Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS RÜCKTRITT. selbst wieder bestimmt durch das damalige Verhältniss der Par-teien zu Pompeius, das sehr eigenthümlicher Art war. Als Feld- herr der Demokratie war Pompeius nach dem Osten gegangen. Er hatte Ursache genug mit Caesar und seinem Anhang unzu- frieden zu sein, aber ein offener Bruch war nicht erfolgt. Es ist wahrscheinlich, dass Pompeius, der weit entfernt und mit andern Dingen beschäftigt war, überdies der Gabe sich politisch zu orientiren durchaus entbehrte, den Umfang und den Zusammen- hang der gegen ihn gesponnenen demokratischen Umtriebe da- mals wenigstens keineswegs durchschaute, vielleicht sogar in seiner hochmüthigen und kurzsichtigen Weise einen gewissen Stolz darein setzte diese Maulwurfsthätigkeit zu ignoriren. Dazu kam, was bei einem Charakter von Pompeius Art sehr ins Ge- wicht fiel, dass die Demokratie den äusseren Respect gegen den grossen Mann nie aus den Augen gesetzt, ja eben jetzt (691), un- aufgefordert wie er es liebte, ihm durch einen besonderen Volks- schluss unerhörte Ehren und Decorationen gewährt hatte (S. 141). Indess wäre auch alles dies nicht gewesen, so lag es in Pom- peius eigenem wohlverstandenem Interesse sich wenigstens äus- serlich fortwährend zur Popularpartei zu halten; Demokratie und Monarchie stehen in so enger Wahlverwandtschaft, dass Pom- peius um nach der Krone zu greifen nichts besseres thun konnte als sich zum Vorfechter der Volksrechte aufwerfen. Wenn also persönliche und politische Gründe zusammenwirkten, um trotz allem Vorgefallenen Pompeius und die Führer der Demokratie wieder einander zu nähern, so öffnete dagegen die Kluft, die ihn von seinen ehemaligen Parteigenossen trennte, sich immer wei- ter und immer tiefer. Sein Hader mit Metellus und Lucullus über- trug sich auf deren ausgedehnte und einflussreiche Coterien. Eine kleinliche und für einen so kleinlich zugeschnittenen Charakter eben ihrer Kleinlichkeit wegen um so tiefer erbitternde Opposi- tion des Senats hatte ihn auf seiner ganzen Feldherrnlaufbahn begleitet. Er empfand es schmerzlich, dass der Senat nicht das Geringste gethan um den ausserordentlichen Mann nach Ver- dienst, das heisst ausserordentlich zu ehren. Nicht aus der Acht ist es ferner zu lassen, dass die Aristokratie eben damals von ihrem frischen Siege berauscht, die Demokratie tief gedemüthigt war und dass die Aristokratie von dem bocksteifen und halb närrischen Cato, die Demokratie von dem schmiegsamen Meister der Intrigue Caesar geleitet ward. -- In diese Verhältnisse traf das Auftreten des von Pompeius gesandten Emissärs. Die Ari- stokratie betrachtete nicht bloss die Anträge, die derselbe zu POMPEIUS RÜCKTRITT. selbst wieder bestimmt durch das damalige Verhältniſs der Par-teien zu Pompeius, das sehr eigenthümlicher Art war. Als Feld- herr der Demokratie war Pompeius nach dem Osten gegangen. Er hatte Ursache genug mit Caesar und seinem Anhang unzu- frieden zu sein, aber ein offener Bruch war nicht erfolgt. Es ist wahrscheinlich, daſs Pompeius, der weit entfernt und mit andern Dingen beschäftigt war, überdies der Gabe sich politisch zu orientiren durchaus entbehrte, den Umfang und den Zusammen- hang der gegen ihn gesponnenen demokratischen Umtriebe da- mals wenigstens keineswegs durchschaute, vielleicht sogar in seiner hochmüthigen und kurzsichtigen Weise einen gewissen Stolz darein setzte diese Maulwurfsthätigkeit zu ignoriren. Dazu kam, was bei einem Charakter von Pompeius Art sehr ins Ge- wicht fiel, daſs die Demokratie den äuſseren Respect gegen den groſsen Mann nie aus den Augen gesetzt, ja eben jetzt (691), un- aufgefordert wie er es liebte, ihm durch einen besonderen Volks- schluſs unerhörte Ehren und Decorationen gewährt hatte (S. 141). Indeſs wäre auch alles dies nicht gewesen, so lag es in Pom- peius eigenem wohlverstandenem Interesse sich wenigstens äus- serlich fortwährend zur Popularpartei zu halten; Demokratie und Monarchie stehen in so enger Wahlverwandtschaft, daſs Pom- peius um nach der Krone zu greifen nichts besseres thun konnte als sich zum Vorfechter der Volksrechte aufwerfen. Wenn also persönliche und politische Gründe zusammenwirkten, um