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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
Schlachtfeldes wenig in Betracht; Catilina wie Petreius stellten
ihre zuverlässigsten Leute in die vordersten Reihen; Quartier
ward weder gegeben noch genommen. Lange stand der Kampf
und von beiden Seiten fielen viele tapfere Männer; Catilina, der
vor dem Anfange der Schlacht sein Pferd und die der sämmt-
lichen Offiziere zurückgeschickt hatte, bewies an diesem Tage,
dass ihn die Natur zu nicht gewöhnlichen Dingen bestimmt hatte
und dass er es verstand zugleich als Feldherr zu commandiren
und als Soldat zu fechten. Endlich sprengte Petreius mit seiner
Garde das Centrum des Feindes und fasste, nachdem er dies ge-
worfen hatte, die beiden Flügel von innen; der Sieg war damit
entschieden. Die Leichen der Catilinarier -- man zählte ihrer
3000 -- deckten gleichsam in Reihe und Glied den Boden wo
sie gefochten hatten; die Offiziere und der Feldherr selbst hatten,
da alles verloren war, sich in die Feinde gestürzt und dort den
Tod gesucht und gefunden (Anfang 692). Antonius ward wegen
dieses Sieges vom Senat mit dem Imperatorentitel gebrandmarkt
und neue Dankfeste bewiesen, dass Regierung und Regierte an-
fingen sich an den Bürgerkrieg zu gewöhnen.

Das anarchische Complott war also in der Hauptstadt wie
in Italien mit blutiger Gewalt niedergeschlagen; man ward nur
noch an dasselbe erinnert durch die Criminalprozesse, die in den
etruskischen Landstädten und in der Hauptstadt unter den Affi-
liirten der geschlagenen Partei aufräumten, und durch die an-
schwellenden italischen Räuberbanden, wie deren zum Beispiel
eine aus den Resten der Heere des Spartacus und des Catilina
erwachsene im J. 694 im Gebiete von Thurii durch Militärgewalt
vernichtet ward. Aber es ist wichtig, es im Auge zu behalten,
dass der Schlag keineswegs bloss die eigentlichen Anarchisten, die
zur Anzündung der Hauptstadt sich verschworen und bei Pistoria
gefochten hatten, sondern die ganze demokratische Partei traf.
Dass diese, speciell Crassus und Caesar hier so gut wie bei dem
Complott von 688 die Hand im Spiele hatten, darf als eine zwar
nicht juristisch, aber historisch ausgemachte Thatsache angesehen
werden. Zwar dass Catulus und die übrigen Häupter der Senats-
partei den Führer der Demokraten der Mitwisserschaft um das
anarchistische Complott ziehen und dass dieser den von der
Senatspartei beabsichtigten brutalen Justizmord zu hindern ver-
suchte, konnte nur von der Parteichicane als Beweis seiner Be-
theiligung an den Plänen Catilinas geltend gemacht werden. Aber
mehr ins Gewicht fällt eine Reihe anderer Thatsachen. Nach aus-
drücklichen und unabweisbaren Zeugnissen waren es vor allem

FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
Schlachtfeldes wenig in Betracht; Catilina wie Petreius stellten
ihre zuverlässigsten Leute in die vordersten Reihen; Quartier
ward weder gegeben noch genommen. Lange stand der Kampf
und von beiden Seiten fielen viele tapfere Männer; Catilina, der
vor dem Anfange der Schlacht sein Pferd und die der sämmt-
lichen Offiziere zurückgeschickt hatte, bewies an diesem Tage,
daſs ihn die Natur zu nicht gewöhnlichen Dingen bestimmt hatte
und daſs er es verstand zugleich als Feldherr zu commandiren
und als Soldat zu fechten. Endlich sprengte Petreius mit seiner
Garde das Centrum des Feindes und faſste, nachdem er dies ge-
worfen hatte, die beiden Flügel von innen; der Sieg war damit
entschieden. Die Leichen der Catilinarier — man zählte ihrer
3000 — deckten gleichsam in Reihe und Glied den Boden wo
sie gefochten hatten; die Offiziere und der Feldherr selbst hatten,
da alles verloren war, sich in die Feinde gestürzt und dort den
Tod gesucht und gefunden (Anfang 692). Antonius ward wegen
dieses Sieges vom Senat mit dem Imperatorentitel gebrandmarkt
und neue Dankfeste bewiesen, daſs Regierung und Regierte an-
fingen sich an den Bürgerkrieg zu gewöhnen.

