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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI.
der liberalen Kaufmannschaft an bis hinab zu den Anarchisten,
eine der natürlichen Entwickelung der Dinge zuwiderlaufende Re-
stauration durchzusetzen vermocht. Pompeius Aufgabe war weit
minder schwer. Er kam zurück, nachdem er zur See und zu
Lande seine verschiedenen Aufgaben vollständig und gewissenhaft
gelöst hatte. Er durfte erwarten auf keine andere ernstliche Op-
position zu treffen als auf die der verschiedenen extremen Par-
teien, von denen jede einzeln gar nichts vermochte und die selbst
verbündet immer nicht mehr waren als eine Coalition eben noch
hitzig sich befehdender und innerlich gründlich entzweiter Factio-
nen. Vollkommen ungerüstet waren sie ohne Heer und Haupt,
ohne Organisation in Italien, ohne Rückhalt in den Provinzen,
vor allen Dingen ohne einen Feldherrn; es war in ihren Reihen
kaum ein namhafter Militär, geschweige denn ein Offizier, der es
hätte wagen dürfen die Bürger zum Kampfe gegen Pompeius auf-
zurufen. Auch das durfte in Anschlag kommen, dass der jetzt
seit siebzig Jahren rastlos flammende Vulcan der Revolution an-
fing an seiner eigenen Gluth zu ermatten. Es war sehr zweifel-
haft, ob es jetzt noch gelingen werde die Italiker so für Partei-
interessen zu bewaffnen, wie Cinna und Carbo dies vermocht
hatten. Wenn Pompeius zugriff, wie konnte es ihm fehlen eine
Staatsumwälzung durchzusetzen, die in der organischen Ent-
wickelung des römischen Gemeinwesens mit einer gewissen Na-
turnothwendigkeit vorgezeichnet war?

Pompeius hatte den Moment erfasst, indem er die Mission
nach dem Orient übernahm; er schien fortfahren zu wollen. Im
Herbste des J. 691 traf Quintus Metellus Nepos aus dem Lager
des Pompeius in der Hauptstadt ein und trat auf als Bewerber
um das Tribunat, in der ausgesprochenen Absicht als Volkstribun
Pompeius das Consulat für das nächste Jahr und durch speciel-
len Volksbeschluss die Führung des Krieges gegen Catilina zu
verschaffen. Die Aufregung in Rom war gewaltig. Es war nicht
zu bezweifeln, dass Nepos im directen oder indirecten Auftrag
des Pompeius handelte; Pompeius Begehren die höchste bürger-
liche und militärische Gewalt in Italien zu verwalten und daselbst
an der Spitze seiner asiatischen Legionen wiederum als Feld-
herr aufzutreten schien ein weiterer Schritt auf dem Wege zum
Throne. Nepos Sendung ward aufgefasst als die halbofficielle
Ankündigung der Monarchie. -- Es kam alles darauf an, wie
die beiden grossen politischen Parteien zu diesen Eröffnungen
sich verhielten; ihre künftige Stellung und die Zukunft der Nation
hingen davon ab. Die Aufnahme aber, die Nepos fand, ward

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI.
der liberalen Kaufmannschaft an bis hinab zu den Anarchisten,
eine der natürlichen Entwickelung der Dinge zuwiderlaufende Re-
stauration durchzusetzen vermocht. Pompeius Aufgabe war weit
minder schwer. Er kam zurück, nachdem er zur See und zu
Lande seine verschiedenen Aufgaben vollständig und gewissenhaft
gelöst hatte. Er durfte erwarten auf keine andere ernstliche Op-
position zu treffen als auf die der verschiedenen extremen Par-
teien, von denen jede einzeln gar nichts vermochte und die selbst
verbündet immer nicht mehr waren als eine Coalition eben noch
hitzig sich befehdender und innerlich gründlich entzweiter Factio-
nen. Vollkommen ungerüstet waren sie ohne Heer und Haupt,
ohne Organisation in Italien, ohne Rückhalt in den Provinzen,
vor allen Dingen ohne einen Feldherrn; es war in ihren Reihen
kaum ein namhafter Militär, geschweige denn ein Offizier, der es
hätte wagen dürfen die Bürger zum Kampfe gegen Pompeius auf-
zurufen. Auch das durfte in Anschlag kommen, daſs der jetzt
seit siebzig Jahren rastlos flammende Vulcan der Revolution an-
fing an seiner eigenen Gluth zu ermatten. Es war sehr zweifel-
haft, ob es jetzt noch gelingen werde die Italiker so für Partei-
interessen zu bewaffnen, wie Cinna und Carbo dies vermocht
hatten. Wenn Pompeius zugriff, wie konnte es ihm fehlen eine
Staatsumwälzung durchzusetzen, die in der organischen Ent-
wickelung des römischen Gemeinwesens mit einer gewissen Na-
turnothwendigkeit vorgezeichnet war?

