bestand die Patri- cierschaft, wenn gleich ohne wesentliche ständische Vorrechte, doch als geschlossene Junkergilde fort (I, 194) und ebenso na- türlich die freilich seit Jahrhunderten nicht ausgeübte Befugniſs der Curien neue Geschlechter in diese Gilde aufzunehmen (I, 60). Indem Caesar durch Volksbeschluſs anstatt der Curien dem Im- perator das Recht übertragen lieſs neue patricische Familien zu creiren, gründete er im Gegensatz zu der republikanischen Nobi- lität den neuen Adel des Patriciats, der alle Erfordernisse eines monarchischen Adels: altersgrauen Zauber, vollständige Abhän- gigkeit von der Regierung und gänzliche Bedeutungslosigkeit auf das Glücklichste vereinigte. — Wenn hiemit das Regiment der Nobilität beseitigt und ihre Existenz untergraben, der Senat in seiner neuen Gestalt aber durchaus zum Werkzeug des Monar- chen gemacht war, so wurde zugleich in der Verwaltung und Re- gierung des Staats die Autokratie in der schärfsten Weise durch- geführt und die gesammte Execution in der Hand des Monar- chen vereinigt. Vor allen Dingen entschied natürlich in jeder irgend wesentlichen Frage der Imperator in eigener Person. Caesar hat es vermocht das persönliche Regiment in einer Aus- dehnung durchzuführen, die für uns geringe Menschen kaum faſslich ist und deren Erklärung doch nicht allein in der beispiel- losen Raschheit und Sicherheit seines Arbeitens gefunden werden kann, sondern auſserdem noch begründet ist in einer allgemei- neren Ursache. Wenn wir Caesar, Sulla, Gaius Gracchus, über- haupt die römischen Staatsmänner durchweg eine unsere Vorstel- lungen von menschlicher Arbeitskraft übersteigende Thätigkeit entwickeln sehen, so liegt die Ursache nicht in der seit jener Zeit veränderten Menschennatur, sondern in der seit jener Zeit veränderten Organisation des Hauswesens. Das römische Haus war eine Maschine, in der dem Herrn auch die geistigen Kräfte seiner Sclaven und Freigelassenen zuwuchsen; ein Herr, der sie zu regieren verstand, arbeitete gleichsam mit unzähligen Gei- stern. Es war das Ideal bureaukratischer Centralisation, dem un- ser Comptoirwesen zwar mit Eifer nachstrebt, aber doch hinter dem Urbild ebensoweit zurückbleibt wie die heutige Capitalherr- schaft hinter dem antiken Sclavensystem. Caesar verstand diesen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/463
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/463>, abgerufen am 18.05.2024.