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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
unter die Verschwörer verschlagen worden sei. Die fähigeren
Theilnehmer aber, wie den jungen Senator Gaius Cethegus und
die Ritter Lucius Statilius und Publius Gabinius Capito, durfte Ca-
talina nicht wagen an die Spitze zu stellen, da selbst unter den Ver-
schworenen noch die traditionelle Standeshierarchie ihren Platz
behauptete und auch die Anarchisten nicht meinten obsiegen zu
können, wenn nicht ein Consular oder mindestens ein Prätorier
an der Spitze stand. Darum entschloss sich Catalina, wie drin-
gend immer die Insurrectionsarmee nach ihrem Feldherrn ver-
langte und wie gefährlich auch nach den Vorgängen bei Faesulae
sein Verbleiben in Rom für ihn persönlich war, dennoch Rom
nicht zu verlassen, bevor daselbst nicht wenigstens der erste
Schritt zur Empörung gethan sei. Gewohnt durch seinen kecken
Uebermuth den feigen Gegnern zu imponiren zeigte er sich öf-
fentlich auf dem Markte wie im Rathhaus und antwortete auf die
Drohungen, die dort gegen ihn fielen, dass man sich hüten möge
ihn aufs Aeusserste zu treiben; wenn man ihm das Haus anzünde,
werde er genöthigt sein es niederzureissen um den Brand unter
Trümmern zu löschen. In der That wagten es weder Private noch
Behörden auf den gefährlichen Menschen die Hand zu legen; es
war ziemlich gleichgültig, dass ein junger Adlicher ihn wegen
Vergewaltigung vor Gericht zog, denn bevor der Prozess zu Ende
kommen konnte, musste längst anderweitig entschieden sein.
Aber auch Catilinas Entwürfe scheiterten; hauptsächlich daran,
dass die Agenten der Regierung sich in den Kreis der Verschwo-
renen gedrängt hatten und dieselbe stets von allem Detail des
Complotts genau unterrichtet hielten. Als zum Beispiel die Ver-
schworenen vor der wichtigen Festung Praeneste erschienen
(1. Nov.), die sie durch einen Handstreich zu überrumpeln ge-
hofft hatten, fanden sie die Besatzung gewarnt und verstärkt;
und so schlug alles fehl. Catilina fand bei all seiner Tollkühnheit
es doch gerathen Rom schleunig zu verlassen und setzte den
Tag seiner Abreise fest. In einer letzten Zusammenkunft der
Verschworenen in der Nacht vom 6. auf den 7. Nov. wurde auf
ernstliches Begehren Catilinas beschlossen den Consul Cicero, der
die Contremine hauptsächlich leitete, noch vor der Abreise des
Führers zu ermorden und, um jedem Verrath zuvorzukommen,
diesen Beschluss sogleich ins Werk zu setzen. Früh am Morgen
des 7. Nov. pochten die erkorenen Mörder an dem Hause des
Consuls; aber sie sahen die Wachen verstärkt und sich selber ab-
gewiesen -- auch diesmal hatten die Spione der Regierung den
Verschworenen den Rang abgelaufen. Am Tage darauf (8. Nov.)

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unter die Verschwörer verschlagen worden sei. Die fähigeren
Theilnehmer aber, wie den jungen Senator Gaius Cethegus und
die Ritter Lucius Statilius und Publius Gabinius Capito, durfte Ca-
talina nicht wagen an die Spitze zu stellen, da selbst unter den Ver-
schworenen noch die traditionelle Standeshierarchie ihren Platz
behauptete und auch die Anarchisten nicht meinten obsiegen zu
können, wenn nicht ein Consular oder mindestens ein Prätorier
an der Spitze stand. Darum entschloſs sich Catalina, wie drin-
gend immer die Insurrectionsarmee nach ihrem Feldherrn ver-
langte und wie gefährlich auch nach den Vorgängen bei Faesulae
sein Verbleiben in Rom für ihn persönlich war, dennoch Rom
nicht zu verlassen, bevor daselbst nicht wenigstens der erste
Schritt zur Empörung gethan sei. Gewohnt durch seinen kecken
Uebermuth den feigen Gegnern zu imponiren zeigte er sich öf-
fentlich auf dem Markte wie im Rathhaus und antwortete auf die
Drohungen, die dort gegen ihn fielen, daſs man sich hüten möge
ihn aufs Aeuſserste zu treiben; wenn man ihm das Haus anzünde,
werde er genöthigt sein es niederzureiſsen um den Brand unter
Trümmern zu löschen. In der That wagten es weder Private noch
Behörden auf den gefährlichen Menschen die Hand zu legen; es
war ziemlich gleichgültig, daſs ein junger Adlicher ihn wegen
Vergewaltigung vor Gericht zog, denn bevor der Prozeſs zu Ende
kommen konnte, muſste längst anderweitig entschieden sein.
Aber auch Catilinas Entwürfe scheiterten; hauptsächlich daran,
daſs die Agenten der Regierung sich in den Kreis der Verschwo-
renen gedrängt hatten und dieselbe stets von allem Detail des
Complotts genau unterrichtet hielten. Als zum Beispiel die Ver-
schworenen vor der wichtigen Festung Praeneste erschienen
(1. Nov.), die sie durch einen Handstreich zu überrumpeln ge-
hofft hatten, fanden sie die Besatzung gewarnt und verstärkt;
und so schlug alles fehl. Catilina fand bei all seiner Tollkühnheit
es doch gerathen Rom schleunig zu verlassen und setzte den
Tag seiner Abreise fest. In einer letzten Zusammenkunft der
Verschworenen in der Nacht vom 6. auf den 7. Nov. wurde auf
ernstliches Begehren Catilinas beschlossen den Consul Cicero, der
die Contremine hauptsächlich leitete, noch vor der Abreise des
Führers zu ermorden und, um jedem Verrath zuvorzukommen,
diesen Beschluſs sogleich ins Werk zu setzen. Früh am Morgen
des 7. Nov. pochten die erkorenen Mörder an dem Hause des
Consuls; aber sie sahen die Wachen verstärkt und sich selber ab-
gewiesen — auch diesmal hatten die Spione der Regierung den
Verschworenen den Rang abgelaufen. Am Tage darauf (8. Nov.)

