stürzten Regierung, ,gilt das Mindeste ausser den Dreien; die Herrscher sind allmächtig und sie sorgen dafür, dass keiner dar- über im Unklaren bleibe; der ganze Staat ist wie umgewandelt und gehorcht den Gebietern; unsere Generation wird einen Um- schwung der Dinge nicht erleben.' Man lebte eben nicht mehr in der Republik, sondern in der Monarchie.
Aber wenn über das eigentliche Regierungswesen die Macht- haber unumschränkt verfügten, so blieb noch ein von dem eigent- lichen Regiment gewissermassen abgesondertes politisches Gebiet, das leichter zu vertheidigen und schwerer zu erobern war: das der Wahlen der ordentlichen Beamten und das der Geschwornen- gerichte. Dass die letzteren in den Gang der Regierung unmittel- bar nicht eingreifen, aber überall und vor allem in Rom von dem das Staatswesen beherrschenden Geiste mit beherrscht werden, ist von selber klar. Die Wahlen der Beamten gehörten allerdings von Rechtswegen zu dem eigentlichen Regiment des Staates mit; allein da in dieser Zeit der Staat wesentlich durch ausserordent- liche Beamte oder auch ganz titellose Männer verwaltet ward und selbst die höchsten ordentlichen Beamten, wenn sie der opposi- tionellen Richtung anhingen, doch auf die Staatsmaschine in ir- gend fühlbarer Weise einzuwirken nicht vermochten, so sanken die ordentlichen Beamten mehr und mehr herab zu Figuranten, wie sich denn auch eben die oppositionellsten von ihnen gerade- zu und mit vollem Recht als machtlose Nullen bezeichneten, ihre Wahlen also zu Demonstrationen. So konnte, nachdem die Op- position von dem eigentlichen Schlachtfeld bereits gänzlich ver- drängt war, dennoch in den Wahlen und den Prozessen die Fehde noch fortgeführt werden. Die Machthaber sparten keine Mühe, um auch hier Sieger zu bleiben. Hinsichtlich der Wahlen hatten sie bereits in Luca für die nächsten Jahre die Candidatenlisten unter einander festgestellt und liessen kein Mittel unversucht um die dort vereinbarten Candidaten durchzubringen. Zunächst zum Zweck der Wahlagitation spendeten sie ihr Gold aus. Jährlich wurden aus Caesars und Pompeius Heeren eine grosse Anzahl Soldaten auf Urlaub entlassen, um an den Abstimmungen in Rom theilnehmen zu können. Caesar pflegte selbst von Oberitalien aus in möglichster Nähe die Wahlbewegungen zu leiten und zu überwachen. Dennoch ward der Zweck nur sehr unvollkommen erreicht. Für 699 wurden zwar, dem Vertrag von Luca entspre- chend, Pompeius und Crassus zu Consuln gewählt und der ein- zige ausharrende Candidat der Opposition Lucius Domitius be- seitigt; allein schon dies war nur durch offenbare Gewalt durch-
FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
stürzten Regierung, ‚gilt das Mindeste auſser den Dreien; die Herrscher sind allmächtig und sie sorgen dafür, daſs keiner dar- über im Unklaren bleibe; der ganze Staat ist wie umgewandelt und gehorcht den Gebietern; unsere Generation wird einen Um- schwung der Dinge nicht erleben.‘ Man lebte eben nicht mehr in der Republik, sondern in der Monarchie.
