jener elende Krawall auf der appischen Strasse, in dem ein paar Monate nach Crassus der Bandenführer Clodius umkam; aber es ist begreiflich und beinahe verzeihlich. Der Bruch zwischen den beiden Machthabern, lange als unvermeidlich gefühlt und oft als nahe verkündigt, rückte jetzt unaufhaltsam heran. Wie das Boot der alten griechischen Schiffersage befand sich das Schiff der rö- mischen Gemeinde gleichsam zwischen zwei auf einander zu- schwimmenden Felsen; von Augenblick zu Augenblick den kra- chenden Zusammenstoss erwartend starrten die, welche es trug, von namenloser Angst gebannt, in die hoch und höher strudelnde Brandung und während jedes kleinste Rücken hier tausend Augen auf sich zog, wagte nicht eines den Blick nach rechts oder links zu verwenden.
Nachdem auf der Zusammenkunft von Luca im April 698 Caesar sich Pompeius gegenüber zu ansehnlichen Concessionen verstanden und die Machthaber damit sich wesentlich ins Gleich- gewicht gesetzt hatten, fehlte es ihrem Verhältniss nicht an den äusseren Bedingungen der Haltbarkeit, insoweit bei einer Thei- lung der an sich untheilbaren monarchischen Gewalt überhaupt von Haltbarkeit die Rede sein kann. Eine andere Frage war es, ob die inneren Voraussetzungen der Dauerhaftigkeit vorhanden wa- ren und ob die Machthaber, wenigstens für jetzt, gegenseitig sich ohne Hinterhalt als gleichberechtigt anerkannten. Dass dies bei Caesar der Fall war dass er um den Preis der Gleichstellung mit Pompeius sich die zur Unterwerfung Galliens nothwendige Frist erkauft hatte, ist früher dargelegt worden. Aber Pompeius war es schwerlich jemals auch nur vorläufig Ernst mit der Collegia- lität. Er war eine von den kleinlichen und gemeinen Naturen, gegen die es gefährlich ist Grossmuth zu üben: seinem kleinlichen Sinn musste es als Gebot der Klugheit erscheinen dem unwillig anerkannten Nebenbuhler bei erster Gelegenheit ein Bein zu stel- len, und seine gemeine Seele musste dürsten nach der Möglich- keit die durch Caesars Nachsicht erlittene Demüthigung ihm um- gekehrt zu vergelten. Pompeius Entschluss mit Caesar zu brechen ist dem Ursprung nach wahrscheinlich so alt wie der Bund der Machthaber selbst, wahrscheinlich aber auch in Pompeius dumpfer und träger Natur erst allmählich zur Klarheit und Reife gelangt. Auf keinen Fall wird das Publikum, das überhaupt Pompeius An- und Absichten gewöhnlich besser durchschaute als er selbst, darin sich getäuscht haben, dass wenigstens mit dem Tode der schönen Julia, welche in der Blüthe ihrer Jahre im Herbst 700 starb und der ihr einziges Kind bald in das Grab nachfolgte, das persön-
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DER BRUCH DER GESAMMTHERRSCHER.
jener elende Krawall auf der appischen Straſse, in dem ein paar Monate nach Crassus der Bandenführer Clodius umkam; aber es ist begreiflich und beinahe verzeihlich. Der Bruch zwischen den beiden Machthabern, lange als unvermeidlich gefühlt und oft als nahe verkündigt, rückte jetzt unaufhaltsam heran. Wie das Boot der alten griechischen Schiffersage befand sich das Schiff der rö- mischen Gemeinde gleichsam zwischen zwei auf einander zu- schwimmenden Felsen; von Augenblick zu Augenblick den kra- chenden Zusammenstoſs erwartend starrten die, welche es trug, von namenloser Angst gebannt, in die hoch und höher strudelnde Brandung und während jedes kleinste Rücken hier tausend Augen auf sich zog, wagte nicht eines den Blick nach rechts oder links zu verwenden.
