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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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THAPSUS.
Soldaten Wort hielt und durch die Hochherzigkeit desselben,
welche eben jetzt weit mehr gewährte als zugesagt war; als Sol-
daten tief ergriffen, da der Feldherr ihnen in Aussicht stellte dem
Triumph ihrer Kameraden als Bürgersleute zuschauen zu müssen
und, indem er sie nicht mehr ,Kameraden' hiess, sondern ,Bür-
ger', mit dieser aus seinem Munde so fremdartig klingenden An-
rede gleichsam mit einem Schlage ihre ganze stolze Soldatenver-
gangenheit zerstörte und zu alledem unter dem Zauber des un-
widerstehlich gewaltigen Menschen -- standen die Soldaten eine
Weile stumm und zaudernd, bis von allen Seiten der Ruf er-
scholl, dass der Feldherr sie wieder zu Gnaden annehmen und
es ihnen wieder gestatten möge Caesars Soldaten zu heissen.
Caesar gestattete es, nachdem er hinreichend sich hatte bitten
lassen; den Rädelsführern bei dieser Meuterei aber wurde an
ihren Triumphalgeschenken ein Drittheil gekürzt. Ein grösseres
psychologisches Meisterstück kennt die Geschichte nicht und kei-
nes, das vollständiger gelungen wäre. Immer aber wirkte diese
Meuterei auf den africanischen Feldzug wenigstens insofern nach-
theilig ein, als sie die Eröffnung desselben beträchtlich verzögerte.
Als Caesar in dem zur Einschiffung bestimmten Hafen von Lily-
baeon eintraf, waren die zehn nach Africa bestimmten Legionen
dort bei weitem noch nicht vollständig versammelt und eben die
erprobten Legionen noch am weitesten zurück. Indess kaum
waren sechs Legionen, darunter fünf neu gebildete, daselbst an-
gelangt und die nöthigen Kriegs- und Transportschiffe angekom-
men, als Caesar mit denselben in See stach (25. Dec. 707 des
unberichtigten, etwa 8. Oct. 707 des julianischen Kalenders). Die
feindliche Flotte, die der herrschenden Aequinoctialstürme wegen
bei der Insel Aegimuros vor der karthagischen Bucht auf den
Strand gezogen war, hinderte die Ueberfahrt nicht; allein diesel-
ben Stürme zerstreuten die Flotte Caesars nach allen Richtungen,
und als Caesar unweit Hadrumetum (Susa) die Gelegenheit zu lan-
den ersah, konnte er nicht mehr als etwa 3000 Mann, grössten-
theils Rekruten, und 150 Reiter ausschiffen. Der Versuch das vom
Feinde stark besetzte Hadrumetum wegzunehmen misslang; da-
gegen bemächtigte Caesar sich der beiden nicht weit von einander
entfernten Hafenplätze Ruspina (Sahalil bei Susa) und Klein-
leptis. Hier verschanzte er sich; aber seine Stellung war so un-
sicher, dass er seine Reiter auf den Schiffen und diese segelfertig
und mit Wasservorrath versehen hielt, um jeden Augenblick,
wenn er mit Uebermacht sollte angegriffen werden, wieder sich
einschiffen zu können. Indess war dies nicht nöthig, da eben

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THAPSUS.
Soldaten Wort hielt und durch die Hochherzigkeit desselben,
welche eben jetzt weit mehr gewährte als zugesagt war; als Sol-
daten tief ergriffen, da der Feldherr ihnen in Aussicht stellte dem
Triumph ihrer Kameraden als Bürgersleute zuschauen zu müssen
und, indem er sie nicht mehr ‚Kameraden‘ hieſs, sondern ‚Bür-
ger‘, mit dieser aus seinem Munde so fremdartig klingenden An-
rede gleichsam mit einem Schlage ihre ganze stolze Soldatenver-
gangenheit zerstörte und zu alledem unter dem Zauber des un-
widerstehlich gewaltigen Menschen — standen die Soldaten eine
Weile stumm und zaudernd, bis von allen Seiten der Ruf er-
scholl, daſs der Feldherr sie wieder zu Gnaden annehmen und
es ihnen wieder gestatten möge Caesars Soldaten zu heiſsen.
Caesar gestattete es, nachdem er hinreichend sich hatte bitten
lassen; den Rädelsführern bei dieser Meuterei aber wurde an
ihren Triumphalgeschenken ein Drittheil gekürzt. Ein gröſseres
psychologisches Meisterstück kennt die Geschichte nicht und kei-
nes, das vollständiger gelungen wäre. Immer aber wirkte diese
Meuterei auf den africanischen Feldzug wenigstens insofern nach-
theilig ein, als sie die Eröffnung desselben beträchtlich verzögerte.
Als Caesar in dem zur Einschiffung bestimmten Hafen von Lily-
baeon eintraf, waren die zehn nach Africa bestimmten Legionen
dort bei weitem noch nicht vollständig versammelt und eben die
erprobten Legionen noch am weitesten zurück. Indeſs kaum
waren sechs Legionen, darunter fünf neu gebildete, daselbst an-
gelangt und die nöthigen Kriegs- und Transportschiffe angekom-
men, als Caesar mit denselben in See stach (25. Dec. 707 des
unberichtigten, etwa 8. Oct. 707 des julianischen Kalenders). Die
feindliche Flotte, die der herrschenden Aequinoctialstürme wegen
bei der Insel Aegimuros vor der karthagischen Bucht auf den
Strand gezogen war, hinderte die Ueberfahrt nicht; allein diesel-
ben Stürme zerstreuten die Flotte Caesars nach allen Richtungen,
und als Caesar unweit Hadrumetum (Susa) die Gelegenheit zu lan-
den ersah, konnte er nicht mehr als etwa 3000 Mann, gröſsten-
theils Rekruten, und 150 Reiter ausschiffen. Der Versuch das vom
Feinde stark besetzte Hadrumetum wegzunehmen miſslang; da-
gegen bemächtigte Caesar sich der beiden nicht weit von einander
entfernten Hafenplätze Ruspina (Sahalil bei Susa) und Klein-
leptis. Hier verschanzte er sich; aber seine Stellung war so un-
sicher, daſs er seine Reiter auf den Schiffen und diese segelfertig
und mit Wasservorrath versehen hielt, um jeden Augenblick,
wenn er mit Uebermacht sollte angegriffen werden, wieder sich
einschiffen zu können. Indeſs war dies nicht nöthig, da eben

