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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
liche Verhältniss zwischen ihrem Vater und ihrem Gemahl gelöst
war. Pompeius war es, der abbrach. Caesar versuchte die vom
Schicksal getrennten verwandtschaftlichen Bande wieder herzu-
stellen: er warb für sich um die Hand der einzigen Tochter des
Pompeius und trug diesem seine jetzt nächste Verwandte, seiner
Schwester Enkelin Octavia zur Gemahlin an; allein Pompeius
liess seine Tochter ihrem bisherigen Gatten Faustus Sulla, dem
Sohn des Regenten, und vermählte sich selbst mit der Tochter
des Quintus Metellus Scipio. Der persönliche Bruch war unver-
kennbar eingetreten; man erwartete, dass der politische ihm auf
dem Fusse folgen werde. Allein hierin hatte man sich getäuscht:
in öffentlichen Angelegenheiten blieb vorläufig noch ein collegia-
lisches Einvernehmen bestehen. Die Ursache war, dass Caesar
nicht brechen wollte, bevor Galliens Unterwerfung eine vollen-
dete Thatsache war, Pompeius nicht, bevor er durch die Ueber-
nahme der Dictatur die Regierungsbehörden und Italien vollstän-
dig in seine Gewalt gebracht haben würde. Es ist sonderbar,
aber wohl erklärlich, dass die Machthaber hiebei sich gegenseitig
unterstützten: Pompeius überliess nach der Katastrophe von
Aduatuca im Winter 700 eine seiner auf Urlaub entlassenen ita-
lischen Legionen leihweise an Caesar; andrerseits gewährte Cae-
sar Pompeius seine Einwilligung und seine moralische Unter-
stützung bei den Repressivmassregeln, die dieser gegen die stör-
rige republikanische Opposition ergriff. Das politische Resultat
der letzteren war, dass Pompeius im Anfang des J. 702 das un-
getheilte Consulat und einen durchaus den Caesars überwiegenden
Einfluss in der Hauptstadt gewann und dass die sämmtliche waffen-
fähige Mannschaft in Italien den Soldateneid in seine Hände und
auf seinen Namen ableistete. Pompeius war hiermit am Ziele und
es lag in seinem Interesse nun baldmöglichst mit Caesar ein Ende
zu machen. Die Absicht trat auch klar genug hervor. Dass die
nach dem Auflauf auf der appischen Strasse stattfindende gericht-
liche Verfolgung eben Caesars alte demokratische Parteigenossen
mit schonungsloser Härte traf (S. 309), konnte vielleicht noch als
blosse Ungeschicklichkeit hingehen. Dass das neue Gesetz gegen
die Wahlumtriebe, indem es bis 684 zurückgriff, auch die bedenk-
lichen Vorgänge bei Caesars Bewerbung um das Consulat mit ein-
schloss (S. 308), mochte gleichfalls ohne bestimmte Absicht ver-
fügt sein, obgleich nicht wenige Caesarianer darin eine solche zu
erkennen meinten. Aber auch bei dem besten Willen konnte man
nicht mehr die Augen verschliessen, als Pompeius sich zum Col-
legen im Consulat nicht seinen früheren Schwiegervater erkor,

FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
liche Verhältniſs zwischen ihrem Vater und ihrem Gemahl gelöst
war. Pompeius war es, der abbrach. Caesar versuchte die vom
Schicksal getrennten verwandtschaftlichen Bande wieder herzu-
stellen: er warb für sich um die Hand der einzigen Tochter des
Pompeius und trug diesem seine jetzt nächste Verwandte, seiner
Schwester Enkelin Octavia zur Gemahlin an; allein Pompeius
lieſs seine Tochter ihrem bisherigen Gatten Faustus Sulla, dem
Sohn des Regenten, und vermählte sich selbst mit der Tochter
des Quintus Metellus Scipio. Der persönliche Bruch war unver-
kennbar eingetreten; man erwartete, daſs der politische ihm auf
dem Fuſse folgen werde. Allein hierin hatte man sich getäuscht:
in öffentlichen Angelegenheiten blieb vorläufig noch ein collegia-
lisches Einvernehmen bestehen. Die Ursache war, daſs Caesar
nicht brechen wollte, bevor Galliens Unterwerfung eine vollen-
dete Thatsache war, Pompeius nicht, bevor er durch die Ueber-
nahme der Dictatur die Regierungsbehörden und Italien vollstän-
dig in seine Gewalt gebracht haben würde. Es ist sonderbar,
aber wohl erklärlich, daſs die Machthaber hiebei sich gegenseitig
unterstützten: Pompeius überlieſs nach der Katastrophe von
Aduatuca im Winter 700 eine seiner auf Urlaub entlassenen ita-
lischen Legionen leihweise an Caesar; andrerseits gewährte Cae-
sar Pompeius seine Einwilligung und seine moralische Unter-