Nachdem auf der Zusammenkunft von Luca im April 698 Caesar sich Pompeius gegenüber zu ansehnlichen Concessionen verstanden und die Machthaber damit sich wesentlich ins Gleich- gewicht gesetzt hatten, fehlte es ihrem Verhältniſs nicht an den äuſseren Bedingungen der Haltbarkeit, insoweit bei einer Thei- lung der an sich untheilbaren monarchischen Gewalt überhaupt von Haltbarkeit die Rede sein kann. Eine andere Frage war es, ob die inneren Voraussetzungen der Dauerhaftigkeit vorhanden wa- ren und ob die Machthaber, wenigstens für jetzt, gegenseitig sich ohne Hinterhalt als gleichberechtigt anerkannten. Daſs dies bei Caesar der Fall war daſs er um den Preis der Gleichstellung mit Pompeius sich die zur Unterwerfung Galliens nothwendige Frist erkauft hatte, ist früher dargelegt worden. Aber Pompeius war es schwerlich jemals auch nur vorläufig Ernst mit der Collegia- lität. Er war eine von den kleinlichen und gemeinen Naturen, gegen die es gefährlich ist Groſsmuth zu üben: seinem kleinlichen Sinn muſste es als Gebot der Klugheit erscheinen dem unwillig anerkannten Nebenbuhler bei erster Gelegenheit ein Bein zu stel- len, und seine gemeine Seele muſste dürsten nach der Möglich- keit die durch Caesars Nachsicht erlittene Demüthigung ihm um- gekehrt zu vergelten. Pompeius Entschluſs mit Caesar zu brechen ist dem Ursprung nach wahrscheinlich so alt wie der Bund der Machthaber selbst, wahrscheinlich aber auch in Pompeius dumpfer und träger Natur erst allmählich zur Klarheit und Reife gelangt. Auf keinen Fall wird das Publikum, das überhaupt Pompeius An- und Absichten gewöhnlich besser durchschaute als er selbst, darin sich getäuscht haben, daſs wenigstens mit dem Tode der schönen Julia, welche in der Blüthe ihrer Jahre im Herbst 700 starb und der ihr einziges Kind bald in das Grab nachfolgte, das persön-
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DER BRUCH DER GESAMMTHERRSCHER.
jener elende Krawall auf der appischen Straſse, in dem ein paar
Monate nach Crassus der Bandenführer Clodius umkam; aber es
ist begreiflich und beinahe verzeihlich. Der Bruch zwischen den
beiden Machthabern, lange als unvermeidlich gefühlt und oft als
nahe verkündigt, rückte jetzt unaufhaltsam heran. Wie das Boot
der alten griechischen Schiffersage befand sich das Schiff der rö-
mischen Gemeinde gleichsam zwischen zwei auf einander zu-
schwimmenden Felsen; von Augenblick zu Augenblick den kra-
chenden Zusammenstoſs erwartend starrten die, welche es trug,
von namenloser Angst gebannt, in die hoch und höher strudelnde
Brandung und während jedes kleinste Rücken hier tausend Augen
auf sich zog, wagte nicht eines den Blick nach rechts oder links
zu verwenden.
Nachdem auf der Zusammenkunft von Luca im April 698
Caesar sich Pompeius gegenüber zu ansehnlichen Concessionen
verstanden und die Machthaber damit sich wesentlich ins Gleich-
gewicht gesetzt hatten, fehlte es ihrem Verhältniſs nicht an den
äuſseren Bedingungen der Haltbarkeit, insoweit bei einer Thei-
lung der an sich untheilbaren monarchischen Gewalt überhaupt
von Haltbarkeit die Rede sein kann. Eine andere Frage war es,
ob die inneren Voraussetzungen der Dauerhaftigkeit vorhanden wa-
ren und ob die Machthaber, wenigstens für jetzt, gegenseitig sich
ohne Hinterhalt als gleichberechtigt anerkannten. Daſs dies bei
Caesar der Fall war daſs er um den Preis der Gleichstellung mit
Pompeius sich die zur Unterwerfung Galliens nothwendige Frist
erkauft hatte, ist früher dargelegt worden. Aber Pompeius war
es schwerlich jemals auch nur vorläufig Ernst mit der Collegia-
lität. Er war eine von den kleinlichen und gemeinen Naturen,
gegen die es gefährlich ist Groſsmuth zu üben: seinem kleinlichen
Sinn muſste es als Gebot der Klugheit erscheinen dem unwillig
anerkannten Nebenbuhler bei erster Gelegenheit ein Bein zu stel-
len, und seine gemeine Seele muſste dürsten nach der Möglich-
keit die durch Caesars Nachsicht erlittene Demüthigung ihm um-
gekehrt zu vergelten. Pompeius Entschluſs mit Caesar zu brechen
ist dem Ursprung nach wahrscheinlich so alt wie der Bund der
Machthaber selbst, wahrscheinlich aber auch in Pompeius dumpfer
und träger Natur erst allmählich zur Klarheit und Reife gelangt. Auf
keinen Fall wird das Publikum, das überhaupt Pompeius An- und
Absichten gewöhnlich besser durchschaute als er selbst, darin
sich getäuscht haben, daſs wenigstens mit dem Tode der schönen
Julia, welche in der Blüthe ihrer Jahre im Herbst 700 starb und
der ihr einziges Kind bald in das Grab nachfolgte, das persön-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/333>, abgerufen am 22.05.2024.
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