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[168/0178] FÜNFTES BUCH. KAPITEL V. unter die Verschwörer verschlagen worden sei. Die fähigeren Theilnehmer aber, wie den jungen Senator Gaius Cethegus und die Ritter Lucius Statilius und Publius Gabinius Capito, durfte Ca- talina nicht wagen an die Spitze zu stellen, da selbst unter den Ver- schworenen noch die traditionelle Standeshierarchie ihren Platz behauptete und auch die Anarchisten nicht meinten obsiegen zu können, wenn nicht ein Consular oder mindestens ein Prätorier an der Spitze stand. Darum entschloſs sich Catalina, wie drin- gend immer die Insurrectionsarmee nach ihrem Feldherrn ver- langte und wie gefährlich auch nach den Vorgängen bei Faesulae sein Verbleiben in Rom für ihn persönlich war, dennoch Rom nicht zu verlassen, bevor daselbst nicht wenigstens der erste Schritt zur Empörung gethan sei. Gewohnt durch seinen kecken Uebermuth den feigen Gegnern zu imponiren zeigte er sich öf- fentlich auf dem Markte wie im Rathhaus und antwortete auf die Drohungen, die dort gegen ihn fielen, daſs man sich hüten möge ihn aufs Aeuſserste zu treiben; wenn man ihm das Haus anzünde, werde er genöthigt sein es niederzureiſsen um den Brand unter Trümmern zu löschen. In der That wagten es weder Private noch Behörden auf den gefährlichen Menschen die Hand zu legen; es war ziemlich gleichgültig, daſs ein junger Adlicher ihn wegen Vergewaltigung vor Gericht zog, denn bevor der Prozeſs zu Ende kommen konnte, muſste längst anderweitig entschieden sein. Aber auch Catilinas Entwürfe scheiterten; hauptsächlich daran, daſs die Agenten der Regierung sich in den Kreis der Verschwo- renen gedrängt hatten und dieselbe stets von allem Detail des Complotts genau unterrichtet hielten. Als zum Beispiel die Ver- schworenen vor der wichtigen Festung Praeneste erschienen (1. Nov.), die sie durch einen Handstreich zu überrumpeln ge- hofft hatten, fanden sie die Besatzung gewarnt und verstärkt; und so schlug alles fehl. Catilina fand bei all seiner Tollkühnheit es doch gerathen Rom schleunig zu verlassen und setzte den Tag seiner Abreise fest. In einer letzten Zusammenkunft der Verschworenen in der Nacht vom 6. auf den 7. Nov. wurde auf ernstliches Begehren Catilinas beschlossen den Consul Cicero, der die Contremine hauptsächlich leitete, noch vor der Abreise des Führers zu ermorden und, um jedem Verrath zuvorzukommen, diesen Beschluſs sogleich ins Werk zu setzen. Früh am Morgen des 7. Nov. pochten die erkorenen Mörder an dem Hause des Consuls; aber sie sahen die Wachen verstärkt und sich selber ab- gewiesen — auch diesmal hatten die Spione der Regierung den Verschworenen den Rang abgelaufen. Am Tage darauf (8. Nov.)

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/178>, abgerufen am 03.05.2024.