Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII. einem Worte die Zukunft des Vaterlandes daran. Um diese Er-oberung ungestört vollenden zu können und nicht gleich jetzt die Entwirrung der italischen Verhältnisse in die Hand nehmen zu müssen, gab er unbedenklich seinen politischen Vortheil daran und gewährte Pompeius hinreichende Macht, um mit dem Senat und dessen Anhang fertig zu werden. Es war das ein arger po- litischer Fehler, wenn Caesar nichts wollte als möglichst rasch König von Rom werden; allein der Ehrgeiz des seltenen Mannes beschränkte sich nicht auf das niedrige Ziel einer Krone. Er traute es sich zu die beiden gleich ungeheuren Arbeiten: der Ord- nung der inneren Verhältnisse Italiens und der Gewinnung und Sicherung eines neuen und frischen Bodens für die italische Ci- vilisation, neben einander zu betreiben und zu vollenden. Natür- lich kreuzten sich diese Aufgaben; seine gallischen Eroberungen haben ihn auf seinem Wege zum Thron viel mehr noch gehemmt als gefördert. Es trug ihm bittere Früchte, dass er die italische Revolution, statt sie im J. 698 zu erledigen, auf das J. 706 hin- ausschob. Allein als Staatsmann wie als Feldherr war Caesar ein überverwegener Spieler, der, sich selber vertrauend wie seine Gegner verachtend, ihnen immer viel und mitunter über alles Mass hinaus vorgab. Es war nun also an der Aristokratie ihren hohen Einsatz * Cato war noch nicht in Rom, als Cicero am 11. März 698 für Sestius
sprach (pro Sest. 28, 60) und als im Senat in Folge der Beschlüsse von Luca über Caesars Legionen verhandelt ward (Plut. Caes. 21); erst bei den Verhandlungen im Anfang 699 finden wir ihn wieder thätig, und da er im Winter reiste (Plut. Cato min. 38), kehrte er also Ende 698 nach Rom zurück. Er kann daher auch nicht, wie man missverständlich aus Asconius p. 35. 53) gefolgert hat, im Febr. 698 Milo vertheidigt haben. FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII. einem Worte die Zukunft des Vaterlandes daran. Um diese Er-oberung ungestört vollenden zu können und nicht gleich jetzt die Entwirrung der italischen Verhältnisse in die Hand nehmen zu müssen, gab er unbedenklich seinen politischen Vortheil daran und gewährte Pompeius hinreichende Macht, um mit dem Senat und dessen Anhang fertig zu werden. Es war das ein arger po- litischer Fehler, wenn Caesar nichts wollte als möglichst rasch König von Rom werden; allein der Ehrgeiz des seltenen Mannes beschränkte sich nicht auf das niedrige Ziel einer Krone. Er traute es sich zu die beiden gleich ungeheuren Arbeiten: der Ord- nung der inneren Verhältnisse Italiens und der Gewinnung und Sicherung eines neuen und frischen Bodens für die italische Ci- vilisation, neben einander zu betreiben und zu vollenden. Natür- lich kreuzten sich diese Aufgaben; seine gallischen Eroberungen haben ihn auf seinem Wege zum Thron viel mehr noch gehemmt als gefördert. Es trug ihm bittere Früchte, daſs er die italische Revolution, statt sie im J. 698 zu erledigen, auf das J. 706 hin- ausschob. Allein als Staatsmann wie als Feldherr war Caesar ein überverwegener Spieler, der, sich selber vertrauend wie seine Gegner verachtend, ihnen immer viel und mitunter über alles Maſs hinaus vorgab. Es war nun also an der Aristokratie ihren hohen Einsatz * Cato war noch nicht in Rom, als Cicero am 11. März 698 für Sestius
sprach (pro Sest. 28, 60) und als im Senat in Folge der Beschlüsse von Luca über Caesars Legionen verhandelt ward (Plut. Caes. 21); erst bei den Verhandlungen im Anfang 699 finden wir ihn wieder thätig, und da er im Winter reiste (Plut. Cato min. 38), kehrte er also Ende 698 nach Rom zurück. Er kann daher auch nicht, wie man miſsverständlich aus Asconius p. 35. 53) gefolgert hat, im Febr. 698 Milo vertheidigt haben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0304" n="294"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.</fw><lb/> einem Worte die Zukunft des Vaterlandes daran. Um diese Er-<lb/> oberung ungestört vollenden zu können und nicht gleich jetzt die<lb/> Entwirrung der italischen Verhältnisse in die Hand nehmen zu<lb/> müssen, gab er unbedenklich seinen politischen Vortheil daran<lb/> und gewährte Pompeius hinreichende Macht, um mit dem Senat<lb/> und dessen Anhang fertig zu werden. Es war das ein arger po-<lb/> litischer Fehler, wenn Caesar nichts wollte als möglichst rasch<lb/> König von Rom werden; allein der Ehrgeiz des seltenen Mannes<lb/> beschränkte sich nicht auf das niedrige Ziel einer Krone. Er<lb/> traute es sich zu die beiden gleich ungeheuren Arbeiten: der Ord-<lb/> nung der inneren Verhältnisse Italiens und der Gewinnung und<lb/> Sicherung eines neuen und frischen Bodens für die italische Ci-<lb/> vilisation, neben einander zu betreiben und zu vollenden. Natür-<lb/> lich kreuzten sich diese Aufgaben; seine gallischen Eroberungen<lb/> haben ihn auf seinem Wege zum Thron viel mehr noch gehemmt<lb/> als gefördert. Es trug ihm bittere Früchte, daſs er die italische<lb/> Revolution, statt sie im J. 698 zu erledigen, auf das J. 706 hin-<lb/> ausschob. Allein als Staatsmann wie als Feldherr war Caesar ein<lb/> überverwegener Spieler, der, sich selber vertrauend wie seine<lb/> Gegner verachtend, ihnen immer viel und mitunter über alles<lb/> Maſs hinaus vorgab.