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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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BRUNDISIUM.
lische Aufgebot (S. 308) nur aus dem Urlaub einberufen zu wer-
den. Mit Einrechnung dieser stellte sich die Zahl der Pompeius im
Ganzen zur Verfügung stehenden Truppen, ohne die sieben Le-
gionen in Spanien und die in den andern Provinzen zerstreuten
zu rechnen, bloss in Italien auf zehn Legionen* oder gegen 60000
Mann, so dass es eben keine Uebertreibung war, wenn Pompeius
behauptete nur mit dem Fusse stampfen zu müssen, um den Bo-
den Italiens mit Bewaffneten zu bedecken. Freilich bedurfte es,
wenn auch kurzer, doch einiger Frist, um diese Truppen zu mo-
bilisiren; die Anstalten dazu so wie zur Effectuirung der neuen
in Folge des Ausbruchs des Bürgerkrieges vom Senat angeordne-
ten Aushebungen waren aber auch bereits überall im Gange. Un-
mittelbar nach dem entscheidenden Senatsbeschluss (7. Jan. 705)
mitten im tiefen Winter waren die angesehensten Männer der Ari-
stokratie in die verschiedenen Landschaften abgegangen, um die
Einberufung der Rekruten und die Anfertigung von Waffen zu
beschleunigen. Sehr empfindlich war der Mangel an Reiterei, da
man für diese gewohnt war sich gänzlich auf die Provinzen und
namentlich die keltischen Contingente zu verlassen; um wenig-
stens einen Anfang zu machen, wurden dreihundert Caesar gehö-
rende Gladiatoren aus den Fechtschulen von Capua entnommen
und beritten gemacht, was indess so allgemeine Missbilligung
fand, dass Pompeius diese Truppe wieder auflöste und dafür aus
den berittenen Hirtensclaven Apuliens 300 Reiter aushob. -- In
der Staatskasse war Ebbe wie gewöhnlich; man war beschäftigt
aus den Gemeindekassen und selbst den Tempelschätzen der Mu-
nicipien den unzureichenden Baarbestand zu ergänzen.

Unter diesen Umständen ward zu Anfang Januar 705 der
Krieg erklärt. Von marschfähigen Truppen hatte Caesar nicht
mehr als eine Legion, 5000 Mann Infanterie und 300 Reiter, bei
Ravenna, das auf der Chaussee etwa 50 deutsche Meilen von Rom
entfernt war; Pompeius zwei schwache Legionen, 7000 Mann
Infanterie und eine geringe Reiterschaar, unter Appius Claudius
Befehlen bei Luceria, von wo man, ebenfalls auf der Chaussee, un-
gefähr eben so weit nach der Hauptstadt hatte. Die andern Truppen
Caesars, abgesehen von den rohen noch in der Bildung begriffe-
nen Rekrutenabtheilungen, standen zur Hälfte an der Saone und
Loire, zur Hälfte in Belgien, während Pompeius italische Reser-

* Diese Ziffer gab Pompeius selbst an (Caesar b. c. 1, 6) und es stimmt
damit, dass er in Italien etwa 60 Cohorten oder 30000 Mann einbüsste und
25000 nach Griechenland überführte (Caesar b. c. 3, 10).

BRUNDISIUM.
lische Aufgebot (S. 308) nur aus dem Urlaub einberufen zu wer-
den. Mit Einrechnung dieser stellte sich die Zahl der Pompeius im
Ganzen zur Verfügung stehenden Truppen, ohne die sieben Le-
gionen in Spanien und die in den andern Provinzen zerstreuten
zu rechnen, bloſs in Italien auf zehn Legionen* oder gegen 60000
Mann, so daſs es eben keine Uebertreibung war, wenn Pompeius
behauptete nur mit dem Fuſse stampfen zu müssen, um den Bo-
den Italiens mit Bewaffneten zu bedecken. Freilich bedurfte es,
wenn auch kurzer, doch einiger Frist, um diese Truppen zu mo-
bilisiren; die Anstalten dazu so wie zur Effectuirung der neuen
in Folge des Ausbruchs des Bürgerkrieges vom Senat angeordne-
ten Aushebungen waren aber auch bereits überall im Gange. Un-
mittelbar nach dem entscheidenden Senatsbeschluſs (7. Jan. 705)
mitten im tiefen Winter waren die angesehensten Männer der Ari-
stokratie in die verschiedenen Landschaften abgegangen, um die
Einberufung der Rekruten und die Anfertigung von Waffen zu
beschleunigen. Sehr empfindlich war der Mangel an Reiterei, da
man für diese gewohnt war sich gänzlich auf die Provinzen und
namentlich die keltischen Contingente zu verlassen; um wenig-
stens einen Anfang zu machen, wurden dreihundert Caesar gehö-
rende Gladiatoren aus den Fechtschulen von Capua entnommen
und beritten gemacht, was indeſs so allgemeine Miſsbilligung
fand, daſs Pompeius diese Truppe wieder auflöste und dafür aus
den berittenen Hirtensclaven Apuliens 300 Reiter aushob. — In
der Staatskasse war Ebbe wie gewöhnlich; man war beschäftigt
aus den Gemeindekassen und selbst den Tempelschätzen der Mu-
nicipien den unzureichenden Baarbestand zu ergänzen.

