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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
sie zu strecken, so wie der Gegner nur an die Scheide schlug:
die blosse Kunde von den Conferenzen in Luca genügte, um jeden
Gedanken einer ernstlichen Opposition niederzuschlagen und die
Masse der Aengstlichen, das heisst die ungeheure Majorität des
Senats, wieder zu ihrer in unglücklicher Stunde verlassenen Un-
terthanenpflicht zurückzubringen. Von der anberaumten Ver-
handlung zur Prüfung der Gültigkeit der julischen Gesetze war
nicht weiter die Rede; die von Caesar auf eigene Hand errichte-
ten Legionen wurden durch Beschluss des Senats auf die Staats-
kasse übernommen; die Versuche bei der Regulirung der nächsten
Consularprovinzen Caesar beide Gallien oder doch das eine der-
selben hinwegzudecretiren wurden von der Majorität abgewiesen
(Ende Mai 698). So that man öffentlich Busse. Im Geheimen
kamen die Herren dessgleichen, einer nach dem andern, tödtlich
erschrocken über ihre eigene Verwegenheit, um ihren Frieden zu
machen und unbedingten Gehorsam zu geloben -- keiner schnel-
ler als Marcus Cicero, der seine Wortbrüchigkeit zu spät bereute
und hinsichtlich seiner jüngsten Vergangenheit sich mit Ehren-
titeln belegte, die durchaus mehr treffend als schmeichelhaft wa-
ren*. Natürlich liessen die Machthaber sich beschwichtigen; man
versagte keinem den Pardon, da keiner die Mühe lohnte mit ihm
eine Ausnahme zu machen. Um zu erkennen, wie plötzlich nach
dem Bekanntwerden der Beschlüsse von Luca der Ton in den
aristokratischen Kreisen umschlug, ist es der Mühe werth die
kurz zuvor von Cicero ausgegangenen Broschüren mit der Pali-
nodie zu vergleichen, die er ausgehen liess, um seine Reue und
seine guten Vorsätze öffentlich zu constatiren**.

Wie es ihnen gefiel und gründlicher als zuvor konnten also
die Machthaber die italischen Verhältnisse ordnen. Italien und die
Hauptstadt erhielten thatsächlich eine wenn auch nicht unter den
Waffen versammelte Besatzung und einen der Machthaber zum
Commandanten. Von den für Syrien und Spanien durch Crassus
und Pompeius ausgehobenen Truppen gingen zwar die ersteren

* Me asinum germanum fuisse.
** Diese Palinodie ist die noch vorhandene Rede über die den Consuln
des J. 699 anzuweisenden Provinzen. Sie ist Ausgang Mai 698 gehalten;
die Gegenstücke dazu sind die Reden für Sestius und gegen Vatinius und
die über das Gutachten der etruskischen Wahrsager aus den Monaten März
und April, in denen das aristokratische Regime nach Kräften verherrlicht
und namentlich Caesar in sehr cavalierem Ton behandelt wird. Man kann
es nur billigen, dass Cicero, wie er selbst gesteht, selbst vertrauten Freun-
den jene Palinodie zu übersenden sich schämte.

POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
sie zu strecken, so wie der Gegner nur an die Scheide schlug:
die bloſse Kunde von den Conferenzen in Luca genügte, um jeden
Gedanken einer ernstlichen Opposition niederzuschlagen und die
Masse der Aengstlichen, das heiſst die ungeheure Majorität des
Senats, wieder zu ihrer in unglücklicher Stunde verlassenen Un-
terthanenpflicht zurückzubringen. Von der anberaumten Ver-
handlung zur Prüfung der Gültigkeit der julischen Gesetze war
nicht weiter die Rede; die von Caesar auf eigene Hand errichte-
ten Legionen wurden durch Beschluſs des Senats auf die Staats-
kasse übernommen; die Versuche bei der Regulirung der nächsten
Consularprovinzen Caesar beide Gallien oder doch das eine der-
selben hinwegzudecretiren wurden von der Majorität abgewiesen
(Ende Mai 698). So that man öffentlich Buſse. Im Geheimen
kamen die Herren deſsgleichen, einer nach dem andern, tödtlich
erschrocken über ihre eigene Verwegenheit, um ihren Frieden zu
machen und unbedingten Gehorsam zu geloben — keiner schnel-
ler als Marcus Cicero, der seine Wortbrüchigkeit zu spät bereute
und hinsichtlich seiner jüngsten Vergangenheit sich mit Ehren-
titeln belegte, die durchaus mehr treffend als schmeichelhaft wa-
ren*. Natürlich lieſsen die Machthaber sich beschwichtigen; man
versagte keinem den Pardon, da keiner die Mühe lohnte mit ihm
eine Ausnahme zu machen. Um zu erkennen, wie plötzlich nach
dem Bekanntwerden der Beschlüsse von Luca der Ton in den
aristokratischen Kreisen umschlug, ist es der Mühe werth die
kurz zuvor von Cicero ausgegangenen Broschüren mit der Pali-
nodie zu vergleichen, die er ausgehen lieſs, um seine Reue und
seine guten Vorsätze öffentlich zu constatiren**.

