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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
herr an sie machte und deren Folgen in den schrecklich gelich-
teten Reihen nur zu grell hervortraten, liessen selbst in diesen
Eisenmännern einen Sauerteig des Grolls zurück, der nur der Zeit
und der Ruhe bedurfte, um die Gemüther in Gährung zu bringen.
Der einzige Mann, der ihnen imponirte, war seit einem Jahre fern
und fast verschollen, ihre vorgesetzten Offiziere aber scheuten
weit mehr sich vor den Soldaten als diese vor ihnen und sahen
den Weltbesiegern jede Brutalität gegen ihre Quartiergeber und
jede Indisciplin nach. Als nun der Befehl sich nach Sicilien ein-
zuschiffen kam und der Soldat das üppige Wohlleben in Campa-
nien wieder mit einer dritten der spanischen und thessalischen
an Drangsalen sicher nicht nachstehenden Campagne vertauschen
sollte, rissen die allzu lange gelockerten und allzu plötzlich wieder
angezogenen Zügel. Die Legionen weigerten sich zu gehorchen,
bevor die versprochenen Geschenke ihnen gezahlt seien, und wie-
sen die von Caesar gesandten Offiziere mit Hohnreden, ja mit
Steinwürfen zurück. Ein Versuch den beginnenden Aufstand
durch Steigerung der versprochenen Summen zu dämpfen hatte
nicht bloss keinen Erfolg, sondern die Soldaten brachen massen-
weise auf, um in der Hauptstadt die Erfüllung der Versprechungen
von dem Feldherrn zu erpressen. Einzelne Offiziere, die die meu-
terischen Rotten unterwegs zurückzuhalten versuchten, wurden
erschlagen. Es war eine furchtbare Gefahr. Caesar liess die we-
nigen in der Stadt befindlichen Soldaten die Thore besetzen, um
die mit Recht befürchtete Plünderung wenigstens für den ersten
Anlauf abzuwehren und erschien plötzlich unter den tobenden
Haufen mit der Frage was sie begehrten. Man rief: den Abschied.
Augenblicklich ward er wie gebeten ertheilt. Wegen der Ge-
schenke, fügte Caesar hinzu, welche er für den Triumph seinen
Soldaten zugesagt habe, so wie wegen der Aecker, die er ihnen
nicht versprochen, aber bestimmt gehabt, möchten sie an dem
Tage, wo er mit den andern Soldaten triumphiren werde, sich
bei ihm melden; an dem Triumphe selbst freilich könnten sie als
vorher entlassen natürlich nicht theilnehmen. Auf diese Wendung
waren die Massen nicht gefasst; überzeugt, dass Caesar ihrer für
den africanischen Feldzug nicht entrathen könne, hatten sie den
Abschied nur gefordert, um, wenn er ihnen verweigert werde,
daran ihre Bedingungen zu knüpfen. Halb irre geworden in der
Meinung ihrer eigenen Unentbehrlichkeit; zu unbehülflich um
wieder einzulenken und die verfahrene Unterhandlung in ihr
rechtes Geleise zurückzubringen; als Menschen beschämt durch
die Treue, mit der der Imperator auch seinen treuvergessenen

