Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. ihm gelang, was nicht gerade wahrscheinlich war, noch jetzteine Coalition mit der Aristokratie zu Stande zu bringen, so war doch auch dieses nothgedrungen und im letzten Augen- blick abgeschlossene Bündniss der Gegner nicht eben furcht- bar; schwerlich hat Caesar, um dies abzuwenden, sich zu jenen Concessionen verstanden. Eine ernstliche Rivalität des Cras- sus Caesar gegenüber war vollends unmöglich. Es ist schwer zu sagen, welche Motive Caesar bestimmten seine überlegene Stellung ohne Noth aufzugeben und, was er seinem Nebenbuh- ler selbst bei Abschluss des Bundes 694 versagt und was die- ser seitdem, in der offenbaren Absicht gegen Caesar gerüstet zu sein, auf verschiedenen Wegen ohne, ja gegen Caesars Wil- len vergeblich angestrebt hatte, das zweite Consulat und die militärische Macht, jetzt freiwillig ihm einzuräumen. Allerdings ward Pompeius neue Macht einigermassen aufgewogen durch die seines alten Feindes und Caesars langjährigen Verbündeten Crassus, und unzweifelhaft erhielt Crassus seine ansehnliche mi- litärische Stellung nur als Gegengewicht gegen Pompeius neue Macht. Allein nichts desto weniger verlor Caesar unendlich, in- dem sein Rival für seine bisherige Machtlosigkeit eine reelle, wenn auch durch einen Dritten aufgewogene Machtstellung ein- tauschte. Es ist möglich, dass Caesar sich seiner Soldaten noch nicht hinreichend Herr fühlte um sie in den Krieg gegen die for- mellen Autoritäten des Landes mit Zuversicht zu führen; allein ob es zum Bürgerkriege kam oder nicht, stand augenblicklich weit mehr bei der hauptstädtischen Aristokratie als bei Pompeius, und es wäre dies höchstens ein Grund für Caesar gewesen nicht offen mit Pompeius zu brechen, um nicht durch diesen Bruch die Opposition zu ermuthigen, nicht aber ihm das zuzugestehen, was er ihm zugestand. Rein persönliche Motive mochten mitwir- ken: es kann sein, dass Caesar sich erinnerte einstmals in glei- cher Machtlosigkeit Pompeius gegenüber gestanden zu haben und nur durch dessen freilich mehr schwach- als grossmüthiges Zu- rücktreten vom Untergang gerettet worden zu sein; es ist wahr- scheinlich, dass Caesar sich scheute das Herz seiner geliebten und ihren Gemahl aufrichtig liebenden Tochter zu zerreissen -- in seiner Seele war für vieles Raum noch neben dem Staatsmann. Allein die entscheidende Ursache war unzweifelhaft die Rücksicht auf Gallien. Caesar betrachtete -- anders als seine Biographen -- die Unterwerfung Galliens nicht als eine zur Gewinnung der Krone ihm nützliche beiläufige Unternehmung, sondern es hing ihm die äussere Sicherheit und die innere Reorganisation, mit POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. ihm gelang, was nicht gerade wahrscheinlich war, noch jetzteine Coalition mit der Aristokratie zu Stande zu bringen, so war doch auch dieses nothgedrungen und im letzten Augen- blick abgeschlossene Bündniſs der Gegner nicht eben furcht- bar; schwerlich hat Caesar, um dies abzuwenden, sich zu jenen Concessionen verstanden. Eine ernstliche Rivalität des Cras- sus Caesar gegenüber war vollends unmöglich. Es ist schwer zu sagen, welche Motive Caesar bestimmten seine überlegene Stellung ohne Noth aufzugeben und, was er seinem Nebenbuh- ler selbst bei Abschluſs des Bundes 694 versagt und was die- ser seitdem, in der offenbaren Absicht gegen Caesar gerüstet zu sein, auf verschiedenen Wegen ohne, ja gegen Caesars Wil- len vergeblich angestrebt hatte, das zweite Consulat und die militärische Macht, jetzt freiwillig ihm einzuräumen. Allerdings ward Pompeius neue Macht einigermaſsen aufgewogen durch die seines alten Feindes und Caesars langjährigen Verbündeten Crassus, und unzweifelhaft erhielt Crassus seine ansehnliche mi- litärische Stellung nur als Gegengewicht gegen Pompeius neue Macht. Allein nichts desto weniger verlor Caesar unendlich, in- dem sein Rival für seine bisherige Machtlosigkeit eine reelle, wenn auch durch einen Dritten aufgewogene Machtstellung ein- tauschte. Es ist möglich, daſs Caesar sich seiner Soldaten noch nicht hinreichend Herr fühlte um sie in den Krieg gegen die for- mellen Autoritäten des Landes mit Zuversicht zu führen; allein ob es zum Bürgerkriege kam oder nicht, stand augenblicklich weit mehr bei der hauptstädtischen Aristokratie als bei Pompeius, und es wäre dies höchstens ein Grund für Caesar gewesen nicht offen mit Pompeius zu brechen, um nicht durch diesen Bruch die Opposition zu ermuthigen, nicht aber ihm das zuzugestehen, was er ihm zugestand. Rein persönliche Motive mochten mitwir- ken: es kann sein, daſs Caesar sich erinnerte einstmals in