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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT.
Crassus und Caesar, die Catilinas Bewerbung um das Consulat
unterstützten. Als Caesar 690 die Schergen Sullas vor das Mord-
gericht zog (S. 155), liess er die übrigen verurtheilen, den schul-
digsten und schändlichsten aber von ihnen allen, den Catilina frei-
sprechen. Bei den Enthüllungen des dritten December wurden
zwar die Namen der beiden einflussreichen Männer nicht geradezu
auf die Anklageliste gesetzt, allein es sprachen doch gegen sie noch
ganz andere Dinge als die Anschuldigungen des Catulus. Es ist
notorisch, dass die Denuncianten nicht bloss die bekannten Na-
men nannten, sondern ausserdem noch auf ,viele Unschuldige'
aussagten, die der Consul Cicero aus dem Verzeichniss zu streichen
für gut fand; und in späteren Jahren, als er keine Ursache hatte
die Wahrheit zu entstellen, hat eben er ausdrücklich Caesar unter
den Mitwissern genannt. Eine indirecte, aber sehr verständliche
Bezichtigung liegt auch darin, dass von den vier am dritten De-
cember Verhafteten die beiden am wenigsten gefährlichen Statilius
und Gabinius den Senatoren Caesar und Crassus zur Bewachung
übergeben wurden; offenbar sollten sie entweder, wenn sie sie
entrinnen liessen, vor der öffentlichen Meinung als Mitschuldige,
oder, wenn sie in der That sie festhielten, vor ihren Mitverschwo-
renen als Abtrünnige compromittirt werden. Bezeichnend für
die Situation ist die folgende im Senat vorgefallene Scene. Un-
mittelbar nach der Verhaftung des Lentulus und seiner Genossen
wurde ein aus Rom an Catilina abgesandter Bote von den Agen-
ten der Regierung aufgegriffen. Nachdem ihm Straflosigkeit zu-
gesichert war, begann er in voller Senatssitzung ein umfassendes
Geständniss abzulegen. Wie er an die bedenklichen Theile seiner
Confession kam und namentlich als seinen Auftraggeber den Cras-
sus nannte, ward er von den Senatoren unterbrochen und auf Ci-
ceros Vorschlag beschlossen die ganze Angabe ohne weitere Un-
tersuchung zu cassiren, ihren Urheber aber ungeachtet der zuge-
sicherten Amnestie so lange einzusperren, bis er nicht bloss die
Angabe zurückgenommen, sondern auch bekannt haben werde,
wer ihn zu solchem falschen Zeugniss aufgestiftet habe! Hier liegt
es deutlich zu Tage, nicht bloss dass jener Mann die Verhältnisse
recht genau kannte, der auf die Aufforderung einen Angriff auf
Crassus zu machen zur Antwort gab, er habe keine Lust den Stier
der Heerde zu reizen, sondern auch dass die Senatsmajorität, Ci-
cero an der Spitze, unter sich einig geworden war die Enthüllun-
gen nicht über eine bestimmte Grenze fortzusetzen. Das Publicum
war so heikel nicht; die jungen Leute, die zur Abwehr der Mord-
brenner die Waffen ergriffen hatten, waren gegen keinen so er-

DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT.
Crassus und Caesar, die Catilinas Bewerbung um das Consulat
unterstützten. Als Caesar 690 die Schergen Sullas vor das Mord-
gericht zog (S. 155), lieſs er die übrigen verurtheilen, den schul-
digsten und schändlichsten aber von ihnen allen, den Catilina frei-
sprechen. Bei den Enthüllungen des dritten December wurden
zwar die Namen der beiden einfluſsreichen Männer nicht geradezu
auf die Anklageliste gesetzt, allein es sprachen doch gegen sie noch
ganz andere Dinge als die Anschuldigungen des Catulus. Es ist
notorisch, daſs die Denuncianten nicht bloſs die bekannten Na-
men nannten, sondern auſserdem noch auf ‚viele Unschuldige‘
aussagten, die der Consul Cicero aus dem Verzeichniſs zu streichen
für gut fand; und in späteren Jahren, als er keine Ursache hatte
die Wahrheit zu entstellen, hat eben er ausdrücklich Caesar unter
den Mitwissern genannt. Eine indirecte, aber sehr verständliche
Bezichtigung liegt auch darin, daſs von den vier am dritten De-
cember Verhafteten die beiden am wenigsten gefährlichen Statilius
und Gabinius den Senatoren Caesar und Crassus zur Bewachung
übergeben wurden; offenbar sollten sie entweder, wenn sie sie
entrinnen lieſsen, vor der öffentlichen Meinung als Mitschuldige,
oder, wenn sie in der That sie festhielten, vor ihren Mitverschwo-
renen als Abtrünnige compromittirt werden. Bezeichnend für
