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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI.
Pompeius Gunsten ankündigte, als eine Kriegserklärung gegen
die bestehende Verfassung, sondern behandelte sie auch öffentlich
als solche und gab sich nicht die mindeste Mühe ihre Besorgniss
und ihren Ingrimm zu verhehlen: in der ausgesprochenen Ab-
sicht diese Anträge zu bekämpfen liess sich Marcus Cato mit Ne-
pos zugleich zum Volkstribun wählen und wies Pompeius wieder-
holten Versuch sich ihm persönlich zu nähern schroff zurück. Es
ist begreiflich, dass Nepos hienach sich nicht veranlasst fand die
Aristokratie zu schonen und sich den Demokraten um so bereit-
williger anschloss, als diese, geschmeidig wie immer, in das Un-
vermeidliche sich fügten und das Consulat wie das Feldherrnamt
in Italien lieber freiwillig zugestanden als es mit den Waffen sich
abzwingen liessen. Das herzliche Einverständniss offenbarte sich
bald. Nepos bekannte sich (Dec. 693) öffentlich zu der demo-
kratischen Auffassung der von der Senatsmajorität kürzlich ver-
fügten Executionen als verfassungswidriger Justizmorde; und dass
auch sein Herr und Meister sie nicht anders ansah, bewies sein
bedeutsames Stillschweigen über die voluminöse Rechtfertigungs-
schrift, die ihm Cicero übersandt hatte. Andrerseits war es der
erste Act, womit Caesar seine Prätur eröffnete, dass er den Quin-
tus Catulus wegen bei dem Wiederaufbau des capitolinischen
Tempels angeblich von ihm unterschlagener Gelder zur Rechen-
schaft zog und die Vollendung des Tempels oder vielmehr des-
sen Einweihung -- denn der Bau war im Wesentlichen beendet
-- an Pompeius übertrug. Indem er also diesem die Aussicht
eröffnete an dieser stolzesten Stätte der stolzesten Stadt des Erd-
kreises seinen Namen einzugraben, ward die Aristokratie, die
doch ihren besten Mann nicht fallen lassen konnte, auf die är-
gerlichste Weise mit Pompeius verwickelt. -- Inzwischen hatte
Nepos seine Pompeius betreffenden Anträge bei der Bürger-
schaft eingebracht. Am Tage der Abstimmung intercedirten Cato
und sein Freund und College Quintus Minucius. Als Nepos sich
daran nicht kehrte und mit der Verlesung fortfuhr, kam es zu
einem förmlichen Handgemenge: Cato und Minucius warfen sich
über ihren Collegen und zwangen ihn innezuhalten, bis eine be-
waffnete Schaar ihn befreite und die Gegner vom Markte ver-
trieb. Aber Cato und Minucius kamen wieder, nun gleichfalls von
bewaffneten Haufen begleitet, und behaupteten schliesslich das
Schlachtfeld für die Regierung. Durch diesen Sieg ihrer Bande
über die des Gegners ermuthigt suspendirte der Senat den Tri-
bun Nepos so wie den Prätor Caesar, der denselben bei der
Einbringung des Gesetzes nach Kräften unterstützt hatte, von

