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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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PHARSALOS.
alle militärischen Gründe dahin die Entscheidungsschlacht jetzt
nicht zu verzögern. Seine Armee war vollständig beisammen; Cae-
sar dagegen erwartete noch das früher nach Aetolien und Thes-
salien detachirte, jetzt unter Quintus Fufius Calenus in Griechen-
land stehende Corps von fast zwei Legionen und die auf dem
Landweg von Italien nachgesandten bereits in Illyrien angelangten
zwei Legionen des Cornificius. Pompeius Heer, elf Legionen oder
47000 Mann und 7000 Pferde stark, war dem Caesars an Fuss-
volk um mehr als das Doppelte, an Reiterei um das Siebenfache
überlegen; Strapazen und Gefechte hatten Caesars Truppen so
decimirt, dass seine acht Legionen nicht über 22000 Mann unter
den Waffen, also bei weitem nicht die Hälfte des Normalbestandes
zählten. Pompeius siegreiche mit einer zahllosen Reiterei und
guten Magazinen versehene Armee hatte Lebensmittel in Fülle,
während Caesars Truppen nothdürftig sich hinhielten und erst
mit der nicht fernen Getreideernte bessere Verpflegung erhofften.
Die Stimmung der pompeianischen Soldaten, die in der letzten
Campagne den Krieg kennen und ihrem Führer vertrauen gelernt
hatten, war die beste. Solche Erwägungen rechtfertigten allerdings
diejenigen, welche jetzt, da man nun einmal in Thessalien Caesar
gegenüber stand, darauf drangen baldmöglichst eine Feldschlacht
zu liefern. Indess trug Pompeius Bedenken den Bach, der beide
Heere schied, seinerseits zu überschreiten; und auch Caesar fand
sich nicht veranlasst mit seiner weit schwächeren Armee dem Feind
auch diesen Vortheil noch einzuräumen. In der Meinung dass Pom-
peius auch diesmal wie so oft dem Kampfe auszuweichen entschlos-
sen sei, war er eben im Begriff gegen Skotussa aufzubrechen, als
er die Pompeianer sich anschicken sah auf seinem Ufer ihm die
Schlacht anzubieten. Es war vornämlich die Emigrantenungeduld

Schlacht an den Apidanos statt an den Enipeus verlegt; wahrscheinlicher als
diese den Berichten der Alten geradezu widersprechende Annahme dürfte
die sein, dass die Pompeianer am rechten Ufer des Enipeus ihr Lager schlu-
gen, aber den Fluss passirten um am linken zu schlagen, und also auch auf
dem Rückzug wieder über den Fluss in ihr Lager zurückgingen, von wo sie
sodann sich die Abhänge von Krannon und Skotussa hinauf zogen, welche
über dem letzteren Ort zu den steilen Felsen von Kynoskephalae sich gipfeln.
Caesar und seine Ausschreiber verschweigen die zwiefache Ueberschreitung
des Flusses, weil dieselbe die übrigens aus der ganzen Erzählung hervor-
gehende Kampfbegierde der Pompeianer zu deutlich ins Licht stellen würde;
militärisch unmöglich war die Operation nicht, da der Enipeus im Sommer
häufig ganz trocken ist, die Pompeianer auch bei dem Anfang der Schlacht
volle Zeit hatten sich aufzustellen und den Rückzug wenigstens des Cen-
trums und des rechten Flügels nicht in allzu grosser Hast bewerkstelligten.

PHARSALOS.
alle militärischen Gründe dahin die Entscheidungsschlacht jetzt
nicht zu verzögern. Seine Armee war vollständig beisammen; Cae-
sar dagegen erwartete noch das früher nach Aetolien und Thes-
salien detachirte, jetzt unter Quintus Fufius Calenus in Griechen-
land stehende Corps von fast zwei Legionen und die auf dem
Landweg von Italien nachgesandten bereits in Illyrien angelangten
zwei Legionen des Cornificius. Pompeius Heer, elf Legionen oder
47000 Mann und 7000 Pferde stark, war dem Caesars an Fuſs-
volk um mehr als das Doppelte, an Reiterei um das Siebenfache
überlegen; Strapazen und Gefechte hatten Caesars Truppen so
decimirt, daſs seine acht Legionen nicht über 22000 Mann unter
den Waffen, also bei weitem nicht die Hälfte des Normalbestandes
zählten. Pompeius siegreiche mit einer zahllosen Reiterei und
guten Magazinen versehene Armee hatte Lebensmittel in Fülle,
während Caesars Truppen nothdürftig sich hinhielten und erst
mit der nicht fernen Getreideernte bessere Verpflegung erhofften.
Die Stimmung der pompeianischen Soldaten, die in der letzten
Campagne den Krieg kennen und ihrem Führer vertrauen gelernt
hatten, war die beste. Solche Erwägungen rechtfertigten allerdings
diejenigen, welche jetzt, da man nun einmal in Thessalien Caesar
gegenüber stand, darauf drangen baldmöglichst eine Feldschlacht
zu liefern. Indeſs trug Pompeius Bedenken den Bach, der beide
Heere schied, seinerseits zu überschreiten; und auch Caesar fand
sich nicht veranlaſst mit seiner weit schwächeren Armee dem Feind
auch diesen Vortheil noch einzuräumen. In der Meinung daſs Pom-
peius auch diesmal wie so oft dem Kampfe auszuweichen entschlos-
sen sei, war er eben im Begriff gegen Skotussa aufzubrechen, als
er die Pompeianer sich anschicken sah auf seinem Ufer ihm die
Schlacht anzubieten. Es war vornämlich die Emigrantenungeduld

