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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
beabsichtigte die höchste Gewalt, und zwar nicht etwa auf einige
Jahre oder auch als persönliches Amt auf Lebenszeit, etwa wie
Sullas Regentschaft, sondern als bleibendes Organ, in dem Staats-
ganzen zu constituiren, noch auch dafür, dass er für die neue In-
stitution eine entsprechende und einfache Formulirung ausersah;
denn wenn es ein politischer Fehler ist inhaltlose Namen zu schaf-
fen, so ist es ein kaum geringerer den Inhalt der Machtfülle ohne
Namen hinzustellen. Nur ist es freilich, theils weil in dieser
Uebergangszeit die ephemeren und die bleibenden Bauten sich
noch nicht klar von einander sondern, theils weil die dem Winke
bereits zuvorkommende Devotion der Clienten den Herrn mit einer
ohne Zweifel ihm selbst widerwärtigen Fülle von Vertrauensdecre-
ten und Ehrengesetzen überschüttete, nicht ganz leicht festzustel-
len, was die von Caesar gewählte Formulirung war. Die Dictatur
Caesars, wenn sie, wie es scheint, nicht nach der ganz anomalen
sullanischen, sondern, von der Zeitgrenze abgesehen, nach der
gewöhnlichen republikanischen formulirt war, war zu eng be-
schränkt um die neue Monarchie in sich zu fassen; auf jeden Fall
aber ward sie durch den ihr anhaftenden Charakter der Exceptio-
nalgewalt und durch ihre Unpopularität dazu nicht gerade empfoh-
len. Vielmehr benutzte Caesar sie dazu, wozu sie von Alters her im
Verfassungsorganismus diente, als ausserordentliche Vorstand-
schaft zur Erledigung der ausserordentlichen Krise; woher es be-
greiflich ist, dass unter Caesars vielen Aemtern die Dictatur prak-
tisch am häufigsten und am bestimmtesten hervortritt. Noch min-
der konnte die neue Monarchie anknüpfen an das Consulat, schon
wegen der von diesem Amt nicht wohl zu trennenden Collegia-
lität; es hat auch Caesar offenbar darauf hingearbeitet dieses bis-
her höchste Amt zum leeren Titel umzugestalten. Am wenigsten
lieh die tribunicische Gewalt einen brauchbaren Ausdruck her zur
Bezeichnung der Competenz des neuen Staatsoberhaupts, da der
Volkstribun verfassungsmässig nicht befehlen konnte, sondern
nur andern Befehlenden verbieten. Dagegen erscheint das neue
Imperatorenamt in jeder Hinsicht dazu geeignet; schon darum
weil es neu ist und kein bestimmter äusserer Anlass vorlag das-
selbe einzurichten. Der neue Wein durfte nicht in alte Schläuche
gefüllt werden: hier aber ist zu der neuen Sache der neue Name
und in demselben in prägnantester Weise zusammengefasst, was
schon in dem gabinischen Gesetz, nur mit minderer Schärfe, die
demokratische Partei als Competenz ihres Oberhauptes formulirt
hatte: die Concentrirung der Amtsgewalt (imperium) in der Hand
eines vom Senat unabhängigen Volkshauptes. Auch scheint in

REPUBLIK UND MONARCHIE.
beabsichtigte die höchste Gewalt, und zwar nicht etwa auf einige
Jahre oder auch als persönliches Amt auf Lebenszeit, etwa wie
Sullas Regentschaft, sondern als bleibendes Organ, in dem Staats-
ganzen zu constituiren, noch auch dafür, daſs er für die neue In-
stitution eine entsprechende und einfache Formulirung ausersah;
denn wenn es ein politischer Fehler ist inhaltlose Namen zu schaf-
fen, so ist es ein kaum geringerer den Inhalt der Machtfülle ohne
Namen hinzustellen. Nur ist es freilich, theils weil in dieser
Uebergangszeit die ephemeren und die bleibenden Bauten sich
noch nicht klar von einander sondern, theils weil die dem Winke
bereits zuvorkommende Devotion der Clienten den Herrn mit einer
ohne Zweifel ihm selbst widerwärtigen Fülle von Vertrauensdecre-
ten und Ehrengesetzen überschüttete, nicht ganz leicht festzustel-
len, was die von Caesar gewählte Formulirung war. Die Dictatur
Caesars, wenn sie, wie es scheint, nicht nach der ganz anomalen
sullanischen, sondern, von der Zeitgrenze abgesehen, nach der
gewöhnlichen republikanischen formulirt war, war zu eng be-
schränkt um die neue Monarchie in sich zu fassen; auf jeden Fall
aber ward sie durch den ihr anhaftenden Charakter der Exceptio-
nalgewalt und durch ihre Unpopularität dazu nicht gerade empfoh-
len. Vielmehr benutzte Caesar sie dazu, wozu sie von Alters her im
Verfassungsorganismus diente, als auſserordentliche Vorstand-
schaft zur Erledigung der auſserordentlichen Krise; woher es be-
greiflich ist, daſs unter Caesars vielen Aemtern die Dictatur prak-
tisch am häufigsten und am bestimmtesten hervortritt. Noch min-
der konnte die neue Monarchie anknüpfen an das Consulat, schon
wegen der von diesem Amt nicht wohl zu trennenden Collegia-
lität; es hat auch Caesar offenbar darauf hingearbeitet dieses bis-
her höchste Amt zum leeren Titel umzugestalten. Am wenigsten
lieh die tribunicische Gewalt einen brauchbaren Ausdruck her zur
Bezeichnung der Competenz des neuen Staatsoberhaupts, da der
Volkstribun verfassungsmäſsig nicht befehlen konnte, sondern
nur andern Befehlenden verbieten. Dagegen erscheint das neue
Imperatorenamt in jeder Hinsicht dazu geeignet; schon darum
weil es neu ist und kein bestimmter äuſserer Anlaſs vorlag das-
selbe einzurichten. Der neue Wein durfte nicht in alte Schläuche
gefüllt werden: hier aber ist zu der neuen Sache der neue Name
und in demselben in prägnantester Weise zusammengefaſst, was
schon in dem gabinischen Gesetz, nur mit minderer Schärfe, die
demokratische Partei als Competenz ihres Oberhauptes formulirt
hatte: die Concentrirung der Amtsgewalt (imperium) in der Hand
eines vom Senat unabhängigen Volkshauptes. Auch scheint in