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
herr an sie machte und deren Folgen in den schrecklich gelich-
teten Reihen nur zu grell hervortraten, lieſsen selbst in diesen
Eisenmännern einen Sauerteig des Grolls zurück, der nur der Zeit
und der Ruhe bedurfte, um die Gemüther in Gährung zu bringen.
Der einzige Mann, der ihnen imponirte, war seit einem Jahre fern
und fast verschollen, ihre vorgesetzten Offiziere aber scheuten
weit mehr sich vor den Soldaten als diese vor ihnen und sahen
den Weltbesiegern jede Brutalität gegen ihre Quartiergeber und
jede Indisciplin nach. Als nun der Befehl sich nach Sicilien ein-
zuschiffen kam und der Soldat das üppige Wohlleben in Campa-
nien wieder mit einer dritten der spanischen und thessalischen
an Drangsalen sicher nicht nachstehenden Campagne vertauschen
sollte, rissen die allzu lange gelockerten und allzu plötzlich wieder
angezogenen Zügel. Die Legionen weigerten sich zu gehorchen,
bevor die versprochenen Geschenke ihnen gezahlt seien, und wie-
sen die von Caesar gesandten Offiziere mit Hohnreden, ja mit
Steinwürfen zurück. Ein Versuch den beginnenden Aufstand
durch Steigerung der versprochenen Summen zu dämpfen hatte
nicht bloſs keinen Erfolg, sondern die Soldaten brachen massen-
weise auf, um in der Hauptstadt die Erfüllung der Versprechungen
von dem Feldherrn zu erpressen. Einzelne Offiziere, die die meu-
terischen Rotten unterwegs zurückzuhalten versuchten, wurden
erschlagen. Es war eine furchtbare Gefahr. Caesar lieſs die we-
nigen in der Stadt befindlichen Soldaten die Thore besetzen, um
die mit Recht befürchtete Plünderung wenigstens für den ersten
Anlauf abzuwehren und erschien plötzlich unter den tobenden
Haufen mit der Frage was sie begehrten. Man rief: den Abschied.
Augenblicklich ward er wie gebeten ertheilt. Wegen der Ge-
schenke, fügte Caesar hinzu, welche er für den Triumph seinen
Soldaten zugesagt habe, so wie wegen der Aecker, die er ihnen
nicht versprochen, aber bestimmt gehabt, möchten sie an dem
Tage, wo er mit den andern Soldaten triumphiren werde, sich
bei ihm melden; an dem Triumphe selbst freilich könnten sie als
vorher entlassen natürlich nicht theilnehmen. Auf diese Wendung
waren die Massen nicht gefaſst; überzeugt, daſs Caesar ihrer für
den africanischen Feldzug nicht entrathen könne, hatten sie den
Abschied nur gefordert, um, wenn er ihnen verweigert werde,
daran ihre Bedingungen zu knüpfen. Halb irre geworden in der
Meinung ihrer eigenen Unentbehrlichkeit; zu unbehülflich um
wieder einzulenken und die verfahrene Unterhandlung in ihr
rechtes Geleise zurückzubringen; als Menschen beschämt durch
die Treue, mit der der Imperator auch seinen treuvergessenen

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[418/0428] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. herr an sie machte und deren Folgen in den schrecklich gelich- teten Reihen nur zu grell hervortraten, lieſsen selbst in diesen Eisenmännern einen Sauerteig des Grolls zurück, der nur der Zeit und der Ruhe bedurfte, um die Gemüther in Gährung zu bringen. Der einzige Mann, der ihnen imponirte, war seit einem Jahre fern und fast verschollen, ihre vorgesetzten Offiziere aber scheuten weit mehr sich vor den Soldaten als diese vor ihnen und sahen den Weltbesiegern jede Brutalität gegen ihre Quartiergeber und jede Indisciplin nach. Als nun der Befehl sich nach Sicilien ein- zuschiffen kam und der Soldat das üppige Wohlleben in Campa- nien wieder mit einer dritten der spanischen und thessalischen an Drangsalen sicher nicht nachstehenden Campagne vertauschen sollte, rissen die allzu lange gelockerten und allzu plötzlich wieder angezogenen Zügel. Die Legionen weigerten sich zu gehorchen, bevor die versprochenen Geschenke ihnen gezahlt seien, und wie- sen die von Caesar gesandten Offiziere mit Hohnreden, ja mit Steinwürfen zurück. Ein Versuch den beginnenden Aufstand durch Steigerung der versprochenen Summen zu dämpfen hatte nicht bloſs keinen Erfolg, sondern die Soldaten brachen massen- weise auf, um in der Hauptstadt die Erfüllung der Versprechungen von dem Feldherrn zu erpressen. Einzelne Offiziere, die die meu- terischen Rotten unterwegs zurückzuhalten versuchten, wurden erschlagen. Es war eine furchtbare Gefahr. Caesar lieſs die we- nigen in der Stadt befindlichen Soldaten die Thore besetzen, um die mit Recht befürchtete Plünderung wenigstens für den ersten Anlauf abzuwehren und erschien plötzlich unter den tobenden Haufen mit der Frage was sie begehrten. Man rief: den Abschied. Augenblicklich ward er wie gebeten ertheilt. Wegen der Ge- schenke, fügte Caesar hinzu, welche er für den Triumph seinen Soldaten zugesagt habe, so wie wegen der Aecker, die er ihnen nicht versprochen, aber bestimmt gehabt, möchten sie an dem Tage, wo er mit den andern Soldaten triumphiren werde, sich bei ihm melden; an dem Triumphe selbst freilich könnten sie als vorher entlassen natürlich nicht theilnehmen. Auf diese Wendung waren die Massen nicht gefaſst; überzeugt, daſs Caesar ihrer für den africanischen Feldzug nicht entrathen könne, hatten sie den Abschied nur gefordert, um, wenn er ihnen verweigert werde, daran ihre Bedingungen zu knüpfen. Halb irre geworden in der Meinung ihrer eigenen Unentbehrlichkeit; zu unbehülflich um wieder einzulenken und die verfahrene Unterhandlung in ihr rechtes Geleise zurückzubringen; als Menschen beschämt durch die Treue, mit der der Imperator auch seinen treuvergessenen

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/428>, abgerufen am 22.05.2024.