glei- cher Machtlosigkeit Pompeius gegenüber gestanden zu haben und nur durch dessen freilich mehr schwach- als groſsmüthiges Zu- rücktreten vom Untergang gerettet worden zu sein; es ist wahr- scheinlich, daſs Caesar sich scheute das Herz seiner geliebten und ihren Gemahl aufrichtig liebenden Tochter zu zerreiſsen — in seiner Seele war für vieles Raum noch neben dem Staatsmann. Allein die entscheidende Ursache war unzweifelhaft die Rücksicht auf Gallien. Caesar betrachtete — anders als seine Biographen — die Unterwerfung Galliens nicht als eine zur Gewinnung der Krone ihm nützliche beiläufige Unternehmung, sondern es hing ihm die äuſsere Sicherheit und die innere Reorganisation, mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0303" n="293"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.</fw><lb/> ihm gelang, was nicht gerade wahrscheinlich war, noch jetzt<lb/> eine Coalition mit der Aristokratie zu Stande zu bringen, so<lb/> war doch auch dieses nothgedrungen und im letzten Augen-<lb/> blick abgeschlossene Bündniſs der Gegner nicht eben furcht-<lb/> bar; schwerlich hat Caesar, um dies abzuwenden, sich zu jenen<lb/> Concessionen verstanden. Eine ernstliche Rivalität des Cras-<lb/> sus Caesar gegenüber war vollends unmöglich. 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Es ist möglich, daſs Caesar sich seiner Soldaten noch<lb/> nicht hinreichend Herr fühlte um sie in den Krieg gegen die for-<lb/> mellen Autoritäten des Landes mit Zuversicht zu führen; allein<lb/> ob es zum Bürgerkriege kam oder nicht, stand augenblicklich<lb/> weit mehr bei der hauptstädtischen Aristokratie als bei Pompeius,<lb/> und es wäre dies höchstens ein Grund für Caesar gewesen nicht<lb/> offen mit Pompeius zu brechen, um nicht durch diesen Bruch<lb/> die Opposition zu ermuthigen, nicht aber ihm das zuzugestehen,<lb/> was er ihm zugestand. 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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
ihm gelang, was nicht gerade wahrscheinlich war, noch jetzt
eine Coalition mit der Aristokratie zu Stande zu bringen, so
war doch auch dieses nothgedrungen und im letzten Augen-
blick abgeschlossene Bündniſs der Gegner nicht eben furcht-
bar; schwerlich hat Caesar, um dies abzuwenden, sich zu jenen
Concessionen verstanden. Eine ernstliche Rivalität des Cras-
sus Caesar gegenüber war vollends unmöglich. Es ist schwer
zu sagen, welche Motive Caesar bestimmten seine überlegene
Stellung ohne Noth aufzugeben und, was er seinem Nebenbuh-
ler selbst bei Abschluſs des Bundes 694 versagt und was die-
ser seitdem, in der offenbaren Absicht gegen Caesar gerüstet
zu sein, auf verschiedenen Wegen ohne, ja gegen Caesars Wil-
len vergeblich angestrebt hatte, das zweite Consulat und die
militärische Macht, jetzt freiwillig ihm einzuräumen. Allerdings
ward Pompeius neue Macht einigermaſsen aufgewogen durch
die seines alten Feindes und Caesars langjährigen Verbündeten
Crassus, und unzweifelhaft erhielt Crassus seine ansehnliche mi-
litärische Stellung nur als Gegengewicht gegen Pompeius neue
Macht. Allein nichts desto weniger verlor Caesar unendlich, in-
dem sein Rival für seine bisherige Machtlosigkeit eine reelle,
wenn auch durch einen Dritten aufgewogene Machtstellung ein-
tauschte. Es ist möglich, daſs Caesar sich seiner Soldaten noch
nicht hinreichend Herr fühlte um sie in den Krieg gegen die for-
mellen Autoritäten des Landes mit Zuversicht zu führen; allein
ob es zum Bürgerkriege kam oder nicht, stand augenblicklich
weit mehr bei der hauptstädtischen Aristokratie als bei Pompeius,
und es wäre dies höchstens ein Grund für Caesar gewesen nicht
offen mit Pompeius zu brechen, um nicht durch diesen Bruch
die Opposition zu ermuthigen, nicht aber ihm das zuzugestehen,
was er ihm zugestand. Rein persönliche Motive mochten mitwir-
ken: es kann sein, daſs Caesar sich erinnerte einstmals in glei-
cher Machtlosigkeit Pompeius gegenüber gestanden zu haben und
nur durch dessen freilich mehr schwach- als groſsmüthiges Zu-
rücktreten vom Untergang gerettet worden zu sein; es ist wahr-
scheinlich, daſs Caesar sich scheute das Herz seiner geliebten und
ihren Gemahl aufrichtig liebenden Tochter zu zerreiſsen — in
seiner Seele war für vieles Raum noch neben dem Staatsmann.
Allein die entscheidende Ursache war unzweifelhaft die Rücksicht
auf Gallien. Caesar betrachtete — anders als seine Biographen
— die Unterwerfung Galliens nicht als eine zur Gewinnung der
Krone ihm nützliche beiläufige Unternehmung, sondern es hing
ihm die äuſsere Sicherheit und die innere Reorganisation, mit
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