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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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BRUNDISIUM.
schen gingen, warf sich Caesar in die Arme. Die Landstädte ver-
götterten ,die Rechtschaffenheit, die Mässigung, die Klugheit' des
Siegers; und selbst die Gegner räumten es ein, dass es mit diesen
Huldigungen Ernst war. Die hohe Finanz, Steuerpächter und
Geschworne verspürten nach dem argen Schiffbruch; der die Ver-
fassungspartei in Italien betroffen hatte, keine besondere Lust
sich weiter denselben Steuermännern anzuvertrauen; die Capita-
lien kamen wieder zum Vorschein und ,die reichen Herren be-
gaben sich wieder an ihr Tagewerk die Zinsbücher zu schreiben'.
Selbst die grosse Majorität des Senats, wenigstens der Zahl nach
-- denn allerdings befanden sich von den vornehmeren und ein-
flussreichen Senatsmitgliedern nur wenige darunter -- war, trotz
der Befehle des Pompeius und der Consuln, in Italien, zum Theil
sogar in der Hauptstadt selbst zurückgeblieben und liess Caesars
Regiment sich gefallen. Caesars eben in ihrer scheinbaren Ueber-
schwänglichkeit wohl berechnete Milde erreichte ihren Zweck: die
zappelnde Angst der besitzenden Klassen vor der drohenden
Anarchie wurde einigermassen beschwichtigt. Wohl war dies für
die Folgezeit ein unberechenbarer Gewinn; die Abwendung der
Anarchie und der fast nicht minder gefährlichen Angst vor der
Anarchie war die Vorbedingung der künftigen Reorganisation des
Gemeinwesens. Aber für den Augenblick war diese Milde für Cae-
sar gefährlicher als die Erneuerung der cinnanischen und catili-
narischen Raserei gewesen sein würde: sie verwandelte Freunde
in Feinde und Feinde nicht in Freunde. Caesars catilinarischer An-
hang grollte, dass das Morden und Plündern unterblieb; von die-
sen verwegenen, verzweifelten und zum Theil talentvollen Gesellen
waren die bedenklichsten Quersprünge zu erwarten. Die Republi-
kaner aller Schattirungen dagegen wurden durch die Gnade des
Ueberwinders weder bekehrt noch versöhnt. Nach dem Credo der
catonischen Partei entband die Pflicht gegen das, was sie Vater-
land nannte, von jeder anderen Rücksicht; selbst wer Caesar
Freiheit und Leben verdankte, blieb befugt und verpflichtet gegen
ihn die Waffen zu ergreifen oder doch mindestens gegen ihn zu
complottiren. Die minder entschiedenen Fractionen der Verfas-
sungspartei liessen zwar allenfalls sich willig finden von dem neuen
Monarchen Frieden und Schutz anzunehmen; aber sie hörten
doch darum nicht auf die Monarchie wie den Monarchen wenig-
stens zu verwünschen. Je offenbarer die Verfassungsänderung
hervortrat, desto bestimmter kam der grossen Majorität der Bür-
gerschaft, sowohl in der politisch lebhafter aufgeregten Haupt-
stadt wie in der energischeren ländlichen und landstädtischen Be-

BRUNDISIUM.
schen gingen, warf sich Caesar in die Arme. Die Landstädte ver-
götterten ‚die Rechtschaffenheit, die Mäſsigung, die Klugheit‘ des
Siegers; und selbst die Gegner räumten es ein, daſs es mit diesen
Huldigungen Ernst war. Die hohe Finanz, Steuerpächter und
Geschworne verspürten nach dem argen Schiffbruch; der die Ver-
fassungspartei in Italien betroffen hatte, keine besondere Lust
sich weiter denselben Steuermännern anzuvertrauen; die Capita-
lien kamen wieder zum Vorschein und ‚die reichen Herren be-
gaben sich wieder an ihr Tagewerk die Zinsbücher zu schreiben‘.