Schlacht an den Apidanos statt an den Enipeus verlegt; wahrscheinlicher als
diese den Berichten der Alten geradezu widersprechende Annahme dürfte
die sein, daſs die Pompeianer am rechten Ufer des Enipeus ihr Lager schlu-
gen, aber den Fluſs passirten um am linken zu schlagen, und also auch auf
dem Rückzug wieder über den Fluſs in ihr Lager zurückgingen, von wo sie
sodann sich die Abhänge von Krannon und Skotussa hinauf zogen, welche
über dem letzteren Ort zu den steilen Felsen von Kynoskephalae sich gipfeln.
Caesar und seine Ausschreiber verschweigen die zwiefache Ueberschreitung
des Flusses, weil dieselbe die übrigens aus der ganzen Erzählung hervor-
gehende Kampfbegierde der Pompeianer zu deutlich ins Licht stellen würde;
militärisch unmöglich war die Operation nicht, da der Enipeus im Sommer
häufig ganz trocken ist, die Pompeianer auch bei dem Anfang der Schlacht
volle Zeit hatten sich aufzustellen und den Rückzug wenigstens des Cen-
trums und des rechten Flügels nicht in allzu groſser Hast bewerkstelligten.
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[393/0403] PHARSALOS. alle militärischen Gründe dahin die Entscheidungsschlacht jetzt nicht zu verzögern. Seine Armee war vollständig beisammen; Cae- sar dagegen erwartete noch das früher nach Aetolien und Thes- salien detachirte, jetzt unter Quintus Fufius Calenus in Griechen- land stehende Corps von fast zwei Legionen und die auf dem Landweg von Italien nachgesandten bereits in Illyrien angelangten zwei Legionen des Cornificius. Pompeius Heer, elf Legionen oder 47000 Mann und 7000 Pferde stark, war dem Caesars an Fuſs- volk um mehr als das Doppelte, an Reiterei um das Siebenfache überlegen; Strapazen und Gefechte hatten Caesars Truppen so decimirt, daſs seine acht Legionen nicht über 22000 Mann unter den Waffen, also bei weitem nicht die Hälfte des Normalbestandes zählten. Pompeius siegreiche mit einer zahllosen Reiterei und guten Magazinen versehene Armee hatte Lebensmittel in Fülle, während Caesars Truppen nothdürftig sich hinhielten und erst mit der nicht fernen Getreideernte bessere Verpflegung erhofften. Die Stimmung der pompeianischen Soldaten, die in der letzten Campagne den Krieg kennen und ihrem Führer vertrauen gelernt hatten, war die beste. Solche Erwägungen rechtfertigten allerdings diejenigen, welche jetzt, da man nun einmal in Thessalien Caesar gegenüber stand, darauf drangen baldmöglichst eine Feldschlacht zu liefern. Indeſs trug Pompeius Bedenken den Bach, der beide Heere schied, seinerseits zu überschreiten; und auch Caesar fand sich nicht veranlaſst mit seiner weit schwächeren Armee dem Feind auch diesen Vortheil noch einzuräumen. In der Meinung daſs Pom- peius auch diesmal wie so oft dem Kampfe auszuweichen entschlos- sen sei, war er eben im Begriff gegen Skotussa aufzubrechen, als er die Pompeianer sich anschicken sah auf seinem Ufer ihm die Schlacht anzubieten. Es war vornämlich die Emigrantenungeduld * * Schlacht an den Apidanos statt an den Enipeus verlegt; wahrscheinlicher als diese den Berichten der Alten geradezu widersprechende Annahme dürfte die sein, daſs die Pompeianer am rechten Ufer des Enipeus ihr Lager schlu- gen, aber den Fluſs passirten um am linken zu schlagen, und also auch auf dem Rückzug wieder über den Fluſs in ihr Lager zurückgingen, von wo sie sodann sich die Abhänge von Krannon und Skotussa hinauf zogen, welche über dem letzteren Ort zu den steilen Felsen von Kynoskephalae sich gipfeln. Caesar und seine Ausschreiber verschweigen die zwiefache Ueberschreitung des Flusses, weil dieselbe die übrigens aus der ganzen Erzählung hervor- gehende Kampfbegierde der Pompeianer zu deutlich ins Licht stellen würde; militärisch unmöglich war die Operation nicht, da der Enipeus im Sommer häufig ganz trocken ist, die Pompeianer auch bei dem Anfang der Schlacht volle Zeit hatten sich aufzustellen und den Rückzug wenigstens des Cen- trums und des rechten Flügels nicht in allzu groſser Hast bewerkstelligten.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/403>, abgerufen am 22.05.2024.