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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
sich aufsuchen lassen oder ihn aufsuchen. Im ersteren Falle
ward Caesar gezwungen entweder den Krieg in die Länge zu zie-
hen, was weder seinem Naturell noch seinem Interesse entsprach,
oder die Feldschlacht irgendwo an der Küste, wo Pompeius Flotte
mitzuwirken vermochte, und auf dem von Pompeius bestimmten
Schlachtfeld anzunehmen. Im zweiten Falle dagegen war es Cae-
sar, der das Schlachtfeld wählte, wo es ihm beliebte, natürlich also
vom Meere entfernt und obwohl jetzt der Angegriffene, bestimm-
ten dennoch seine Bewegungen auch ferner im Allgemeinen den
Gang des Krieges. Wenn es vielleicht schon fehlerhaft war nicht
nach Italien zu gehen, wo der Erfolg kaum zweifelhaft war, so
war es eine mit der früheren ängstlichen Kriegführung der Pom-
peianer seltsam contrastirende Dreistigkeit mit Aufopferung aller
sicheren Vortheile nun auf einmal dem Gegner auf dessen Schlacht-
feld sich zum Kampfe zu stellen und nur darauf bedacht zu sein
dies auf dem möglichst bequemen Wege zu erreichen. Indess
Schwachmuth und Uebermuth gehen regelmässig zusammen; man
war eben entschlossen um jeden Preis baldmöglichst mit Caesar
zu schlagen. Cato übernahm das Commando in Dyrrhachion,
wo eine Besatzung von 18 Cohorten, und in Kerkyra, wo
300 Kriegsschiffe zurückblieben; Pompeius und Scipio begaben
sich, jener wie es scheint die egnatische Chaussee bis Pella ver-
folgend und dann die grosse Strasse nach Süden einschlagend,
dieser vom Haliakmon aus durch die Pässe des Olymp, an den
untern Peneios und trafen bei Larissa zusammen. Caesar stand
nicht weit davon, in der Ebene, die zwischen dem Othrysgebirge
und dem Peneios sich ausbreitet und von den Bächen Enipeus
und Apidanos durchschnitten wird, am linken Ufer des erst-
genannten Baches; ihm gegenüber am andern Ufer desselben
schlug Pompeius sein Lager*. Auf Pompeius Seite sprachen

* Die genaue Bestimmung des Schlachtfeldes ist schwierig. Gefochten
ward auf dem linken Ufer des Enipeus, wo Neu- und sicher auch Altphar-
salos lag (Strabon 2, 431), da die Pompeianer, die das Gesicht nach Süden
wandten, ihren rechten Flügel an den Enipeus lehnten (Caesar b. c. 3, 83;
Frontinus 2, 3, 22); auch setzt Appian 2, 75 das Schlachtfeld ausdrücklich
zwischen den Enipeus und die Stadt Pharsalos. Aber das Lager der Pom-
peianer kann nicht am linken, sondern muss auf dem rechten Ufer gewesen
sein, theils weil sie Caesar den Weg nach Skotussa verlegten, theils weil
ihre Rückzugslinie offenbar über die oberhalb des Lagers befindlichen Berge
nach Larissa ging; hätten sie auf dem linken gelagert, so konnten sie nim-
mermehr hoffen das hier sehr steile Thal des Enipeus zu passiren und Pom-
peius hätte dann, statt nach Larissa, nach Lamia flüchten müssen. Militär-
schriftsteller haben, um aus diesen Schwierigkeiten herauszukommen, die

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
sich aufsuchen lassen oder ihn aufsuchen. Im ersteren Falle
ward Caesar gezwungen entweder den Krieg in die Länge zu zie-
hen, was weder seinem Naturell noch seinem Interesse entsprach,
oder die Feldschlacht irgendwo an der Küste, wo Pompeius Flotte
mitzuwirken vermochte, und auf dem von Pompeius bestimmten
Schlachtfeld anzunehmen. Im zweiten Falle dagegen war es Cae-
sar, der das Schlachtfeld wählte, wo es ihm beliebte, natürlich also
vom Meere entfernt und obwohl jetzt der Angegriffene, bestimm-
ten dennoch seine Bewegungen auch ferner im Allgemeinen den
Gang des Krieges. Wenn es vielleicht schon fehlerhaft war nicht
nach Italien zu gehen, wo der Erfolg kaum zweifelhaft war, so
war es eine mit der früheren ängstlichen Kriegführung der Pom-
peianer seltsam contrastirende Dreistigkeit mit Aufopferung aller
sicheren Vortheile nun auf einmal dem Gegner auf dessen Schlacht-
feld sich zum Kampfe zu stellen und nur darauf bedacht zu sein
dies auf dem möglichst bequemen Wege zu erreichen. Indeſs
Schwachmuth und Uebermuth gehen regelmäſsig zusammen; man
war eben entschlossen um jeden Preis baldmöglichst mit Caesar
zu schlagen. Cato übernahm das Commando in Dyrrhachion,
wo eine Besatzung von 18 Cohorten, und in Kerkyra, wo
300 Kriegsschiffe zurückblieben; Pompeius und Scipio begaben
sich, jener wie es scheint die egnatische Chaussee bis Pella ver-
folgend und dann die groſse Straſse nach Süden einschlagend,
dieser vom Haliakmon aus durch die Pässe des Olymp, an den
untern Peneios und trafen bei Larissa zusammen. Caesar stand
nicht weit davon, in der Ebene, die zwischen dem Othrysgebirge
und dem Peneios sich ausbreitet und von den Bächen Enipeus
und Apidanos durchschnitten wird, am linken Ufer des erst-
genannten Baches; ihm gegenüber am andern Ufer desselben
schlug Pompeius sein Lager*. Auf Pompeius Seite sprachen

