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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT.
Manlius bei Faesulae den Adler aufgepflanzt, um den die Armee
der Insurrection sich schaaren sollte -- es war einer der mari-
anischen aus dem kimbrischen Kriege -- und die Räuber aus den
Bergen wie das Landvolk aufgerufen sich ihm anzuschliessen.
Seine Proclamationen forderten, anknüpfend an die alten Tra-
ditionen der Volkspartei, Befreiung von der erdrückenden Schul-
denlast und Milderung des Schuldprocesses, der allerdings immer
noch, wenn der Schuldbestand in der That das Reinvermögen
überstieg, rechtlich den Verlust der Freiheit für den Schuldner
nach sich zog. Es schien, als wolle das hauptstädtische Gesindel,
indem es gleichsam als legitimer Nachfolger der alten plebejischen
Bauerschaft auftrat und unter den ruhmvollen Adlern des kim-
brischen Krieges seine Schlachten schlug, nicht bloss die Gegen-
wart, sondern auch die Vergangenheit Roms beschmutzen. In-
dess blieb diese Schilderhebung vereinzelt; in den andern Sam-
melpuncten kam die Verschwörung nicht hinaus über Waffen-
aufhäufung und Veranstaltung geheimer Zusammenkünfte, da es
überall an entschlossenen Führern gebrach. Es war ein Glück
für die Regierung; denn wie offen auch seit längerer Zeit der
bevorstehende Bürgerkrieg angekündigt ward, hatten doch die
eigene Unentschlossenheit und die Schwerfälligkeit der verroste-
ten Verwaltungsmaschinerie ihr nicht gestattet irgend welche
militärische Vorbereitungen zu treffen. Jetzt endlich ward der
Landsturm aufgerufen und wurden in die einzelnen Landschaf-
ten Italiens höhere Offiziere commandirt, um jeder in seinem
Bezirk die Insurrection zu unterdrücken. Aus der Hauptstadt
wurden die Fechtersclaven ausgewiesen und wegen der befürch-
teten Brandstiftungen Patrouillen angeordnet. Catilina war in
einer peinlichen Lage. Er sah wohl ein, dass mit dem bei Fae-
sulae sich sammelnden Haufen allein sein Plan nicht durchzu-
führen sei; alles lag ihm daran gleichzeitig die Insurrection in der
Hauptstadt zum Ausbruch zu bringen. Aber seinen Gehülfen da-
selbst mochte er das schwierige Unternehmen nicht anvertrauen.
Die angeseheneren unter denselben, Publius Lentulus Sura, Con-
sul 683, später aus dem Senat gestossen und jetzt, um in den
Senat zurückzugelangen, wieder Prätor, und die beiden gewesenen
Prätoren Publius Autronius und Lucius Cassius waren unfähige
Menschen, Lentulus ein gewöhnlicher Aristokrat von grossen
Worten und grossen Ansprüchen, aber langsam im Begreifen und
unentschlossen im Handeln, Autronius durch nichts ausgezeich-
net als durch seine gewaltige Kreischstimme; von Lucius Cassius
gar begriff es Niemand, wie ein so dicker und so einfältiger Mensch

DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT.
Manlius bei Faesulae den Adler aufgepflanzt, um den die Armee
der Insurrection sich schaaren sollte — es war einer der mari-
anischen aus dem kimbrischen Kriege — und die Räuber aus den
Bergen wie das Landvolk aufgerufen sich ihm anzuschlieſsen.
Seine Proclamationen forderten, anknüpfend an die alten Tra-
ditionen der Volkspartei, Befreiung von der erdrückenden Schul-
denlast und Milderung des Schuldprocesses, der allerdings immer
noch, wenn der Schuldbestand in der That das Reinvermögen
überstieg, rechtlich den Verlust der Freiheit für den Schuldner
nach sich zog. Es schien, als wolle das hauptstädtische Gesindel,
indem es gleichsam als legitimer Nachfolger der alten plebejischen
Bauerschaft auftrat und unter den ruhmvollen Adlern des kim-
brischen Krieges seine Schlachten schlug, nicht bloſs die Gegen-
wart, sondern auch die Vergangenheit Roms beschmutzen. In-
deſs blieb diese Schilderhebung vereinzelt; in den andern Sam-
melpuncten kam die Verschwörung nicht hinaus über Waffen-
aufhäufung und Veranstaltung geheimer Zusammenkünfte, da es
überall an entschlossenen Führern gebrach. Es war ein Glück
für die Regierung; denn wie offen auch seit längerer Zeit der
bevorstehende Bürgerkrieg angekündigt ward, hatten doch die
eigene Unentschlossenheit und die Schwerfälligkeit der verroste-
ten Verwaltungsmaschinerie ihr nicht gestattet irgend welche
militärische Vorbereitungen zu treffen. Jetzt endlich ward der
Landsturm aufgerufen und wurden in die einzelnen Landschaf-
ten Italiens höhere Offiziere commandirt, um jeder in seinem
Bezirk die Insurrection zu unterdrücken. Aus der Hauptstadt
wurden die Fechtersclaven ausgewiesen und wegen der befürch-
teten Brandstiftungen Patrouillen angeordnet. Catilina war in
einer peinlichen Lage. Er sah wohl ein, daſs mit dem bei Fae-
sulae sich sammelnden Haufen allein sein Plan nicht durchzu-
führen sei; alles lag ihm daran gleichzeitig die Insurrection in der
Hauptstadt zum Ausbruch zu bringen. Aber seinen Gehülfen da-
selbst mochte er das schwierige Unternehmen nicht anvertrauen.
Die angeseheneren unter denselben, Publius Lentulus Sura, Con-
sul 683, später aus dem Senat gestoſsen und jetzt, um in den
Senat zurückzugelangen, wieder Prätor, und die beiden gewesenen
Prätoren Publius Autronius und Lucius Cassius waren unfähige
Menschen, Lentulus ein gewöhnlicher Aristokrat von groſsen
Worten und groſsen Ansprüchen, aber langsam im Begreifen und
unentschlossen im Handeln, Autronius durch nichts ausgezeich-
net als durch seine gewaltige Kreischstimme; von Lucius Cassius
gar begriff es Niemand, wie ein so dicker und so einfältiger Mensch

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[167/0177] DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT. Manlius bei Faesulae den Adler aufgepflanzt, um den die Armee der Insurrection sich schaaren sollte — es war einer der mari- anischen aus dem kimbrischen Kriege — und die Räuber aus den Bergen wie das Landvolk aufgerufen sich ihm anzuschlieſsen. Seine Proclamationen forderten, anknüpfend an die alten Tra- ditionen der Volkspartei, Befreiung von der erdrückenden Schul- denlast und Milderung des Schuldprocesses, der allerdings immer noch, wenn der Schuldbestand in der That das Reinvermögen überstieg, rechtlich den Verlust der Freiheit für den Schuldner nach sich zog. Es schien, als wolle das hauptstädtische Gesindel, indem es gleichsam als legitimer Nachfolger der alten plebejischen Bauerschaft auftrat und unter den ruhmvollen Adlern des kim- brischen Krieges seine Schlachten schlug, nicht bloſs die Gegen- wart, sondern auch die Vergangenheit Roms beschmutzen. In- deſs blieb diese Schilderhebung vereinzelt; in den andern Sam- melpuncten kam die Verschwörung nicht hinaus über Waffen- aufhäufung und Veranstaltung geheimer Zusammenkünfte, da es überall an entschlossenen Führern gebrach. Es war ein Glück für die Regierung; denn wie offen auch seit längerer Zeit der bevorstehende Bürgerkrieg angekündigt ward, hatten doch die eigene Unentschlossenheit und die Schwerfälligkeit der verroste- ten Verwaltungsmaschinerie ihr nicht gestattet irgend welche militärische Vorbereitungen zu treffen. Jetzt endlich ward der Landsturm aufgerufen und wurden in die einzelnen Landschaf- ten Italiens höhere Offiziere commandirt, um jeder in seinem Bezirk die Insurrection zu unterdrücken. Aus der Hauptstadt wurden die Fechtersclaven ausgewiesen und wegen der befürch- teten Brandstiftungen Patrouillen angeordnet. Catilina war in einer peinlichen Lage. Er sah wohl ein, daſs mit dem bei Fae- sulae sich sammelnden Haufen allein sein Plan nicht durchzu- führen sei; alles lag ihm daran gleichzeitig die Insurrection in der Hauptstadt zum Ausbruch zu bringen. Aber seinen Gehülfen da- selbst mochte er das schwierige Unternehmen nicht anvertrauen. Die angeseheneren unter denselben, Publius Lentulus Sura, Con- sul 683, später aus dem Senat gestoſsen und jetzt, um in den Senat zurückzugelangen, wieder Prätor, und die beiden gewesenen Prätoren Publius Autronius und Lucius Cassius waren unfähige Menschen, Lentulus ein gewöhnlicher Aristokrat von groſsen Worten und groſsen Ansprüchen, aber langsam im Begreifen und unentschlossen im Handeln, Autronius durch nichts ausgezeich- net als durch seine gewaltige Kreischstimme; von Lucius Cassius gar begriff es Niemand, wie ein so dicker und so einfältiger Mensch

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/177>, abgerufen am 27.11.2024.