die Situation ist die folgende im Senat vorgefallene Scene. Un-
mittelbar nach der Verhaftung des Lentulus und seiner Genossen
wurde ein aus Rom an Catilina abgesandter Bote von den Agen-
ten der Regierung aufgegriffen. Nachdem ihm Straflosigkeit zu-
gesichert war, begann er in voller Senatssitzung ein umfassendes
Geständniſs abzulegen. Wie er an die bedenklichen Theile seiner
Confession kam und namentlich als seinen Auftraggeber den Cras-
sus nannte, ward er von den Senatoren unterbrochen und auf Ci-
ceros Vorschlag beschlossen die ganze Angabe ohne weitere Un-
tersuchung zu cassiren, ihren Urheber aber ungeachtet der zuge-
sicherten Amnestie so lange einzusperren, bis er nicht bloſs die
Angabe zurückgenommen, sondern auch bekannt haben werde,
wer ihn zu solchem falschen Zeugniſs aufgestiftet habe! Hier liegt
es deutlich zu Tage, nicht bloſs daſs jener Mann die Verhältnisse
recht genau kannte, der auf die Aufforderung einen Angriff auf
Crassus zu machen zur Antwort gab, er habe keine Lust den Stier
der Heerde zu reizen, sondern auch daſs die Senatsmajorität, Ci-
cero an der Spitze, unter sich einig geworden war die Enthüllun-
gen nicht über eine bestimmte Grenze fortzusetzen. Das Publicum
war so heikel nicht; die jungen Leute, die zur Abwehr der Mord-
brenner die Waffen ergriffen hatten, waren gegen keinen so er-

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[175/0185] DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT. Crassus und Caesar, die Catilinas Bewerbung um das Consulat unterstützten. Als Caesar 690 die Schergen Sullas vor das Mord- gericht zog (S. 155), lieſs er die übrigen verurtheilen, den schul- digsten und schändlichsten aber von ihnen allen, den Catilina frei- sprechen. Bei den Enthüllungen des dritten December wurden zwar die Namen der beiden einfluſsreichen Männer nicht geradezu auf die Anklageliste gesetzt, allein es sprachen doch gegen sie noch ganz andere Dinge als die Anschuldigungen des Catulus. Es ist notorisch, daſs die Denuncianten nicht bloſs die bekannten Na- men nannten, sondern auſserdem noch auf ‚viele Unschuldige‘ aussagten, die der Consul Cicero aus dem Verzeichniſs zu streichen für gut fand; und in späteren Jahren, als er keine Ursache hatte die Wahrheit zu entstellen, hat eben er ausdrücklich Caesar unter den Mitwissern genannt. Eine indirecte, aber sehr verständliche Bezichtigung liegt auch darin, daſs von den vier am dritten De- cember Verhafteten die beiden am wenigsten gefährlichen Statilius und Gabinius den Senatoren Caesar und Crassus zur Bewachung übergeben wurden; offenbar sollten sie entweder, wenn sie sie entrinnen lieſsen, vor der öffentlichen Meinung als Mitschuldige, oder, wenn sie in der That sie festhielten, vor ihren Mitverschwo- renen als Abtrünnige compromittirt werden. Bezeichnend für die Situation ist die folgende im Senat vorgefallene Scene. Un- mittelbar nach der Verhaftung des Lentulus und seiner Genossen wurde ein aus Rom an Catilina abgesandter Bote von den Agen- ten der Regierung aufgegriffen. Nachdem ihm Straflosigkeit zu- gesichert war, begann er in voller Senatssitzung ein umfassendes Geständniſs abzulegen. Wie er an die bedenklichen Theile seiner Confession kam und namentlich als seinen Auftraggeber den Cras- sus nannte, ward er von den Senatoren unterbrochen und auf Ci- ceros Vorschlag beschlossen die ganze Angabe ohne weitere Un- tersuchung zu cassiren, ihren Urheber aber ungeachtet der zuge- sicherten Amnestie so lange einzusperren, bis er nicht bloſs die Angabe zurückgenommen, sondern auch bekannt haben werde, wer ihn zu solchem falschen Zeugniſs aufgestiftet habe! Hier liegt es deutlich zu Tage, nicht bloſs daſs jener Mann die Verhältnisse recht genau kannte, der auf die Aufforderung einen Angriff auf Crassus zu machen zur Antwort gab, er habe keine Lust den Stier der Heerde zu reizen, sondern auch daſs die Senatsmajorität, Ci- cero an der Spitze, unter sich einig geworden war die Enthüllun- gen nicht über eine bestimmte Grenze fortzusetzen. Das Publicum war so heikel nicht; die jungen Leute, die zur Abwehr der Mord- brenner die Waffen ergriffen hatten, waren gegen keinen so er-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/185>, abgerufen am 27.11.2024.