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI.
Pompeius Gunsten ankündigte, als eine Kriegserklärung gegen
die bestehende Verfassung, sondern behandelte sie auch öffentlich
als solche und gab sich nicht die mindeste Mühe ihre Besorgniſs
und ihren Ingrimm zu verhehlen: in der ausgesprochenen Ab-
sicht diese Anträge zu bekämpfen lieſs sich Marcus Cato mit Ne-
pos zugleich zum Volkstribun wählen und wies Pompeius wieder-
holten Versuch sich ihm persönlich zu nähern schroff zurück. Es
ist begreiflich, daſs Nepos hienach sich nicht veranlaſst fand die
Aristokratie zu schonen und sich den Demokraten um so bereit-
williger anschloſs, als diese, geschmeidig wie immer, in das Un-
vermeidliche sich fügten und das Consulat wie das Feldherrnamt
in Italien lieber freiwillig zugestanden als es mit den Waffen sich
abzwingen lieſsen. Das herzliche Einverständniſs offenbarte sich
bald. Nepos bekannte sich (Dec. 693) öffentlich zu der demo-
kratischen Auffassung der von der Senatsmajorität kürzlich ver-
fügten Executionen als verfassungswidriger Justizmorde; und daſs
auch sein Herr und Meister sie nicht anders ansah, bewies sein
bedeutsames Stillschweigen über die voluminöse Rechtfertigungs-
schrift, die ihm Cicero übersandt hatte. Andrerseits war es der
erste Act, womit Caesar seine Prätur eröffnete, daſs er den Quin-
tus Catulus wegen bei dem Wiederaufbau des capitolinischen
Tempels angeblich von ihm unterschlagener Gelder zur Rechen-
schaft zog und die Vollendung des Tempels oder vielmehr des-
sen Einweihung — denn der Bau war im Wesentlichen beendet
— an Pompeius übertrug. Indem er also diesem die Aussicht
eröffnete an dieser stolzesten Stätte der stolzesten Stadt des Erd-
kreises seinen Namen einzugraben, ward die Aristokratie, die
doch ihren besten Mann nicht fallen lassen konnte, auf die är-
gerlichste Weise mit Pompeius verwickelt. — Inzwischen hatte
Nepos seine Pompeius betreffenden Anträge bei der Bürger-
schaft eingebracht. Am Tage der Abstimmung intercedirten Cato
und sein Freund und College Quintus Minucius. Als Nepos sich
daran nicht kehrte und mit der Verlesung fortfuhr, kam es zu
einem förmlichen Handgemenge: Cato und Minucius warfen sich
über ihren Collegen und zwangen ihn innezuhalten, bis eine be-
waffnete Schaar ihn befreite und die Gegner vom Markte ver-
trieb. Aber Cato und Minucius kamen wieder, nun gleichfalls von
bewaffneten Haufen begleitet, und behaupteten schlieſslich das
Schlachtfeld für die Regierung. Durch diesen Sieg ihrer Bande
über die des Gegners ermuthigt suspendirte der Senat den Tri-
bun Nepos so wie den Prätor Caesar, der denselben bei der
Einbringung des Gesetzes nach Kräften unterstützt hatte, von

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[184/0194] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI. Pompeius Gunsten ankündigte, als eine Kriegserklärung gegen die bestehende Verfassung, sondern behandelte sie auch öffentlich als solche und gab sich nicht die mindeste Mühe ihre Besorgniſs und ihren Ingrimm zu verhehlen: in der ausgesprochenen Ab- sicht diese Anträge zu bekämpfen lieſs sich Marcus Cato mit Ne- pos zugleich zum Volkstribun wählen und wies Pompeius wieder- holten Versuch sich ihm persönlich zu nähern schroff zurück. Es ist begreiflich, daſs Nepos hienach sich nicht veranlaſst fand die Aristokratie zu schonen und sich den Demokraten um so bereit- williger anschloſs, als diese, geschmeidig wie immer, in das Un- vermeidliche sich fügten und das Consulat wie das Feldherrnamt in Italien lieber freiwillig zugestanden als es mit den Waffen sich abzwingen lieſsen. Das herzliche Einverständniſs offenbarte sich bald. Nepos bekannte sich (Dec. 693) öffentlich zu der demo- kratischen Auffassung der von der Senatsmajorität kürzlich ver- fügten Executionen als verfassungswidriger Justizmorde; und daſs auch sein Herr und Meister sie nicht anders ansah, bewies sein bedeutsames Stillschweigen über die voluminöse Rechtfertigungs- schrift, die ihm Cicero übersandt hatte. Andrerseits war es der erste Act, womit Caesar seine Prätur eröffnete, daſs er den Quin- tus Catulus wegen bei dem Wiederaufbau des capitolinischen Tempels angeblich von ihm unterschlagener Gelder zur Rechen- schaft zog und die Vollendung des Tempels oder vielmehr des- sen Einweihung — denn der Bau war im Wesentlichen beendet — an Pompeius übertrug. Indem er also diesem die Aussicht eröffnete an dieser stolzesten Stätte der stolzesten Stadt des Erd- kreises seinen Namen einzugraben, ward die Aristokratie, die doch ihren besten Mann nicht fallen lassen konnte, auf die är- gerlichste Weise mit Pompeius verwickelt. — Inzwischen hatte Nepos seine Pompeius betreffenden Anträge bei der Bürger- schaft eingebracht. Am Tage der Abstimmung intercedirten Cato und sein Freund und College Quintus Minucius. Als Nepos sich daran nicht kehrte und mit der Verlesung fortfuhr, kam es zu einem förmlichen Handgemenge: Cato und Minucius warfen sich über ihren Collegen und zwangen ihn innezuhalten, bis eine be- waffnete Schaar ihn befreite und die Gegner vom Markte ver- trieb. Aber Cato und Minucius kamen wieder, nun gleichfalls von bewaffneten Haufen begleitet, und behaupteten schlieſslich das Schlachtfeld für die Regierung. Durch diesen Sieg ihrer Bande über die des Gegners ermuthigt suspendirte der Senat den Tri- bun Nepos so wie den Prätor Caesar, der denselben bei der Einbringung des Gesetzes nach Kräften unterstützt hatte, von

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/194>, abgerufen am 03.05.2024.