Aber wenn über das eigentliche Regierungswesen die Macht- haber unumschränkt verfügten, so blieb noch ein von dem eigent- lichen Regiment gewissermaſsen abgesondertes politisches Gebiet, das leichter zu vertheidigen und schwerer zu erobern war: das der Wahlen der ordentlichen Beamten und das der Geschwornen- gerichte. Daſs die letzteren in den Gang der Regierung unmittel- bar nicht eingreifen, aber überall und vor allem in Rom von dem das Staatswesen beherrschenden Geiste mit beherrscht werden, ist von selber klar. Die Wahlen der Beamten gehörten allerdings von Rechtswegen zu dem eigentlichen Regiment des Staates mit; allein da in dieser Zeit der Staat wesentlich durch auſserordent- liche Beamte oder auch ganz titellose Männer verwaltet ward und selbst die höchsten ordentlichen Beamten, wenn sie der opposi- tionellen Richtung anhingen, doch auf die Staatsmaschine in ir- gend fühlbarer Weise einzuwirken nicht vermochten, so sanken die ordentlichen Beamten mehr und mehr herab zu Figuranten, wie sich denn auch eben die oppositionellsten von ihnen gerade- zu und mit vollem Recht als machtlose Nullen bezeichneten, ihre Wahlen also zu Demonstrationen. So konnte, nachdem die Op- position von dem eigentlichen Schlachtfeld bereits gänzlich ver- drängt war, dennoch in den Wahlen und den Prozessen die Fehde noch fortgeführt werden. Die Machthaber sparten keine Mühe, um auch hier Sieger zu bleiben. Hinsichtlich der Wahlen hatten sie bereits in Luca für die nächsten Jahre die Candidatenlisten unter einander festgestellt und lieſsen kein Mittel unversucht um die dort vereinbarten Candidaten durchzubringen. Zunächst zum Zweck der Wahlagitation spendeten sie ihr Gold aus. Jährlich wurden aus Caesars und Pompeius Heeren eine groſse Anzahl Soldaten auf Urlaub entlassen, um an den Abstimmungen in Rom theilnehmen zu können. Caesar pflegte selbst von Oberitalien aus in möglichster Nähe die Wahlbewegungen zu leiten und zu überwachen. Dennoch ward der Zweck nur sehr unvollkommen erreicht. Für 699 wurden zwar, dem Vertrag von Luca entspre- chend, Pompeius und Crassus zu Consuln gewählt und der ein- zige ausharrende Candidat der Opposition Lucius Domitius be- seitigt; allein schon dies war nur durch offenbare Gewalt durch-
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
stürzten Regierung, ‚gilt das Mindeste auſser den Dreien; die
Herrscher sind allmächtig und sie sorgen dafür, daſs keiner dar-
über im Unklaren bleibe; der ganze Staat ist wie umgewandelt
und gehorcht den Gebietern; unsere Generation wird einen Um-
schwung der Dinge nicht erleben.‘ Man lebte eben nicht mehr in
der Republik, sondern in der Monarchie.
Aber wenn über das eigentliche Regierungswesen die Macht-
haber unumschränkt verfügten, so blieb noch ein von dem eigent-
lichen Regiment gewissermaſsen abgesondertes politisches Gebiet,
das leichter zu vertheidigen und schwerer zu erobern war: das
der Wahlen der ordentlichen Beamten und das der Geschwornen-
gerichte. Daſs die letzteren in den Gang der Regierung unmittel-
bar nicht eingreifen, aber überall und vor allem in Rom von dem
das Staatswesen beherrschenden Geiste mit beherrscht werden,
ist von selber klar. Die Wahlen der Beamten gehörten allerdings
von Rechtswegen zu dem eigentlichen Regiment des Staates mit;
allein da in dieser Zeit der Staat wesentlich durch auſserordent-
liche Beamte oder auch ganz titellose Männer verwaltet ward und
selbst die höchsten ordentlichen Beamten, wenn sie der opposi-
tionellen Richtung anhingen, doch auf die Staatsmaschine in ir-
gend fühlbarer Weise einzuwirken nicht vermochten, so sanken
die ordentlichen Beamten mehr und mehr herab zu Figuranten,
wie sich denn auch eben die oppositionellsten von ihnen gerade-
zu und mit vollem Recht als machtlose Nullen bezeichneten, ihre
Wahlen also zu Demonstrationen. So konnte, nachdem die Op-
position von dem eigentlichen Schlachtfeld bereits gänzlich ver-
drängt war, dennoch in den Wahlen und den Prozessen die Fehde
noch fortgeführt werden. Die Machthaber sparten keine Mühe, um
auch hier Sieger zu bleiben. Hinsichtlich der Wahlen hatten sie
bereits in Luca für die nächsten Jahre die Candidatenlisten unter
einander festgestellt und lieſsen kein Mittel unversucht um die
dort vereinbarten Candidaten durchzubringen. Zunächst zum
Zweck der Wahlagitation spendeten sie ihr Gold aus. Jährlich
wurden aus Caesars und Pompeius Heeren eine groſse Anzahl
Soldaten auf Urlaub entlassen, um an den Abstimmungen in Rom
theilnehmen zu können. Caesar pflegte selbst von Oberitalien
aus in möglichster Nähe die Wahlbewegungen zu leiten und zu
überwachen. Dennoch ward der Zweck nur sehr unvollkommen
erreicht. Für 699 wurden zwar, dem Vertrag von Luca entspre-
chend, Pompeius und Crassus zu Consuln gewählt und der ein-
zige ausharrende Candidat der Opposition Lucius Domitius be-
seitigt; allein schon dies war nur durch offenbare Gewalt durch-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/310>, abgerufen am 28.11.2024.
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