Pompeius hatte den Moment erfaſst, indem er die Mission
nach dem Orient übernahm; er schien fortfahren zu wollen. Im
Herbste des J. 691 traf Quintus Metellus Nepos aus dem Lager
des Pompeius in der Hauptstadt ein und trat auf als Bewerber
um das Tribunat, in der ausgesprochenen Absicht als Volkstribun
Pompeius das Consulat für das nächste Jahr und durch speciel-
len Volksbeschluſs die Führung des Krieges gegen Catilina zu
verschaffen. Die Aufregung in Rom war gewaltig. Es war nicht
zu bezweifeln, daſs Nepos im directen oder indirecten Auftrag
des Pompeius handelte; Pompeius Begehren die höchste bürger-
liche und militärische Gewalt in Italien zu verwalten und daselbst
an der Spitze seiner asiatischen Legionen wiederum als Feld-
herr aufzutreten schien ein weiterer Schritt auf dem Wege zum
Throne. Nepos Sendung ward aufgefaſst als die halbofficielle
Ankündigung der Monarchie. — Es kam alles darauf an, wie
die beiden groſsen politischen Parteien zu diesen Eröffnungen
sich verhielten; ihre künftige Stellung und die Zukunft der Nation
hingen davon ab. Die Aufnahme aber, die Nepos fand, ward

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[182/0192] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI. der liberalen Kaufmannschaft an bis hinab zu den Anarchisten, eine der natürlichen Entwickelung der Dinge zuwiderlaufende Re- stauration durchzusetzen vermocht. Pompeius Aufgabe war weit minder schwer. Er kam zurück, nachdem er zur See und zu Lande seine verschiedenen Aufgaben vollständig und gewissenhaft gelöst hatte. Er durfte erwarten auf keine andere ernstliche Op- position zu treffen als auf die der verschiedenen extremen Par- teien, von denen jede einzeln gar nichts vermochte und die selbst verbündet immer nicht mehr waren als eine Coalition eben noch hitzig sich befehdender und innerlich gründlich entzweiter Factio- nen. Vollkommen ungerüstet waren sie ohne Heer und Haupt, ohne Organisation in Italien, ohne Rückhalt in den Provinzen, vor allen Dingen ohne einen Feldherrn; es war in ihren Reihen kaum ein namhafter Militär, geschweige denn ein Offizier, der es hätte wagen dürfen die Bürger zum Kampfe gegen Pompeius auf- zurufen. Auch das durfte in Anschlag kommen, daſs der jetzt seit siebzig Jahren rastlos flammende Vulcan der Revolution an- fing an seiner eigenen Gluth zu ermatten. Es war sehr zweifel- haft, ob es jetzt noch gelingen werde die Italiker so für Partei- interessen zu bewaffnen, wie Cinna und Carbo dies vermocht hatten. Wenn Pompeius zugriff, wie konnte es ihm fehlen eine Staatsumwälzung durchzusetzen, die in der organischen Ent- wickelung des römischen Gemeinwesens mit einer gewissen Na- turnothwendigkeit vorgezeichnet war? Pompeius hatte den Moment erfaſst, indem er die Mission nach dem Orient übernahm; er schien fortfahren zu wollen. Im Herbste des J. 691 traf Quintus Metellus Nepos aus dem Lager des Pompeius in der Hauptstadt ein und trat auf als Bewerber um das Tribunat, in der ausgesprochenen Absicht als Volkstribun Pompeius das Consulat für das nächste Jahr und durch speciel- len Volksbeschluſs die Führung des Krieges gegen Catilina zu verschaffen. Die Aufregung in Rom war gewaltig. Es war nicht zu bezweifeln, daſs Nepos im directen oder indirecten Auftrag des Pompeius handelte; Pompeius Begehren die höchste bürger- liche und militärische Gewalt in Italien zu verwalten und daselbst an der Spitze seiner asiatischen Legionen wiederum als Feld- herr aufzutreten schien ein weiterer Schritt auf dem Wege zum Throne. Nepos Sendung ward aufgefaſst als die halbofficielle Ankündigung der Monarchie. — Es kam alles darauf an, wie die beiden groſsen politischen Parteien zu diesen Eröffnungen sich verhielten; ihre künftige Stellung und die Zukunft der Nation hingen davon ab. Die Aufnahme aber, die Nepos fand, ward

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/192>, abgerufen am 29.11.2024.