Es war seit den Zeiten der Achaemeniden der erste ernsthafte Sieg, den die Orientalen über den Occident erfochten; und wohl lag auch darin ein tiefer Sinn, dass zur Feier dieses Sieges das schönste Erzeugniss der occidentalischen Welt, die griechische Tragödie durch ihre herabgekommenen Vertreter in grotesk grau- siger Weise sich selber parodirte. Das römische Bürgerthum und der Genius von Hellas fingen gleichzeitig an sich auf die Ketten des Sultanismus zu schicken.
Die Katastrophe, entsetzlich an sich, schien auch in ihren Fol- gen furchtbar werden und die Grundfesten der römischen Macht im Osten erschüttern zu sollen. Es war das Wenigste, dass die Parther jetzt jenseit des Euphrat unbeschränkt schalteten, dass Armenien, nachdem es schon vor der Katastrophe des Crassus vom römischen Bündniss abgefallen war, jetzt ganz in parthische Clientel gerieth, dass den treuen Bürgern von Karrhae durch den von den Par- thern ihnen gesetzten neuen Herrn, einen der verrätherischen Wegweiser der Römer Namens Andromachos, ihre Anhänglich- keit an die Occidentalen bitter vergolten ward. Alles Ernstes schickten die Parther sich an nun ihrerseits die Euphratgrenze zu überschreiten und im Verein mit den Armeniern und den Ara- bern die Römer aus Syrien zu vertreiben. Die Juden und andere Völkerschaften mehr harrten hier der Erlösung von der römischen Herrschaft nicht minder ungeduldig wie die Hellenen jenseit des Euphrat der von der parthischen; in Rom stand der Bürgerkrieg vor der Thür; der Angriff eben hier und eben jetzt war eine schwere Gefahr. Allein zum Glücke Roms hatten auf beiden Seiten die Führer gewechselt. Sultan Orodes verdankte dem heldenmüthi- gen Fürsten, der ihm die Krone aufgesetzt und das Land von den Feinden gesäubert hatte, zu viel, um sich seiner nicht baldmög- lichst durch den Henker zu entledigen. Surenas Platz als Ober- feldherr der nach Syrien bestimmten Invasionsarmee füllte ein Prinz aus, des Königs Sohn Pakoros, dem seiner Jugend und Unerfahrenheit wegen der Fürst Osakes als militärischer Rath- geber beigegeben werden musste. Andrerseits übernahm bei den Römern an Crassus Stelle das Commando in Syrien interimistisch der besonnene und entschlossene Quästor Gaius Cassius. Da die Parther, eben wie früher Crassus, den Angriff nicht beeilten, son- dern in den Jahren 701 und 702 nur schwache schnell zurück- geworfene Streifschaaren über den Euphrat sandten, so behielt Cassius Zeit das Heer einigermassen zu reorganisiren und die
Röm. Gesch. III. 21
CRASSUS TOD.
Die herrliche Beute, Das blutende Wild.
Es war seit den Zeiten der Achaemeniden der erste ernsthafte Sieg, den die Orientalen über den Occident erfochten; und wohl lag auch darin ein tiefer Sinn, daſs zur Feier dieses Sieges das schönste Erzeugniſs der occidentalischen Welt, die griechische Tragödie durch ihre herabgekommenen Vertreter in grotesk grau- siger Weise sich selber parodirte. Das römische Bürgerthum und der Genius von Hellas fingen gleichzeitig an sich auf die Ketten des Sultanismus zu schicken.