* Die genaue Bestimmung des Schlachtfeldes ist schwierig. Gefochten
ward auf dem linken Ufer des Enipeus, wo Neu- und sicher auch Altphar-
salos lag (Strabon 2, 431), da die Pompeianer, die das Gesicht nach Süden
wandten, ihren rechten Flügel an den Enipeus lehnten (Caesar b. c. 3, 83;
Frontinus 2, 3, 22); auch setzt Appian 2, 75 das Schlachtfeld ausdrücklich
zwischen den Enipeus und die Stadt Pharsalos. Aber das Lager der Pom-
peianer kann nicht am linken, sondern muſs auf dem rechten Ufer gewesen
sein, theils weil sie Caesar den Weg nach Skotussa verlegten, theils weil
ihre Rückzugslinie offenbar über die oberhalb des Lagers befindlichen Berge
nach Larissa ging; hätten sie auf dem linken gelagert, so konnten sie nim-
mermehr hoffen das hier sehr steile Thal des Enipeus zu passiren und Pom-
peius hätte dann, statt nach Larissa, nach Lamia flüchten müssen. Militär-
schriftsteller haben, um aus diesen Schwierigkeiten herauszukommen, die
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[392/0402] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. sich aufsuchen lassen oder ihn aufsuchen. Im ersteren Falle ward Caesar gezwungen entweder den Krieg in die Länge zu zie- hen, was weder seinem Naturell noch seinem Interesse entsprach, oder die Feldschlacht irgendwo an der Küste, wo Pompeius Flotte mitzuwirken vermochte, und auf dem von Pompeius bestimmten Schlachtfeld anzunehmen. Im zweiten Falle dagegen war es Cae- sar, der das Schlachtfeld wählte, wo es ihm beliebte, natürlich also vom Meere entfernt und obwohl jetzt der Angegriffene, bestimm- ten dennoch seine Bewegungen auch ferner im Allgemeinen den Gang des Krieges. Wenn es vielleicht schon fehlerhaft war nicht nach Italien zu gehen, wo der Erfolg kaum zweifelhaft war, so war es eine mit der früheren ängstlichen Kriegführung der Pom- peianer seltsam contrastirende Dreistigkeit mit Aufopferung aller sicheren Vortheile nun auf einmal dem Gegner auf dessen Schlacht- feld sich zum Kampfe zu stellen und nur darauf bedacht zu sein dies auf dem möglichst bequemen Wege zu erreichen. Indeſs Schwachmuth und Uebermuth gehen regelmäſsig zusammen; man war eben entschlossen um jeden Preis baldmöglichst mit Caesar zu schlagen. Cato übernahm das Commando in Dyrrhachion, wo eine Besatzung von 18 Cohorten, und in Kerkyra, wo 300 Kriegsschiffe zurückblieben; Pompeius und Scipio begaben sich, jener wie es scheint die egnatische Chaussee bis Pella ver- folgend und dann die groſse Straſse nach Süden einschlagend, dieser vom Haliakmon aus durch die Pässe des Olymp, an den untern Peneios und trafen bei Larissa zusammen. Caesar stand nicht weit davon, in der Ebene, die zwischen dem Othrysgebirge und dem Peneios sich ausbreitet und von den Bächen Enipeus und Apidanos durchschnitten wird, am linken Ufer des erst- genannten Baches; ihm gegenüber am andern Ufer desselben schlug Pompeius sein Lager *. Auf Pompeius Seite sprachen * Die genaue Bestimmung des Schlachtfeldes ist schwierig. Gefochten ward auf dem linken Ufer des Enipeus, wo Neu- und sicher auch Altphar- salos lag (Strabon 2, 431), da die Pompeianer, die das Gesicht nach Süden wandten, ihren rechten Flügel an den Enipeus lehnten (Caesar b. c. 3, 83; Frontinus 2, 3, 22); auch setzt Appian 2, 75 das Schlachtfeld ausdrücklich zwischen den Enipeus und die Stadt Pharsalos. Aber das Lager der Pom- peianer kann nicht am linken, sondern muſs auf dem rechten Ufer gewesen sein, theils weil sie Caesar den Weg nach Skotussa verlegten, theils weil ihre Rückzugslinie offenbar über die oberhalb des Lagers befindlichen Berge nach Larissa ging; hätten sie auf dem linken gelagert, so konnten sie nim- mermehr hoffen das hier sehr steile Thal des Enipeus zu passiren und Pom- peius hätte dann, statt nach Larissa, nach Lamia flüchten müssen. Militär- schriftsteller haben, um aus diesen Schwierigkeiten herauszukommen, die

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/402>, abgerufen am 18.12.2024.