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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
gesetzt worden, wobei Cato verwundet ward und andere höchst
ärgerliche Auftritte vorfielen. In den nächsten Consularwahlen
für 700 aber ward gar allen Anstrengungen der Machthaber zum
Trotz Domitius wirklich gewählt, und auch Cato siegte jetzt ob in
der Bewerbung um die Praetur, in der ihn das Jahr zuvor zum
Aergerniss der ganzen Bürgerschaft Caesars Client Vatinius aus
dem Felde geschlagen hatte. Bei den Wahlen für 701 gelang es der
Opposition unter andern Candidaten auch die der Machthaber der
ärgerlichsten Wahlumtriebe so unwidersprechlich zu überweisen,
dass die Machthaber, auf die der Scandal zurückfiel, nicht anders
konnten als sie fallen lassen. Diese wiederholten und argen Nie-
derlagen der Dynasten auf dem Wahlschlachtfeld mögen zum
Theil zurückzuführen sein auf die Unregierlichkeit der eingero-
steten Maschinerie, die unberechenbaren Zufälligkeiten des Wahl-
geschäfts, die Gesinnungsopposition der Mittelklassen, die man-
cherlei hier eingreifenden und die Parteistellung oft seltsam
durchkreuzenden Privatrücksichten; die Hauptursache aber liegt
anderswo. Die Wahlen waren in dieser Zeit wesentlich in der
Gewalt der verschiedenen Clubs, in die die Aristokratie sich grup-
pirte; das Bestechungswesen war von denselben im umfassend-
sten Massstab und mit grösster Ordnung organisirt. Dieselbe
Aristokratie also, die im Senat vertreten war, beherrschte auch
die Wahlen; aber wenn sie im Senat grollend nachgab, wirkte
und stimmte sie hier im Geheimen und vor jeder Rechenschaft
sicher den Machthabern unbedingt entgegen. Diese versuchten
dem zu steuern durch ein strenges Strafgesetz gegen die clubbi-
stischen Wahlumtriebe, das Crassus als Consul 699 durch die
Bürgerschaft bestätigen liess; dass damit wenig erreicht ward,
versteht sich von selbst und zeigen die Wahlumtriebe der näch-
sten Jahre. -- Ebenso grosse Schwierigkeit machten den Macht-
habern die Geschwornengerichte. Bei ihrer dermaligen Zusam-
mensetzung entschied in denselben neben dem auch hier einfluss-
reichen Senatsadel vorwiegend die Mittelklasse. Die Festsetzung
eines hochgegriffenen Geschwornencensus durch ein von Pom-
peius 699 beantragtes Gesetz ist ein bemerkenswerther Beweis
dafür, dass die Opposition gegen die Machthaber ihren Hauptsitz
in dem eigentlichen Mittelstand hatte und die hohe Finanz hier
wie überall sich gefügiger als dieser erwies. Nichtsdestoweniger
war der republikanischen Partei hier noch nicht aller Boden ent-
zogen und sie ward nicht müde mit politischen Criminalanklagen
zwar nicht die Machthaber selbst, aber wohl deren hervorragende
Werkzeuge zu verfolgen. Dieser Prozesskrieg ward um so leb-

POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
gesetzt worden, wobei Cato verwundet ward und andere höchst
ärgerliche Auftritte vorfielen. In den nächsten Consularwahlen
für 700 aber ward gar allen Anstrengungen der Machthaber zum
Trotz Domitius wirklich gewählt, und auch Cato siegte jetzt ob in
der Bewerbung um die Praetur, in der ihn das Jahr zuvor zum
Aergerniſs der ganzen Bürgerschaft Caesars Client Vatinius aus
dem Felde geschlagen hatte. Bei den Wahlen für 701 gelang es der
Opposition unter andern Candidaten auch die der Machthaber der
ärgerlichsten Wahlumtriebe so unwidersprechlich zu überweisen,
daſs die Machthaber, auf die der Scandal zurückfiel, nicht anders
konnten als sie fallen lassen. Diese wiederholten und argen Nie-
derlagen der Dynasten auf dem Wahlschlachtfeld mögen zum
Theil zurückzuführen sein auf die Unregierlichkeit der eingero-
steten Maschinerie, die unberechenbaren Zufälligkeiten des Wahl-
geschäfts, die Gesinnungsopposition der Mittelklassen, die man-
cherlei hier eingreifenden und die Parteistellung oft seltsam
durchkreuzenden Privatrücksichten; die Hauptursache aber liegt
anderswo. Die Wahlen waren in dieser Zeit wesentlich in der
Gewalt der verschiedenen Clubs, in die die Aristokratie sich grup-
pirte; das Bestechungswesen war von denselben im umfassend-
sten Maſsstab und mit gröſster Ordnung organisirt. Dieselbe