stützung bei den Repressivmaſsregeln, die dieser gegen die stör-
rige republikanische Opposition ergriff. Das politische Resultat
der letzteren war, daſs Pompeius im Anfang des J. 702 das un-
getheilte Consulat und einen durchaus den Caesars überwiegenden
Einfluſs in der Hauptstadt gewann und daſs die sämmtliche waffen-
fähige Mannschaft in Italien den Soldateneid in seine Hände und
auf seinen Namen ableistete. Pompeius war hiermit am Ziele und
es lag in seinem Interesse nun baldmöglichst mit Caesar ein Ende
zu machen. Die Absicht trat auch klar genug hervor. Daſs die
nach dem Auflauf auf der appischen Straſse stattfindende gericht-
liche Verfolgung eben Caesars alte demokratische Parteigenossen
mit schonungsloser Härte traf (S. 309), konnte vielleicht noch als
bloſse Ungeschicklichkeit hingehen. Daſs das neue Gesetz gegen
die Wahlumtriebe, indem es bis 684 zurückgriff, auch die bedenk-
lichen Vorgänge bei Caesars Bewerbung um das Consulat mit ein-
schloſs (S. 308), mochte gleichfalls ohne bestimmte Absicht ver-
fügt sein, obgleich nicht wenige Caesarianer darin eine solche zu
erkennen meinten. Aber auch bei dem besten Willen konnte man
nicht mehr die Augen verschlieſsen, als Pompeius sich zum Col-
legen im Consulat nicht seinen früheren Schwiegervater erkor,

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[324/0334] FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX. liche Verhältniſs zwischen ihrem Vater und ihrem Gemahl gelöst war. Pompeius war es, der abbrach. Caesar versuchte die vom Schicksal getrennten verwandtschaftlichen Bande wieder herzu- stellen: er warb für sich um die Hand der einzigen Tochter des Pompeius und trug diesem seine jetzt nächste Verwandte, seiner Schwester Enkelin Octavia zur Gemahlin an; allein Pompeius lieſs seine Tochter ihrem bisherigen Gatten Faustus Sulla, dem Sohn des Regenten, und vermählte sich selbst mit der Tochter des Quintus Metellus Scipio. Der persönliche Bruch war unver- kennbar eingetreten; man erwartete, daſs der politische ihm auf dem Fuſse folgen werde. Allein hierin hatte man sich getäuscht: in öffentlichen Angelegenheiten blieb vorläufig noch ein collegia- lisches Einvernehmen bestehen. Die Ursache war, daſs Caesar nicht brechen wollte, bevor Galliens Unterwerfung eine vollen- dete Thatsache war, Pompeius nicht, bevor er durch die Ueber- nahme der Dictatur die Regierungsbehörden und Italien vollstän- dig in seine Gewalt gebracht haben würde. Es ist sonderbar, aber wohl erklärlich, daſs die Machthaber hiebei sich gegenseitig unterstützten: Pompeius überlieſs nach der Katastrophe von Aduatuca im Winter 700 eine seiner auf Urlaub entlassenen ita- lischen Legionen leihweise an Caesar; andrerseits gewährte Cae- sar Pompeius seine Einwilligung und seine moralische Unter- stützung bei den Repressivmaſsregeln, die dieser gegen die stör- rige republikanische Opposition ergriff. Das politische Resultat der letzteren war, daſs Pompeius im Anfang des J. 702 das un- getheilte Consulat und einen durchaus den Caesars überwiegenden Einfluſs in der Hauptstadt gewann und daſs die sämmtliche waffen- fähige Mannschaft in Italien den Soldateneid in seine Hände und auf seinen Namen ableistete. Pompeius war hiermit am Ziele und es lag in seinem Interesse nun baldmöglichst mit Caesar ein Ende zu machen. Die Absicht trat auch klar genug hervor. Daſs die nach dem Auflauf auf der appischen Straſse stattfindende gericht- liche Verfolgung eben Caesars alte demokratische Parteigenossen mit schonungsloser Härte traf (S. 309), konnte vielleicht noch als bloſse Ungeschicklichkeit hingehen. Daſs das neue Gesetz gegen die Wahlumtriebe, indem es bis 684 zurückgriff, auch die bedenk- lichen Vorgänge bei Caesars Bewerbung um das Consulat mit ein- schloſs (S. 308), mochte gleichfalls ohne bestimmte Absicht ver- fügt sein, obgleich nicht wenige Caesarianer darin eine solche zu erkennen meinten. Aber auch bei dem besten Willen konnte man nicht mehr die Augen verschlieſsen, als Pompeius sich zum Col- legen im Consulat nicht seinen früheren Schwiegervater erkor,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/334>, abgerufen am 15.05.2024.