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[419/0429] THAPSUS. Soldaten Wort hielt und durch die Hochherzigkeit desselben, welche eben jetzt weit mehr gewährte als zugesagt war; als Sol- daten tief ergriffen, da der Feldherr ihnen in Aussicht stellte dem Triumph ihrer Kameraden als Bürgersleute zuschauen zu müssen und, indem er sie nicht mehr ‚Kameraden‘ hieſs, sondern ‚Bür- ger‘, mit dieser aus seinem Munde so fremdartig klingenden An- rede gleichsam mit einem Schlage ihre ganze stolze Soldatenver- gangenheit zerstörte und zu alledem unter dem Zauber des un- widerstehlich gewaltigen Menschen — standen die Soldaten eine Weile stumm und zaudernd, bis von allen Seiten der Ruf er- scholl, daſs der Feldherr sie wieder zu Gnaden annehmen und es ihnen wieder gestatten möge Caesars Soldaten zu heiſsen. Caesar gestattete es, nachdem er hinreichend sich hatte bitten lassen; den Rädelsführern bei dieser Meuterei aber wurde an ihren Triumphalgeschenken ein Drittheil gekürzt. Ein gröſseres psychologisches Meisterstück kennt die Geschichte nicht und kei- nes, das vollständiger gelungen wäre. Immer aber wirkte diese Meuterei auf den africanischen Feldzug wenigstens insofern nach- theilig ein, als sie die Eröffnung desselben beträchtlich verzögerte. Als Caesar in dem zur Einschiffung bestimmten Hafen von Lily- baeon eintraf, waren die zehn nach Africa bestimmten Legionen dort bei weitem noch nicht vollständig versammelt und eben die erprobten Legionen noch am weitesten zurück. Indeſs kaum waren sechs Legionen, darunter fünf neu gebildete, daselbst an- gelangt und die nöthigen Kriegs- und Transportschiffe angekom- men, als Caesar mit denselben in See stach (25. Dec. 707 des unberichtigten, etwa 8. Oct. 707 des julianischen Kalenders). Die feindliche Flotte, die der herrschenden Aequinoctialstürme wegen bei der Insel Aegimuros vor der karthagischen Bucht auf den Strand gezogen war, hinderte die Ueberfahrt nicht; allein diesel- ben Stürme zerstreuten die Flotte Caesars nach allen Richtungen, und als Caesar unweit Hadrumetum (Susa) die Gelegenheit zu lan- den ersah, konnte er nicht mehr als etwa 3000 Mann, gröſsten- theils Rekruten, und 150 Reiter ausschiffen. Der Versuch das vom Feinde stark besetzte Hadrumetum wegzunehmen miſslang; da- gegen bemächtigte Caesar sich der beiden nicht weit von einander entfernten Hafenplätze Ruspina (Sahalil bei Susa) und Klein- leptis. Hier verschanzte er sich; aber seine Stellung war so un- sicher, daſs er seine Reiter auf den Schiffen und diese segelfertig und mit Wasservorrath versehen hielt, um jeden Augenblick, wenn er mit Uebermacht sollte angegriffen werden, wieder sich einschiffen zu können. Indeſs war dies nicht nöthig, da eben 27 *

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/429>, abgerufen am 15.05.2024.