Selbst die groſse Majorität des Senats, wenigstens der Zahl nach
— denn allerdings befanden sich von den vornehmeren und ein-
fluſsreichen Senatsmitgliedern nur wenige darunter — war, trotz
der Befehle des Pompeius und der Consuln, in Italien, zum Theil
sogar in der Hauptstadt selbst zurückgeblieben und lieſs Caesars
Regiment sich gefallen. Caesars eben in ihrer scheinbaren Ueber-
schwänglichkeit wohl berechnete Milde erreichte ihren Zweck: die
zappelnde Angst der besitzenden Klassen vor der drohenden
Anarchie wurde einigermaſsen beschwichtigt. Wohl war dies für
die Folgezeit ein unberechenbarer Gewinn; die Abwendung der
Anarchie und der fast nicht minder gefährlichen Angst vor der
Anarchie war die Vorbedingung der künftigen Reorganisation des
Gemeinwesens. Aber für den Augenblick war diese Milde für Cae-
sar gefährlicher als die Erneuerung der cinnanischen und catili-
narischen Raserei gewesen sein würde: sie verwandelte Freunde
in Feinde und Feinde nicht in Freunde. Caesars catilinarischer An-
hang grollte, daſs das Morden und Plündern unterblieb; von die-
sen verwegenen, verzweifelten und zum Theil talentvollen Gesellen
waren die bedenklichsten Quersprünge zu erwarten. Die Republi-
kaner aller Schattirungen dagegen wurden durch die Gnade des
Ueberwinders weder bekehrt noch versöhnt. Nach dem Credo der
catonischen Partei entband die Pflicht gegen das, was sie Vater-
land nannte, von jeder anderen Rücksicht; selbst wer Caesar
Freiheit und Leben verdankte, blieb befugt und verpflichtet gegen
ihn die Waffen zu ergreifen oder doch mindestens gegen ihn zu
complottiren. Die minder entschiedenen Fractionen der Verfas-
sungspartei lieſsen zwar allenfalls sich willig finden von dem neuen
Monarchen Frieden und Schutz anzunehmen; aber sie hörten
doch darum nicht auf die Monarchie wie den Monarchen wenig-
stens zu verwünschen. Je offenbarer die Verfassungsänderung
hervortrat, desto bestimmter kam der groſsen Majorität der Bür-
gerschaft, sowohl in der politisch lebhafter aufgeregten Haupt-
stadt wie in der energischeren ländlichen und landstädtischen Be-

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[359/0369] BRUNDISIUM. schen gingen, warf sich Caesar in die Arme. Die Landstädte ver- götterten ‚die Rechtschaffenheit, die Mäſsigung, die Klugheit‘ des Siegers; und selbst die Gegner räumten es ein, daſs es mit diesen Huldigungen Ernst war. Die hohe Finanz, Steuerpächter und Geschworne verspürten nach dem argen Schiffbruch; der die Ver- fassungspartei in Italien betroffen hatte, keine besondere Lust sich weiter denselben Steuermännern anzuvertrauen; die Capita- lien kamen wieder zum Vorschein und ‚die reichen Herren be- gaben sich wieder an ihr Tagewerk die Zinsbücher zu schreiben‘. Selbst die groſse Majorität des Senats, wenigstens der Zahl nach — denn allerdings befanden sich von den vornehmeren und ein- fluſsreichen Senatsmitgliedern nur wenige darunter — war, trotz der Befehle des Pompeius und der Consuln, in Italien, zum Theil sogar in der Hauptstadt selbst zurückgeblieben und lieſs Caesars Regiment sich gefallen. Caesars eben in ihrer scheinbaren Ueber- schwänglichkeit wohl berechnete Milde erreichte ihren Zweck: die zappelnde Angst der besitzenden Klassen vor der drohenden Anarchie wurde einigermaſsen beschwichtigt. Wohl war dies für die Folgezeit ein unberechenbarer Gewinn; die Abwendung der Anarchie und der fast nicht minder gefährlichen Angst vor der Anarchie war die Vorbedingung der künftigen Reorganisation des Gemeinwesens. Aber für den Augenblick war diese Milde für Cae- sar gefährlicher als die Erneuerung der cinnanischen und catili- narischen Raserei gewesen sein würde: sie verwandelte Freunde in Feinde und Feinde nicht in Freunde. Caesars catilinarischer An- hang grollte, daſs das Morden und Plündern unterblieb; von die- sen verwegenen, verzweifelten und zum Theil talentvollen Gesellen waren die bedenklichsten Quersprünge zu erwarten. Die Republi- kaner aller Schattirungen dagegen wurden durch die Gnade des Ueberwinders weder bekehrt noch versöhnt. Nach dem Credo der catonischen Partei entband die Pflicht gegen das, was sie Vater- land nannte, von jeder anderen Rücksicht; selbst wer Caesar Freiheit und Leben verdankte, blieb befugt und verpflichtet gegen ihn die Waffen zu ergreifen oder doch mindestens gegen ihn zu complottiren. Die minder entschiedenen Fractionen der Verfas- sungspartei lieſsen zwar allenfalls sich willig finden von dem neuen Monarchen Frieden und Schutz anzunehmen; aber sie hörten doch darum nicht auf die Monarchie wie den Monarchen wenig- stens zu verwünschen. Je offenbarer die Verfassungsänderung hervortrat, desto bestimmter kam der groſsen Majorität der Bür- gerschaft, sowohl in der politisch lebhafter aufgeregten Haupt- stadt wie in der energischeren ländlichen und landstädtischen Be-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/369>, abgerufen am 18.12.2024.