Aristokratie also, die im Senat vertreten war, beherrschte auch
die Wahlen; aber wenn sie im Senat grollend nachgab, wirkte
und stimmte sie hier im Geheimen und vor jeder Rechenschaft
sicher den Machthabern unbedingt entgegen. Diese versuchten
dem zu steuern durch ein strenges Strafgesetz gegen die clubbi-
stischen Wahlumtriebe, das Crassus als Consul 699 durch die
Bürgerschaft bestätigen lieſs; daſs damit wenig erreicht ward,
versteht sich von selbst und zeigen die Wahlumtriebe der näch-
sten Jahre. — Ebenso groſse Schwierigkeit machten den Macht-
habern die Geschwornengerichte. Bei ihrer dermaligen Zusam-
mensetzung entschied in denselben neben dem auch hier einfluſs-
reichen Senatsadel vorwiegend die Mittelklasse. Die Festsetzung
eines hochgegriffenen Geschwornencensus durch ein von Pom-
peius 699 beantragtes Gesetz ist ein bemerkenswerther Beweis
dafür, daſs die Opposition gegen die Machthaber ihren Hauptsitz
in dem eigentlichen Mittelstand hatte und die hohe Finanz hier
wie überall sich gefügiger als dieser erwies. Nichtsdestoweniger
war der republikanischen Partei hier noch nicht aller Boden ent-
zogen und sie ward nicht müde mit politischen Criminalanklagen
zwar nicht die Machthaber selbst, aber wohl deren hervorragende
Werkzeuge zu verfolgen. Dieser Prozeſskrieg ward um so leb-

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[301/0311] POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. gesetzt worden, wobei Cato verwundet ward und andere höchst ärgerliche Auftritte vorfielen. In den nächsten Consularwahlen für 700 aber ward gar allen Anstrengungen der Machthaber zum Trotz Domitius wirklich gewählt, und auch Cato siegte jetzt ob in der Bewerbung um die Praetur, in der ihn das Jahr zuvor zum Aergerniſs der ganzen Bürgerschaft Caesars Client Vatinius aus dem Felde geschlagen hatte. Bei den Wahlen für 701 gelang es der Opposition unter andern Candidaten auch die der Machthaber der ärgerlichsten Wahlumtriebe so unwidersprechlich zu überweisen, daſs die Machthaber, auf die der Scandal zurückfiel, nicht anders konnten als sie fallen lassen. Diese wiederholten und argen Nie- derlagen der Dynasten auf dem Wahlschlachtfeld mögen zum Theil zurückzuführen sein auf die Unregierlichkeit der eingero- steten Maschinerie, die unberechenbaren Zufälligkeiten des Wahl- geschäfts, die Gesinnungsopposition der Mittelklassen, die man- cherlei hier eingreifenden und die Parteistellung oft seltsam durchkreuzenden Privatrücksichten; die Hauptursache aber liegt anderswo. Die Wahlen waren in dieser Zeit wesentlich in der Gewalt der verschiedenen Clubs, in die die Aristokratie sich grup- pirte; das Bestechungswesen war von denselben im umfassend- sten Maſsstab und mit gröſster Ordnung organisirt. Dieselbe Aristokratie also, die im Senat vertreten war, beherrschte auch die Wahlen; aber wenn sie im Senat grollend nachgab, wirkte und stimmte sie hier im Geheimen und vor jeder Rechenschaft sicher den Machthabern unbedingt entgegen. Diese versuchten dem zu steuern durch ein strenges Strafgesetz gegen die clubbi- stischen Wahlumtriebe, das Crassus als Consul 699 durch die Bürgerschaft bestätigen lieſs; daſs damit wenig erreicht ward, versteht sich von selbst und zeigen die Wahlumtriebe der näch- sten Jahre. — Ebenso groſse Schwierigkeit machten den Macht- habern die Geschwornengerichte. Bei ihrer dermaligen Zusam- mensetzung entschied in denselben neben dem auch hier einfluſs- reichen Senatsadel vorwiegend die Mittelklasse. Die Festsetzung eines hochgegriffenen Geschwornencensus durch ein von Pom- peius 699 beantragtes Gesetz ist ein bemerkenswerther Beweis dafür, daſs die Opposition gegen die Machthaber ihren Hauptsitz in dem eigentlichen Mittelstand hatte und die hohe Finanz hier wie überall sich gefügiger als dieser erwies. Nichtsdestoweniger war der republikanischen Partei hier noch nicht aller Boden ent- zogen und sie ward nicht müde mit politischen Criminalanklagen zwar nicht die Machthaber selbst, aber wohl deren hervorragende Werkzeuge zu verfolgen. Dieser Prozeſskrieg ward um so leb-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/311>, abgerufen am 28.11.2024.