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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
der Opposition gegen Caesar war wie der attische Areopag der-
jenigen gegen Perikles, Massregeln zu treffen um dem Senat den
oppositionellen Charakter möglichst zu benehmen. Hauptsächlich
aus diesem Grunde wurde die Zahl seiner Mitglieder, die im Nor-
malstand bisher höchstens sechshundert betragen hatte (II, 334)
und durch die letzten Krisen stark zusammengeschwunden war,
durch ausserordentliche Ergänzung bis auf neunhundert gebracht
und zugleich, um sie auf dieser Höhe zu halten, die Zahl der jähr-
lich zu ernennenden Quästoren, d. h. der jährlich in den Senat
eintretenden Mitglieder, von zwanzig auf vierzig erhöht. Die aus-
serordentliche Ergänzung des Senats nahm der Monarch allein vor.
Bei der ordentlichen sicherte er einen dauernden Einfluss sich
dadurch, dass die Wahlcollegien durch Gesetz verpflichtet wurden
den ersten zwanzig vom Monarchen mit Empfehlungsschreiben
versehenen Bewerbern um die Quästur ihre Stimmen zu geben;
überdiess stand es der Krone frei die an die Quästur geknüpften
Ehrenrechte, also namentlich den Sitz im Senat ausnahmsweise
auch an nicht qualificirte Individuen zu vergeben. Die ausseror-
dentlichen Ergänzungswahlen fielen natürlich wesentlich auf An-
hänger der neuen Ordnung der Dinge und brachten neben ange-
sehenen Rittern auch manche zweifelhafte und plebejische Indi-
viduen in die hohe Corporation: ehemalige durch den Censor
oder in Folge eines Richterspruchs von der Liste gestrichene Se-
natoren, Ausländer aus Spanien und Gallien, welche zum Theil
erst im Senat ihr Lateinisch zu lernen hatten, gewesene Unter-
offiziere, die bisher nicht einmal den Ritterring gehabt hatten,
Söhne von freigelassenen Leuten oder von solchen, die ehren-
rührige Gewerbe betrieben, und dergleichen Elemente mehr. Die
exclusiven Kreise der Nobilität, denen diese Umgestaltung des
senatorischen Personals natürlich zum bittersten Aerger gereichte,
sahen darin eine absichtliche Herabwürdigung der Institution des
Senats selbst. Einer solchen sich selber vernichtenden Staats-
kunst war Caesar nicht fähig; er war ebenso entschlossen sich
nicht von seinem Rath regieren zu lassen als überzeugt von der
Nothwendigkeit des Instituts an sich. Richtiger hätten sie in die-
sem Verfahren die Absicht des Monarchen erkannt dem Senat
seinen bisherigen Charakter der ausschliesslichen Repräsentation
des oligarchischen Adels zu nehmen und ihn wieder zu dem zu
machen, was er in der Königszeit gewesen war: zu einem alle
Klassen der Staatsangehörigen durch ihre intelligentesten Ele-
mente vertretenden Reichsrath. Wenn Caesar Niedriggeborene
und Provinzialen in den Senat zog, so that er wesentlich das-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
der Opposition gegen Caesar war wie der attische Areopag der-
jenigen gegen Perikles, Maſsregeln zu treffen um dem Senat den
oppositionellen Charakter möglichst zu benehmen. Hauptsächlich
aus diesem Grunde wurde die Zahl seiner Mitglieder, die im Nor-
malstand bisher höchstens sechshundert betragen hatte (II, 334)
und durch die letzten Krisen stark zusammengeschwunden war,
durch ausserordentliche Ergänzung bis auf neunhundert gebracht
und zugleich, um sie auf dieser Höhe zu halten, die Zahl der jähr-
lich zu ernennenden Quästoren, d. h. der jährlich in den Senat
eintretenden Mitglieder, von zwanzig auf vierzig erhöht. Die aus-
serordentliche Ergänzung des Senats nahm der Monarch allein vor.