Die Katastrophe, entsetzlich an sich, schien auch in ihren Fol- gen furchtbar werden und die Grundfesten der römischen Macht im Osten erschüttern zu sollen. Es war das Wenigste, daſs die Parther jetzt jenseit des Euphrat unbeschränkt schalteten, daſs Armenien, nachdem es schon vor der Katastrophe des Crassus vom römischen Bündniſs abgefallen war, jetzt ganz in parthische Clientel gerieth, daſs den treuen Bürgern von Karrhae durch den von den Par- thern ihnen gesetzten neuen Herrn, einen der verrätherischen Wegweiser der Römer Namens Andromachos, ihre Anhänglich- keit an die Occidentalen bitter vergolten ward. Alles Ernstes schickten die Parther sich an nun ihrerseits die Euphratgrenze zu überschreiten und im Verein mit den Armeniern und den Ara- bern die Römer aus Syrien zu vertreiben. Die Juden und andere Völkerschaften mehr harrten hier der Erlösung von der römischen Herrschaft nicht minder ungeduldig wie die Hellenen jenseit des Euphrat der von der parthischen; in Rom stand der Bürgerkrieg vor der Thür; der Angriff eben hier und eben jetzt war eine schwere Gefahr. Allein zum Glücke Roms hatten auf beiden Seiten die Führer gewechselt. Sultan Orodes verdankte dem heldenmüthi- gen Fürsten, der ihm die Krone aufgesetzt und das Land von den Feinden gesäubert hatte, zu viel, um sich seiner nicht baldmög- lichst durch den Henker zu entledigen. Surenas Platz als Ober- feldherr der nach Syrien bestimmten Invasionsarmee füllte ein Prinz aus, des Königs Sohn Pakoros, dem seiner Jugend und Unerfahrenheit wegen der Fürst Osakes als militärischer Rath- geber beigegeben werden muſste. Andrerseits übernahm bei den Römern an Crassus Stelle das Commando in Syrien interimistisch der besonnene und entschlossene Quästor Gaius Cassius. Da die Parther, eben wie früher Crassus, den Angriff nicht beeilten, son- dern in den Jahren 701 und 702 nur schwache schnell zurück- geworfene Streifschaaren über den Euphrat sandten, so behielt Cassius Zeit das Heer einigermaſsen zu reorganisiren und die
Röm. Gesch. III. 21
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CRASSUS TOD.
Die herrliche Beute,
Das blutende Wild.
Es war seit den Zeiten der Achaemeniden der erste ernsthafte
Sieg, den die Orientalen über den Occident erfochten; und wohl
lag auch darin ein tiefer Sinn, daſs zur Feier dieses Sieges das
schönste Erzeugniſs der occidentalischen Welt, die griechische
Tragödie durch ihre herabgekommenen Vertreter in grotesk grau-
siger Weise sich selber parodirte. Das römische Bürgerthum und
der Genius von Hellas fingen gleichzeitig an sich auf die Ketten
des Sultanismus zu schicken.
Die Katastrophe, entsetzlich an sich, schien auch in ihren Fol-
gen furchtbar werden und die Grundfesten der römischen Macht im
Osten erschüttern zu sollen. Es war das Wenigste, daſs die Parther
jetzt jenseit des Euphrat unbeschränkt schalteten, daſs Armenien,
nachdem es schon vor der Katastrophe des Crassus vom römischen
Bündniſs abgefallen war, jetzt ganz in parthische Clientel gerieth,
daſs den treuen Bürgern von Karrhae durch den von den Par-
thern ihnen gesetzten neuen Herrn, einen der verrätherischen
Wegweiser der Römer Namens Andromachos, ihre Anhänglich-
keit an die Occidentalen bitter vergolten ward. Alles Ernstes
schickten die Parther sich an nun ihrerseits die Euphratgrenze
zu überschreiten und im Verein mit den Armeniern und den Ara-
bern die Römer aus Syrien zu vertreiben. Die Juden und andere
Völkerschaften mehr harrten hier der Erlösung von der römischen
Herrschaft nicht minder ungeduldig wie die Hellenen jenseit des
Euphrat der von der parthischen; in Rom stand der Bürgerkrieg
vor der Thür; der Angriff eben hier und eben jetzt war eine schwere
Gefahr. Allein zum Glücke Roms hatten auf beiden Seiten die
Führer gewechselt. Sultan Orodes verdankte dem heldenmüthi-
gen Fürsten, der ihm die Krone aufgesetzt und das Land von den
Feinden gesäubert hatte, zu viel, um sich seiner nicht baldmög-
lichst durch den Henker zu entledigen. Surenas Platz als Ober-
feldherr der nach Syrien bestimmten Invasionsarmee füllte ein
Prinz aus, des Königs Sohn Pakoros, dem seiner Jugend und
Unerfahrenheit wegen der Fürst Osakes als militärischer Rath-
geber beigegeben werden muſste. Andrerseits übernahm bei den
Römern an Crassus Stelle das Commando in Syrien interimistisch
der besonnene und entschlossene Quästor Gaius Cassius. Da die
Parther, eben wie früher Crassus, den Angriff nicht beeilten, son-
dern in den Jahren 701 und 702 nur schwache schnell zurück-
geworfene Streifschaaren über den Euphrat sandten, so behielt
Cassius Zeit das Heer einigermaſsen zu reorganisiren und die
Röm. Gesch. III. 21
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/331>, abgerufen am 22.12.2024.
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