trotz allem Vorgefallenen Pompeius und die Führer der Demokratie wieder einander zu nähern, so öffnete dagegen die Kluft, die ihn von seinen ehemaligen Parteigenossen trennte, sich immer wei- ter und immer tiefer. Sein Hader mit Metellus und Lucullus über- trug sich auf deren ausgedehnte und einfluſsreiche Coterien. Eine kleinliche und für einen so kleinlich zugeschnittenen Charakter eben ihrer Kleinlichkeit wegen um so tiefer erbitternde Opposi- tion des Senats hatte ihn auf seiner ganzen Feldherrnlaufbahn begleitet. Er empfand es schmerzlich, daſs der Senat nicht das Geringste gethan um den auſserordentlichen Mann nach Ver- dienst, das heiſst auſserordentlich zu ehren. Nicht aus der Acht ist es ferner zu lassen, daſs die Aristokratie eben damals von ihrem frischen Siege berauscht, die Demokratie tief gedemüthigt war und daſs die Aristokratie von dem bocksteifen und halb närrischen Cato, die Demokratie von dem schmiegsamen Meister der Intrigue Caesar geleitet ward. — In diese Verhältnisse traf das Auftreten des von Pompeius gesandten Emissärs. Die Ari- stokratie betrachtete nicht bloſs die Anträge, die derselbe zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0193" n="183"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS RÜCKTRITT.</fw><lb/> selbst wieder bestimmt durch das damalige Verhältniſs der Par-<lb/> teien zu Pompeius, das sehr eigenthümlicher Art war. Als Feld-<lb/> herr der Demokratie war Pompeius nach dem Osten gegangen.<lb/> Er hatte Ursache genug mit Caesar und seinem Anhang unzu-<lb/> frieden zu sein, aber ein offener Bruch war nicht erfolgt. Es ist<lb/> wahrscheinlich, daſs Pompeius, der weit entfernt und mit andern<lb/> Dingen beschäftigt war, überdies der Gabe sich politisch zu<lb/> orientiren durchaus entbehrte, den Umfang und den Zusammen-<lb/> hang der gegen ihn gesponnenen demokratischen Umtriebe da-<lb/> mals wenigstens keineswegs durchschaute, vielleicht sogar in<lb/> seiner hochmüthigen und kurzsichtigen Weise einen gewissen<lb/> Stolz darein setzte diese Maulwurfsthätigkeit zu ignoriren. Dazu<lb/> kam, was bei einem Charakter von Pompeius Art sehr ins Ge-<lb/> wicht fiel, daſs die Demokratie den äuſseren Respect gegen den<lb/> groſsen Mann nie aus den Augen gesetzt, ja eben jetzt (691), un-<lb/> aufgefordert wie er es liebte, ihm durch einen besonderen Volks-<lb/> schluſs unerhörte Ehren und Decorationen gewährt hatte (S. 141).<lb/> Indeſs wäre auch alles dies nicht gewesen, so lag es in Pom-<lb/> peius eigenem wohlverstandenem Interesse sich wenigstens äus-<lb/> serlich fortwährend zur Popularpartei zu halten; Demokratie und<lb/> Monarchie stehen in so enger Wahlverwandtschaft, daſs Pom-<lb/> peius um nach der Krone zu greifen nichts besseres thun konnte<lb/> als sich zum Vorfechter der Volksrechte aufwerfen. Wenn also<lb/> persönliche und politische Gründe zusammenwirkten, um trotz<lb/> allem Vorgefallenen Pompeius und die Führer der Demokratie<lb/> wieder einander zu nähern, so öffnete dagegen die Kluft, die ihn<lb/> von seinen ehemaligen Parteigenossen trennte, sich immer wei-<lb/> ter und immer tiefer. Sein Hader mit Metellus und Lucullus über-<lb/> trug sich auf deren ausgedehnte und einfluſsreiche Coterien. Eine<lb/> kleinliche und für einen so kleinlich zugeschnittenen Charakter<lb/> eben ihrer Kleinlichkeit wegen um so tiefer erbitternde Opposi-<lb/> tion des Senats hatte ihn auf seiner ganzen Feldherrnlaufbahn<lb/> begleitet. Er empfand es schmerzlich, daſs der Senat nicht das<lb/> Geringste gethan um den auſserordentlichen Mann nach Ver-<lb/> dienst, das heiſst auſserordentlich zu ehren. Nicht aus der Acht<lb/> ist es ferner zu lassen, daſs die Aristokratie eben damals von<lb/> ihrem frischen Siege berauscht, die Demokratie tief gedemüthigt<lb/> war und daſs die Aristokratie von dem bocksteifen und halb<lb/> närrischen Cato, die Demokratie von dem schmiegsamen Meister<lb/> der Intrigue Caesar geleitet ward. — In diese Verhältnisse traf<lb/> das Auftreten des von Pompeius gesandten Emissärs. Die Ari-<lb/> stokratie betrachtete nicht bloſs die Anträge, die derselbe zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0193]
POMPEIUS RÜCKTRITT.