Das anarchische Complott war also in der Hauptstadt wie
in Italien mit blutiger Gewalt niedergeschlagen; man ward nur
noch an dasselbe erinnert durch die Criminalprozesse, die in den
etruskischen Landstädten und in der Hauptstadt unter den Affi-
liirten der geschlagenen Partei aufräumten, und durch die an-
schwellenden italischen Räuberbanden, wie deren zum Beispiel
eine aus den Resten der Heere des Spartacus und des Catilina
erwachsene im J. 694 im Gebiete von Thurii durch Militärgewalt
vernichtet ward. Aber es ist wichtig, es im Auge zu behalten,
daſs der Schlag keineswegs bloſs die eigentlichen Anarchisten, die
zur Anzündung der Hauptstadt sich verschworen und bei Pistoria
gefochten hatten, sondern die ganze demokratische Partei traf.
Daſs diese, speciell Crassus und Caesar hier so gut wie bei dem
Complott von 688 die Hand im Spiele hatten, darf als eine zwar
nicht juristisch, aber historisch ausgemachte Thatsache angesehen
werden. Zwar daſs Catulus und die übrigen Häupter der Senats-
partei den Führer der Demokraten der Mitwisserschaft um das
anarchistische Complott ziehen und daſs dieser den von der
Senatspartei beabsichtigten brutalen Justizmord zu hindern ver-
suchte, konnte nur von der Parteichicane als Beweis seiner Be-
theiligung an den Plänen Catilinas geltend gemacht werden. Aber
mehr ins Gewicht fällt eine Reihe anderer Thatsachen. Nach aus-
drücklichen und unabweisbaren Zeugnissen waren es vor allem

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[174/0184] FÜNFTES BUCH. KAPITEL V. Schlachtfeldes wenig in Betracht; Catilina wie Petreius stellten ihre zuverlässigsten Leute in die vordersten Reihen; Quartier ward weder gegeben noch genommen. Lange stand der Kampf und von beiden Seiten fielen viele tapfere Männer; Catilina, der vor dem Anfange der Schlacht sein Pferd und die der sämmt- lichen Offiziere zurückgeschickt hatte, bewies an diesem Tage, daſs ihn die Natur zu nicht gewöhnlichen Dingen bestimmt hatte und daſs er es verstand zugleich als Feldherr zu commandiren und als Soldat zu fechten. Endlich sprengte Petreius mit seiner Garde das Centrum des Feindes und faſste, nachdem er dies ge- worfen hatte, die beiden Flügel von innen; der Sieg war damit entschieden. Die Leichen der Catilinarier — man zählte ihrer 3000 — deckten gleichsam in Reihe und Glied den Boden wo sie gefochten hatten; die Offiziere und der Feldherr selbst hatten, da alles verloren war, sich in die Feinde gestürzt und dort den Tod gesucht und gefunden (Anfang 692). Antonius ward wegen dieses Sieges vom Senat mit dem Imperatorentitel gebrandmarkt und neue Dankfeste bewiesen, daſs Regierung und Regierte an- fingen sich an den Bürgerkrieg zu gewöhnen. Das anarchische Complott war also in der Hauptstadt wie in Italien mit blutiger Gewalt niedergeschlagen; man ward nur noch an dasselbe erinnert durch die Criminalprozesse, die in den etruskischen Landstädten und in der Hauptstadt unter den Affi- liirten der geschlagenen Partei aufräumten, und durch die an- schwellenden italischen Räuberbanden, wie deren zum Beispiel eine aus den Resten der Heere des Spartacus und des Catilina erwachsene im J. 694 im Gebiete von Thurii durch Militärgewalt vernichtet ward. Aber es ist wichtig, es im Auge zu behalten, daſs der Schlag keineswegs bloſs die eigentlichen Anarchisten, die zur Anzündung der Hauptstadt sich verschworen und bei Pistoria gefochten hatten, sondern die ganze demokratische Partei traf. Daſs diese, speciell Crassus und Caesar hier so gut wie bei dem Complott von 688 die Hand im Spiele hatten, darf als eine zwar nicht juristisch, aber historisch ausgemachte Thatsache angesehen werden. Zwar daſs Catulus und die übrigen Häupter der Senats- partei den Führer der Demokraten der Mitwisserschaft um das anarchistische Complott ziehen und daſs dieser den von der Senatspartei beabsichtigten brutalen Justizmord zu hindern ver- suchte, konnte nur von der Parteichicane als Beweis seiner Be- theiligung an den Plänen Catilinas geltend gemacht werden. Aber mehr ins Gewicht fällt eine Reihe anderer Thatsachen. Nach aus- drücklichen und unabweisbaren Zeugnissen waren es vor allem

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/184>, abgerufen am 27.11.2024.