Unter diesen Umständen ward zu Anfang Januar 705 der
Krieg erklärt. Von marschfähigen Truppen hatte Caesar nicht
mehr als eine Legion, 5000 Mann Infanterie und 300 Reiter, bei
Ravenna, das auf der Chaussee etwa 50 deutsche Meilen von Rom
entfernt war; Pompeius zwei schwache Legionen, 7000 Mann
Infanterie und eine geringe Reiterschaar, unter Appius Claudius
Befehlen bei Luceria, von wo man, ebenfalls auf der Chaussee, un-
gefähr eben so weit nach der Hauptstadt hatte. Die andern Truppen
Caesars, abgesehen von den rohen noch in der Bildung begriffe-
nen Rekrutenabtheilungen, standen zur Hälfte an der Saone und
Loire, zur Hälfte in Belgien, während Pompeius italische Reser-

* Diese Ziffer gab Pompeius selbst an (Caesar b. c. 1, 6) und es stimmt
damit, daſs er in Italien etwa 60 Cohorten oder 30000 Mann einbüſste und
25000 nach Griechenland überführte (Caesar b. c. 3, 10).
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[351/0361] BRUNDISIUM. lische Aufgebot (S. 308) nur aus dem Urlaub einberufen zu wer- den. Mit Einrechnung dieser stellte sich die Zahl der Pompeius im Ganzen zur Verfügung stehenden Truppen, ohne die sieben Le- gionen in Spanien und die in den andern Provinzen zerstreuten zu rechnen, bloſs in Italien auf zehn Legionen * oder gegen 60000 Mann, so daſs es eben keine Uebertreibung war, wenn Pompeius behauptete nur mit dem Fuſse stampfen zu müssen, um den Bo- den Italiens mit Bewaffneten zu bedecken. Freilich bedurfte es, wenn auch kurzer, doch einiger Frist, um diese Truppen zu mo- bilisiren; die Anstalten dazu so wie zur Effectuirung der neuen in Folge des Ausbruchs des Bürgerkrieges vom Senat angeordne- ten Aushebungen waren aber auch bereits überall im Gange. Un- mittelbar nach dem entscheidenden Senatsbeschluſs (7. Jan. 705) mitten im tiefen Winter waren die angesehensten Männer der Ari- stokratie in die verschiedenen Landschaften abgegangen, um die Einberufung der Rekruten und die Anfertigung von Waffen zu beschleunigen. Sehr empfindlich war der Mangel an Reiterei, da man für diese gewohnt war sich gänzlich auf die Provinzen und namentlich die keltischen Contingente zu verlassen; um wenig- stens einen Anfang zu machen, wurden dreihundert Caesar gehö- rende Gladiatoren aus den Fechtschulen von Capua entnommen und beritten gemacht, was indeſs so allgemeine Miſsbilligung fand, daſs Pompeius diese Truppe wieder auflöste und dafür aus den berittenen Hirtensclaven Apuliens 300 Reiter aushob. — In der Staatskasse war Ebbe wie gewöhnlich; man war beschäftigt aus den Gemeindekassen und selbst den Tempelschätzen der Mu- nicipien den unzureichenden Baarbestand zu ergänzen. Unter diesen Umständen ward zu Anfang Januar 705 der Krieg erklärt. Von marschfähigen Truppen hatte Caesar nicht mehr als eine Legion, 5000 Mann Infanterie und 300 Reiter, bei Ravenna, das auf der Chaussee etwa 50 deutsche Meilen von Rom entfernt war; Pompeius zwei schwache Legionen, 7000 Mann Infanterie und eine geringe Reiterschaar, unter Appius Claudius Befehlen bei Luceria, von wo man, ebenfalls auf der Chaussee, un- gefähr eben so weit nach der Hauptstadt hatte. Die andern Truppen Caesars, abgesehen von den rohen noch in der Bildung begriffe- nen Rekrutenabtheilungen, standen zur Hälfte an der Saone und Loire, zur Hälfte in Belgien, während Pompeius italische Reser- * Diese Ziffer gab Pompeius selbst an (Caesar b. c. 1, 6) und es stimmt damit, daſs er in Italien etwa 60 Cohorten oder 30000 Mann einbüſste und 25000 nach Griechenland überführte (Caesar b. c. 3, 10).

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/361>, abgerufen am 22.05.2024.