</p><lb/> <p>Es war nun also an der Aristokratie ihren hohen Einsatz<lb/> gut zu machen und den Krieg so kühn zu führen, wie sie kühn<lb/> ihn erklärt hatte. Allein es giebt kein kläglicheres Schauspiel, als<lb/> wenn feige Menschen das Unglück haben einen muthigen Ent-<lb/> schluſs zu fassen. Man hatte sich eben auf gar nichts vorgesehen.<lb/> Keinem schien es beigefallen zu sein, daſs Caesar möglicher Weise<lb/> sich zur Wehre setzen, daſs nun gar Pompeius und Crsasus sich<lb/> mit ihm aufs Neue und enger als je vereinigen würden. Das<lb/> scheint unglaublich; man begreift es, wenn man die Persönlich-<lb/> keiten ins Auge faſst, die damals die verfassungstreue Opposition<lb/> im Senate führten. Cato war noch abwesend<note place="foot" n="*">Cato war noch nicht in Rom, als Cicero am 11. März 698 für Sestius<lb/> sprach (<hi rendition="#i">pro Sest.</hi> 28, 60) und als im Senat in Folge der Beschlüsse von<lb/> Luca über Caesars Legionen verhandelt ward (Plut. <hi rendition="#i">Caes.</hi> 21); erst bei<lb/> den Verhandlungen im Anfang 699 finden wir ihn wieder thätig, und da er<lb/> im Winter reiste (Plut. <hi rendition="#i">Cato min.</hi> 38), kehrte er also Ende 698 nach Rom<lb/> zurück. Er kann daher auch nicht, wie man miſsverständlich aus Asconius<lb/><hi rendition="#i">p.</hi> 35. 53) gefolgert hat, im Febr. 698 Milo vertheidigt haben.</note>; der einfluſs-<lb/> reichste Mann im Senat war in dieser Zeit Marcus Bibulus, der<lb/> Held des passiven Widerstandes, der eigensinnigste und stumpf-<lb/> sinnigste aller Consulare. Man hatte die Waffen bloſs ergriffen um<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [294/0304]
FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
einem Worte die Zukunft des Vaterlandes daran. Um diese Er-
oberung ungestört vollenden zu können und nicht gleich jetzt die
Entwirrung der italischen Verhältnisse in die Hand nehmen zu
müssen, gab er unbedenklich seinen politischen Vortheil daran
und gewährte Pompeius hinreichende Macht, um mit dem Senat
und dessen Anhang fertig zu werden. Es war das ein arger po-
litischer Fehler, wenn Caesar nichts wollte als möglichst rasch
König von Rom werden; allein der Ehrgeiz des seltenen Mannes
beschränkte sich nicht auf das niedrige Ziel einer Krone. Er
traute es sich zu die beiden gleich ungeheuren Arbeiten: der Ord-
nung der inneren Verhältnisse Italiens und der Gewinnung und
Sicherung eines neuen und frischen Bodens für die italische Ci-
vilisation, neben einander zu betreiben und zu vollenden. Natür-
lich kreuzten sich diese Aufgaben; seine gallischen Eroberungen
haben ihn auf seinem Wege zum Thron viel mehr noch gehemmt
als gefördert. Es trug ihm bittere Früchte, daſs er die italische
Revolution, statt sie im J. 698 zu erledigen, auf das J. 706 hin-
ausschob. Allein als Staatsmann wie als Feldherr war Caesar ein
überverwegener Spieler, der, sich selber vertrauend wie seine
Gegner verachtend, ihnen immer viel und mitunter über alles
Maſs hinaus vorgab.
Es war nun also an der Aristokratie ihren hohen Einsatz
gut zu machen und den Krieg so kühn zu führen, wie sie kühn
ihn erklärt hatte. Allein es giebt kein kläglicheres Schauspiel, als
wenn feige Menschen das Unglück haben einen muthigen Ent-
schluſs zu fassen. Man hatte sich eben auf gar nichts vorgesehen.
Keinem schien es beigefallen zu sein, daſs Caesar möglicher Weise
sich zur Wehre setzen, daſs nun gar Pompeius und Crsasus sich
mit ihm aufs Neue und enger als je vereinigen würden. Das
scheint unglaublich; man begreift es, wenn man die Persönlich-
keiten ins Auge faſst, die damals die verfassungstreue Opposition
im Senate führten. Cato war noch abwesend *; der einfluſs-
reichste Mann im Senat war in dieser Zeit Marcus Bibulus, der
Held des passiven Widerstandes, der eigensinnigste und stumpf-
sinnigste aller Consulare. Man hatte die Waffen bloſs ergriffen um
* Cato war noch nicht in Rom, als Cicero am 11. März 698 für Sestius
sprach (pro Sest. 28, 60) und als im Senat in Folge der Beschlüsse von
Luca über Caesars Legionen verhandelt ward (Plut. Caes. 21); erst bei
den Verhandlungen im Anfang 699 finden wir ihn wieder thätig, und da er
im Winter reiste (Plut. Cato min. 38), kehrte er also Ende 698 nach Rom
zurück. Er kann daher auch nicht, wie man miſsverständlich aus Asconius
p. 35. 53) gefolgert hat, im Febr. 698 Milo vertheidigt haben.
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