selbst wieder bestimmt durch das damalige Verhältniſs der Par-
teien zu Pompeius, das sehr eigenthümlicher Art war. Als Feld-
herr der Demokratie war Pompeius nach dem Osten gegangen.
Er hatte Ursache genug mit Caesar und seinem Anhang unzu-
frieden zu sein, aber ein offener Bruch war nicht erfolgt. Es ist
wahrscheinlich, daſs Pompeius, der weit entfernt und mit andern
Dingen beschäftigt war, überdies der Gabe sich politisch zu
orientiren durchaus entbehrte, den Umfang und den Zusammen-
hang der gegen ihn gesponnenen demokratischen Umtriebe da-
mals wenigstens keineswegs durchschaute, vielleicht sogar in
seiner hochmüthigen und kurzsichtigen Weise einen gewissen
Stolz darein setzte diese Maulwurfsthätigkeit zu ignoriren. Dazu
kam, was bei einem Charakter von Pompeius Art sehr ins Ge-
wicht fiel, daſs die Demokratie den äuſseren Respect gegen den
groſsen Mann nie aus den Augen gesetzt, ja eben jetzt (691), un-
aufgefordert wie er es liebte, ihm durch einen besonderen Volks-
schluſs unerhörte Ehren und Decorationen gewährt hatte (S. 141).
Indeſs wäre auch alles dies nicht gewesen, so lag es in Pom-
peius eigenem wohlverstandenem Interesse sich wenigstens äus-
serlich fortwährend zur Popularpartei zu halten; Demokratie und
Monarchie stehen in so enger Wahlverwandtschaft, daſs Pom-
peius um nach der Krone zu greifen nichts besseres thun konnte
als sich zum Vorfechter der Volksrechte aufwerfen. Wenn also
persönliche und politische Gründe zusammenwirkten, um trotz
allem Vorgefallenen Pompeius und die Führer der Demokratie
wieder einander zu nähern, so öffnete dagegen die Kluft, die ihn
von seinen ehemaligen Parteigenossen trennte, sich immer wei-
ter und immer tiefer. Sein Hader mit Metellus und Lucullus über-
trug sich auf deren ausgedehnte und einfluſsreiche Coterien. Eine
kleinliche und für einen so kleinlich zugeschnittenen Charakter
eben ihrer Kleinlichkeit wegen um so tiefer erbitternde Opposi-
tion des Senats hatte ihn auf seiner ganzen Feldherrnlaufbahn
begleitet. Er empfand es schmerzlich, daſs der Senat nicht das
Geringste gethan um den auſserordentlichen Mann nach Ver-
dienst, das heiſst auſserordentlich zu ehren. Nicht aus der Acht
ist es ferner zu lassen, daſs die Aristokratie eben damals von
ihrem frischen Siege berauscht, die Demokratie tief gedemüthigt
war und daſs die Aristokratie von dem bocksteifen und halb
närrischen Cato, die Demokratie von dem schmiegsamen Meister
der Intrigue Caesar geleitet ward. — In diese Verhältnisse traf
das Auftreten des von Pompeius gesandten Emissärs. Die Ari-
stokratie betrachtete nicht bloſs die Anträge, die derselbe zu
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