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[445/0455] REPUBLIK UND MONARCHIE. beabsichtigte die höchste Gewalt, und zwar nicht etwa auf einige Jahre oder auch als persönliches Amt auf Lebenszeit, etwa wie Sullas Regentschaft, sondern als bleibendes Organ, in dem Staats- ganzen zu constituiren, noch auch dafür, daſs er für die neue In- stitution eine entsprechende und einfache Formulirung ausersah; denn wenn es ein politischer Fehler ist inhaltlose Namen zu schaf- fen, so ist es ein kaum geringerer den Inhalt der Machtfülle ohne Namen hinzustellen. Nur ist es freilich, theils weil in dieser Uebergangszeit die ephemeren und die bleibenden Bauten sich noch nicht klar von einander sondern, theils weil die dem Winke bereits zuvorkommende Devotion der Clienten den Herrn mit einer ohne Zweifel ihm selbst widerwärtigen Fülle von Vertrauensdecre- ten und Ehrengesetzen überschüttete, nicht ganz leicht festzustel- len, was die von Caesar gewählte Formulirung war. Die Dictatur Caesars, wenn sie, wie es scheint, nicht nach der ganz anomalen sullanischen, sondern, von der Zeitgrenze abgesehen, nach der gewöhnlichen republikanischen formulirt war, war zu eng be- schränkt um die neue Monarchie in sich zu fassen; auf jeden Fall aber ward sie durch den ihr anhaftenden Charakter der Exceptio- nalgewalt und durch ihre Unpopularität dazu nicht gerade empfoh- len. Vielmehr benutzte Caesar sie dazu, wozu sie von Alters her im Verfassungsorganismus diente, als auſserordentliche Vorstand- schaft zur Erledigung der auſserordentlichen Krise; woher es be- greiflich ist, daſs unter Caesars vielen Aemtern die Dictatur prak- tisch am häufigsten und am bestimmtesten hervortritt. Noch min- der konnte die neue Monarchie anknüpfen an das Consulat, schon wegen der von diesem Amt nicht wohl zu trennenden Collegia- lität; es hat auch Caesar offenbar darauf hingearbeitet dieses bis- her höchste Amt zum leeren Titel umzugestalten. Am wenigsten lieh die tribunicische Gewalt einen brauchbaren Ausdruck her zur Bezeichnung der Competenz des neuen Staatsoberhaupts, da der Volkstribun verfassungsmäſsig nicht befehlen konnte, sondern nur andern Befehlenden verbieten. Dagegen erscheint das neue Imperatorenamt in jeder Hinsicht dazu geeignet; schon darum weil es neu ist und kein bestimmter äuſserer Anlaſs vorlag das- selbe einzurichten. Der neue Wein durfte nicht in alte Schläuche gefüllt werden: hier aber ist zu der neuen Sache der neue Name und in demselben in prägnantester Weise zusammengefaſst, was schon in dem gabinischen Gesetz, nur mit minderer Schärfe, die demokratische Partei als Competenz ihres Oberhauptes formulirt hatte: die Concentrirung der Amtsgewalt (imperium) in der Hand eines vom Senat unabhängigen Volkshauptes. Auch scheint in

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/455>, abgerufen am 23.05.2024.