Wie es ihnen gefiel und gründlicher als zuvor konnten also
die Machthaber die italischen Verhältnisse ordnen. Italien und die
Hauptstadt erhielten thatsächlich eine wenn auch nicht unter den
Waffen versammelte Besatzung und einen der Machthaber zum
Commandanten. Von den für Syrien und Spanien durch Crassus
und Pompeius ausgehobenen Truppen gingen zwar die ersteren

* Me asinum germanum fuisse.
** Diese Palinodie ist die noch vorhandene Rede über die den Consuln
des J. 699 anzuweisenden Provinzen. Sie ist Ausgang Mai 698 gehalten;
die Gegenstücke dazu sind die Reden für Sestius und gegen Vatinius und
die über das Gutachten der etruskischen Wahrsager aus den Monaten März
und April, in denen das aristokratische Regime nach Kräften verherrlicht
und namentlich Caesar in sehr cavalierem Ton behandelt wird. Man kann
es nur billigen, daſs Cicero, wie er selbst gesteht, selbst vertrauten Freun-
den jene Palinodie zu übersenden sich schämte.
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[295/0305] POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. sie zu strecken, so wie der Gegner nur an die Scheide schlug: die bloſse Kunde von den Conferenzen in Luca genügte, um jeden Gedanken einer ernstlichen Opposition niederzuschlagen und die Masse der Aengstlichen, das heiſst die ungeheure Majorität des Senats, wieder zu ihrer in unglücklicher Stunde verlassenen Un- terthanenpflicht zurückzubringen. Von der anberaumten Ver- handlung zur Prüfung der Gültigkeit der julischen Gesetze war nicht weiter die Rede; die von Caesar auf eigene Hand errichte- ten Legionen wurden durch Beschluſs des Senats auf die Staats- kasse übernommen; die Versuche bei der Regulirung der nächsten Consularprovinzen Caesar beide Gallien oder doch das eine der- selben hinwegzudecretiren wurden von der Majorität abgewiesen (Ende Mai 698). So that man öffentlich Buſse. Im Geheimen kamen die Herren deſsgleichen, einer nach dem andern, tödtlich erschrocken über ihre eigene Verwegenheit, um ihren Frieden zu machen und unbedingten Gehorsam zu geloben — keiner schnel- ler als Marcus Cicero, der seine Wortbrüchigkeit zu spät bereute und hinsichtlich seiner jüngsten Vergangenheit sich mit Ehren- titeln belegte, die durchaus mehr treffend als schmeichelhaft wa- ren *. Natürlich lieſsen die Machthaber sich beschwichtigen; man versagte keinem den Pardon, da keiner die Mühe lohnte mit ihm eine Ausnahme zu machen. Um zu erkennen, wie plötzlich nach dem Bekanntwerden der Beschlüsse von Luca der Ton in den aristokratischen Kreisen umschlug, ist es der Mühe werth die kurz zuvor von Cicero ausgegangenen Broschüren mit der Pali- nodie zu vergleichen, die er ausgehen lieſs, um seine Reue und seine guten Vorsätze öffentlich zu constatiren **. Wie es ihnen gefiel und gründlicher als zuvor konnten also die Machthaber die italischen Verhältnisse ordnen. Italien und die Hauptstadt erhielten thatsächlich eine wenn auch nicht unter den Waffen versammelte Besatzung und einen der Machthaber zum Commandanten. Von den für Syrien und Spanien durch Crassus und Pompeius ausgehobenen Truppen gingen zwar die ersteren * Me asinum germanum fuisse. ** Diese Palinodie ist die noch vorhandene Rede über die den Consuln des J. 699 anzuweisenden Provinzen. Sie ist Ausgang Mai 698 gehalten; die Gegenstücke dazu sind die Reden für Sestius und gegen Vatinius und die über das Gutachten der etruskischen Wahrsager aus den Monaten März und April, in denen das aristokratische Regime nach Kräften verherrlicht und namentlich Caesar in sehr cavalierem Ton behandelt wird. Man kann es nur billigen, daſs Cicero, wie er selbst gesteht, selbst vertrauten Freun- den jene Palinodie zu übersenden sich schämte.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/305>, abgerufen am 15.05.2024.