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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
meisters im J. 708 auf drei Jahre, im J. 710 auf Lebenszeit;
weiter das Consulat zuerst für 706 in gewöhnlicher Weise -- es
war dies das Amt, über dessen Bekleidung zunächst der Bürger-
krieg ausgebrochen war -- später auf fünf, endlich auf zehn Jahre,
einmal auch ohne Collegen; imgleichen zwar nicht das Volkstribu-
nat, aber eine der tribunicischen gleichartige Gewalt im J. 706 auf
Lebenszeit; sodann die erste Stelle und damit das Vorstimmrecht
im Senat; endlich die der bisherigen Verfassung fremde Ober-
gewalt auf Lebenszeit, welche bezeichnet ward durch den als
Ehrentitel längst bekannten, aber als Amttitel neuen Namen Im-
perator, der der Unterscheidung halber späterhin regelmässig als
Amttitel dem Eigennamen vor-, als Ehrentitel ihm nachgesetzt
wird. Die Oberaufsicht über den Cult erhielt Caesar nur desshalb
nicht, weil er das Amt des Oberpontifex bereits bekleidete (S. 154);
dagegen wurde er Mitglied derjenigen der grossen geistlichen Col-
legien, denen er noch nicht angehörte. Zu diesem bunten Verein
bürgerlicher und priesterlicher Aemter kam ferner hinzu eine noch
bei weitem buntere Menge von Gesetzen und Senatsbeschlüssen,
welche das Recht ohne Befragung des Senats und des Volkes
über Krieg und Frieden zu entscheiden, die Verfügung über Heere
und Kassen, die Ernennung der Provinzialstatthalter, ein binden-
des Vorschlagsrecht hinsichtlich eines Theils der stadtrömischen
Beamten, die Wahlleitung in den Centuriatcomitien, das Recht
der Patricierernennung und andere derartige ausserordentliche
Befugnisse von den bisherigen competenten Organen auf Cae-
sar übertrugen; um ganz abzusehen von den leeren Ehren und
Decorationen, der Ertheilung des Titels eines Vaters des Vater-
landes, der Benennung seines Geburtsmonats mit dem Namen, den
er heute noch führt, des Julius, und anderer zuletzt völlig in
die einfältigste Vergötterung sich verlaufender Manifestationen des
beginnenden aberwitzigen Hoftons. Offenbar ist hier, wie es
scheint durch Compromiss zwischen der neuen höfischen Devotion
und dem republikanischen Widerwillen die Monarchie beim rech-
ten Namen zu nennen, der Versuch gemacht die unumschränkte
Gewalt des Monarchen in ihre einzelnen Bestandtheile zu zerle-
gen; was freilich ebenso weitschweifig wie logisch verkehrt war,
denn die unumschränkte Gewalt entzieht sich ihrer Natur nach
jeder Specialisirung. Dass Caesar selber beabsichtigt habe aus
diesem Bündel alter und neuer Aemter und ausserordentlicher
Commissionen seine neue Königsgewalt zusammenzuklittern, ist
eine mehr naive als geistreiche Vermuthung. Für den Verstän-
digen wird es weder dafür eines Beweises bedürfen, dass Caesar

FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
meisters im J. 708 auf drei Jahre, im J. 710 auf Lebenszeit;
weiter das Consulat zuerst für 706 in gewöhnlicher Weise — es
war dies das Amt, über dessen Bekleidung zunächst der Bürger-
krieg ausgebrochen war — später auf fünf, endlich auf zehn Jahre,
einmal auch ohne Collegen; imgleichen zwar nicht das Volkstribu-
nat, aber eine der tribunicischen gleichartige Gewalt im J. 706 auf
Lebenszeit; sodann die erste Stelle und damit das Vorstimmrecht
im Senat; endlich die der bisherigen Verfassung fremde Ober-
gewalt auf Lebenszeit, welche bezeichnet ward durch den als
Ehrentitel längst bekannten, aber als Amttitel neuen Namen Im-
perator, der der Unterscheidung halber späterhin regelmäſsig als
Amttitel dem Eigennamen vor-, als Ehrentitel ihm nachgesetzt
wird. Die Oberaufsicht über den Cult erhielt Caesar nur deſshalb
nicht, weil er das Amt des Oberpontifex bereits bekleidete (S. 154);
dagegen wurde er Mitglied derjenigen der groſsen geistlichen Col-
legien, denen er noch nicht angehörte. Zu diesem bunten Verein
bürgerlicher und priesterlicher Aemter kam ferner hinzu eine noch
bei weitem buntere Menge von Gesetzen und Senatsbeschlüssen,
welche das Recht ohne Befragung des Senats und des Volkes
über Krieg und Frieden zu entscheiden, die Verfügung über Heere
und Kassen, die Ernennung der Provinzialstatthalter, ein binden-
des Vorschlagsrecht hinsichtlich eines Theils der stadtrömischen
Beamten, die Wahlleitung in den Centuriatcomitien, das Recht
der Patricierernennung und andere derartige auſserordentliche
Befugnisse von den bisherigen competenten Organen auf Cae-
sar übertrugen; um ganz abzusehen von den leeren Ehren und
Decorationen, der Ertheilung des Titels eines Vaters des Vater-
landes, der Benennung seines Geburtsmonats mit dem Namen, den
er heute noch führt, des Julius, und anderer zuletzt völlig in
die einfältigste Vergötterung sich verlaufender Manifestationen des
beginnenden aberwitzigen Hoftons. Offenbar ist hier, wie es
scheint durch Compromiſs zwischen der neuen höfischen Devotion
und dem republikanischen Widerwillen die Monarchie beim rech-
ten Namen zu nennen, der Versuch gemacht die unumschränkte
Gewalt des Monarchen in ihre einzelnen Bestandtheile zu zerle-
gen; was freilich ebenso weitschweifig wie logisch verkehrt war,
denn die unumschränkte Gewalt entzieht sich ihrer Natur nach
jeder Specialisirung. Daſs Caesar selber beabsichtigt habe aus
diesem Bündel alter und neuer Aemter und auſserordentlicher
Commissionen seine neue Königsgewalt zusammenzuklittern, ist
eine mehr naive als geistreiche Vermuthung. Für den Verstän-
digen wird es weder dafür eines Beweises bedürfen, daſs Caesar

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[444/0454] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. meisters im J. 708 auf drei Jahre, im J. 710 auf Lebenszeit; weiter das Consulat zuerst für 706 in gewöhnlicher Weise — es war dies das Amt, über dessen Bekleidung zunächst der Bürger- krieg ausgebrochen war — später auf fünf, endlich auf zehn Jahre, einmal auch ohne Collegen; imgleichen zwar nicht das Volkstribu- nat, aber eine der tribunicischen gleichartige Gewalt im J. 706 auf Lebenszeit; sodann die erste Stelle und damit das Vorstimmrecht im Senat; endlich die der bisherigen Verfassung fremde Ober- gewalt auf Lebenszeit, welche bezeichnet ward durch den als Ehrentitel längst bekannten, aber als Amttitel neuen Namen Im- perator, der der Unterscheidung halber späterhin regelmäſsig als Amttitel dem Eigennamen vor-, als Ehrentitel ihm nachgesetzt wird. Die Oberaufsicht über den Cult erhielt Caesar nur deſshalb nicht, weil er das Amt des Oberpontifex bereits bekleidete (S. 154); dagegen wurde er Mitglied derjenigen der groſsen geistlichen Col- legien, denen er noch nicht angehörte. Zu diesem bunten Verein bürgerlicher und priesterlicher Aemter kam ferner hinzu eine noch bei weitem buntere Menge von Gesetzen und Senatsbeschlüssen, welche das Recht ohne Befragung des Senats und des Volkes über Krieg und Frieden zu entscheiden, die Verfügung über Heere und Kassen, die Ernennung der Provinzialstatthalter, ein binden- des Vorschlagsrecht hinsichtlich eines Theils der stadtrömischen Beamten, die Wahlleitung in den Centuriatcomitien, das Recht der Patricierernennung und andere derartige auſserordentliche Befugnisse von den bisherigen competenten Organen auf Cae- sar übertrugen; um ganz abzusehen von den leeren Ehren und Decorationen, der Ertheilung des Titels eines Vaters des Vater- landes, der Benennung seines Geburtsmonats mit dem Namen, den er heute noch führt, des Julius, und anderer zuletzt völlig in die einfältigste Vergötterung sich verlaufender Manifestationen des beginnenden aberwitzigen Hoftons. Offenbar ist hier, wie es scheint durch Compromiſs zwischen der neuen höfischen Devotion und dem republikanischen Widerwillen die Monarchie beim rech- ten Namen zu nennen, der Versuch gemacht die unumschränkte Gewalt des Monarchen in ihre einzelnen Bestandtheile zu zerle- gen; was freilich ebenso weitschweifig wie logisch verkehrt war, denn die unumschränkte Gewalt entzieht sich ihrer Natur nach jeder Specialisirung. Daſs Caesar selber beabsichtigt habe aus diesem Bündel alter und neuer Aemter und auſserordentlicher Commissionen seine neue Königsgewalt zusammenzuklittern, ist eine mehr naive als geistreiche Vermuthung. Für den Verstän- digen wird es weder dafür eines Beweises bedürfen, daſs Caesar

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/454>, abgerufen am 18.05.2024.