Bei der ordentlichen sicherte er einen dauernden Einfluſs sich
dadurch, daſs die Wahlcollegien durch Gesetz verpflichtet wurden
den ersten zwanzig vom Monarchen mit Empfehlungsschreiben
versehenen Bewerbern um die Quästur ihre Stimmen zu geben;
überdieſs stand es der Krone frei die an die Quästur geknüpften
Ehrenrechte, also namentlich den Sitz im Senat ausnahmsweise
auch an nicht qualificirte Individuen zu vergeben. Die auſseror-
dentlichen Ergänzungswahlen fielen natürlich wesentlich auf An-
hänger der neuen Ordnung der Dinge und brachten neben ange-
sehenen Rittern auch manche zweifelhafte und plebejische Indi-
viduen in die hohe Corporation: ehemalige durch den Censor
oder in Folge eines Richterspruchs von der Liste gestrichene Se-
natoren, Ausländer aus Spanien und Gallien, welche zum Theil
erst im Senat ihr Lateinisch zu lernen hatten, gewesene Unter-
offiziere, die bisher nicht einmal den Ritterring gehabt hatten,
Söhne von freigelassenen Leuten oder von solchen, die ehren-
rührige Gewerbe betrieben, und dergleichen Elemente mehr. Die
exclusiven Kreise der Nobilität, denen diese Umgestaltung des
senatorischen Personals natürlich zum bittersten Aerger gereichte,
sahen darin eine absichtliche Herabwürdigung der Institution des
Senats selbst. Einer solchen sich selber vernichtenden Staats-
kunst war Caesar nicht fähig; er war ebenso entschlossen sich
nicht von seinem Rath regieren zu lassen als überzeugt von der
Nothwendigkeit des Instituts an sich. Richtiger hätten sie in die-
sem Verfahren die Absicht des Monarchen erkannt dem Senat
seinen bisherigen Charakter der ausschlieſslichen Repräsentation
des oligarchischen Adels zu nehmen und ihn wieder zu dem zu
machen, was er in der Königszeit gewesen war: zu einem alle
Klassen der Staatsangehörigen durch ihre intelligentesten Ele-
mente vertretenden Reichsrath. Wenn Caesar Niedriggeborene
und Provinzialen in den Senat zog, so that er wesentlich das-

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[452/0462] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. der Opposition gegen Caesar war wie der attische Areopag der- jenigen gegen Perikles, Maſsregeln zu treffen um dem Senat den oppositionellen Charakter möglichst zu benehmen. Hauptsächlich aus diesem Grunde wurde die Zahl seiner Mitglieder, die im Nor- malstand bisher höchstens sechshundert betragen hatte (II, 334) und durch die letzten Krisen stark zusammengeschwunden war, durch ausserordentliche Ergänzung bis auf neunhundert gebracht und zugleich, um sie auf dieser Höhe zu halten, die Zahl der jähr- lich zu ernennenden Quästoren, d. h. der jährlich in den Senat eintretenden Mitglieder, von zwanzig auf vierzig erhöht. Die aus- serordentliche Ergänzung des Senats nahm der Monarch allein vor. Bei der ordentlichen sicherte er einen dauernden Einfluſs sich dadurch, daſs die Wahlcollegien durch Gesetz verpflichtet wurden den ersten zwanzig vom Monarchen mit Empfehlungsschreiben versehenen Bewerbern um die Quästur ihre Stimmen zu geben; überdieſs stand es der Krone frei die an die Quästur geknüpften Ehrenrechte, also namentlich den Sitz im Senat ausnahmsweise auch an nicht qualificirte Individuen zu vergeben. Die auſseror- dentlichen Ergänzungswahlen fielen natürlich wesentlich auf An- hänger der neuen Ordnung der Dinge und brachten neben ange- sehenen Rittern auch manche zweifelhafte und plebejische Indi- viduen in die hohe Corporation: ehemalige durch den Censor oder in Folge eines Richterspruchs von der Liste gestrichene Se- natoren, Ausländer aus Spanien und Gallien, welche zum Theil erst im Senat ihr Lateinisch zu lernen hatten, gewesene Unter- offiziere, die bisher nicht einmal den Ritterring gehabt hatten, Söhne von freigelassenen Leuten oder von solchen, die ehren- rührige Gewerbe betrieben, und dergleichen Elemente mehr. Die exclusiven Kreise der Nobilität, denen diese Umgestaltung des senatorischen Personals natürlich zum bittersten Aerger gereichte, sahen darin eine absichtliche Herabwürdigung der Institution des Senats selbst. Einer solchen sich selber vernichtenden Staats- kunst war Caesar nicht fähig; er war ebenso entschlossen sich nicht von seinem Rath regieren zu lassen als überzeugt von der Nothwendigkeit des Instituts an sich. Richtiger hätten sie in die- sem Verfahren die Absicht des Monarchen erkannt dem Senat seinen bisherigen Charakter der ausschlieſslichen Repräsentation des oligarchischen Adels zu nehmen und ihn wieder zu dem zu machen, was er in der Königszeit gewesen war: zu einem alle Klassen der Staatsangehörigen durch ihre intelligentesten Ele- mente vertretenden Reichsrath. Wenn Caesar Niedriggeborene und Provinzialen in den Senat zog, so that er wesentlich das-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/462>, abgerufen am 18.12.2024.