Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT. tigt werden dürfen und, ähnlich wie bei den Priesterwahlen (II,400), nur siebzehn durch Loos aus den fünfunddreissig zu be- stimmende Bezirke wählen. Es war ohne grossen Scharfsinn zu erkennen, dass man in diesem Zehnmännercollegium eine der des Pompeius nachgebildete, nur etwas weniger militärisch und mehr demokratisch gefärbte Gewalt zu schaffen beabsichtigte. Man bedurfte der Gerichtsbarkeit namentlich um die ägyptische Frage zu entscheiden, der Militärgewalt, um gegen Pompeius zu rüsten; die Clausel, welche die Wahl eines Abwesenden unter- sagte, schloss Pompeius aus und die Verminderung der stimm- berechtigten Bezirke so wie die Manipulation des Ausloosens sollten die Lenkung der Wahl im Sinne der Demokratie erleich- tern. -- Indess dieser Versuch verfehlte gänzlich sein Ziel. Die Menge, die es bequemer fand, das Getreide im Schatten der rö- mischen Hallen aus den öffentlichen Magazinen sich zumessen zu lassen, als es im Schweisse des Angesichts selber zu bauen, nahm den Antrag an sich schon mit vollkommener Gleichgültig- keit auf. Sie fühlte auch bald heraus, dass Pompeius einen sol- chen in jeder Hinsicht ihn verletzenden Entschluss sich nim- mermehr gefallen lasse werde und dass es nicht gut stehen könne mit einer Partei, die in ihrer peinlichen Angst sich zu so aus- schweifenden Anerbietungen herbeilasse. Unter solchen Umstän- den fand die Regierung es nicht schwer den Antrag zu vereiteln; der neue Consul Cicero säumte nicht sein Talent der geschlage- nen Partei einen nachträglichen letzten Stoss zu geben auch hier anzubringen; noch ehe die bereitstehenden Tribune intercedirten, zog der Urheber selbst den Vorschlag zurück (1. Jan. 691). Die Demokratie hatte nichts gewonnen als die unerfreuliche Beleh- rung, dass die grosse Menge in Liebe oder in Furcht fortwährend noch an Pompeius hing und dass jeder Antrag sicher fiel, den das Publicum als gegen Pompeius gerichtet erkannte. Ermüdet von all diesem vergeblichen Intriguiren und resul- DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT. tigt werden dürfen und, ähnlich wie bei den Priesterwahlen (II,400), nur siebzehn durch Loos aus den fünfunddreiſsig zu be- stimmende Bezirke wählen. Es war ohne groſsen Scharfsinn zu erkennen, daſs man in diesem Zehnmännercollegium eine der des Pompeius nachgebildete, nur etwas weniger militärisch und mehr demokratisch gefärbte Gewalt zu schaffen beabsichtigte. Man bedurfte der Gerichtsbarkeit namentlich um die ägyptische Frage zu entscheiden, der Militärgewalt, um gegen Pompeius zu rüsten; die Clausel, welche die Wahl eines Abwesenden unter- sagte, schloſs Pompeius aus und die Verminderung der stimm- berechtigten Bezirke so wie die Manipulation des Ausloosens sollten die Lenkung der Wahl im Sinne der Demokratie erleich- tern. — Indeſs dieser Versuch verfehlte gänzlich sein Ziel. Die Menge, die es bequemer fand, das Getreide im Schatten der rö- mischen Hallen aus den öffentlichen Magazinen sich zumessen zu lassen, als es im Schweiſse des Angesichts selber zu bauen, nahm den Antrag an sich schon mit vollkommener Gleichgültig- keit auf. Sie fühlte auch bald heraus, daſs Pompeius einen sol- chen in jeder Hinsicht ihn verletzenden Entschluſs sich nim- mermehr gefallen lasse werde und daſs es nicht gut stehen könne mit einer Partei, die in ihrer peinlichen Angst sich zu so aus- schweifenden Anerbietungen herbeilasse. Unter solchen Umstän- den fand die Regierung es nicht schwer den Antrag zu vereiteln; der neue Consul Cicero säumte nicht sein Talent der geschlage- nen Partei einen nachträglichen letzten Stoſs zu geben auch hier anzubringen; noch ehe die bereitstehenden Tribune intercedirten, zog der Urheber selbst den Vorschlag zurück (1. Jan. 691). Die Demokratie hatte nichts gewonnen als die unerfreuliche Beleh- rung, daſs die groſse Menge in Liebe oder in Furcht fortwährend noch an Pompeius hing und daſs jeder Antrag sicher fiel, den das Publicum als gegen Pompeius gerichtet erkannte. Ermüdet von all diesem vergeblichen Intriguiren und resul- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0175" n="165"/><fw place="top" type="header">DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT.</fw><lb/> tigt werden dürfen und, ähnlich wie bei den Priesterwahlen (II,<lb/> 400), nur siebzehn durch Loos aus den fünfunddreiſsig zu be-<lb/> stimmende Bezirke wählen. 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DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT.
tigt werden dürfen und, ähnlich wie bei den Priesterwahlen (II,
400), nur siebzehn durch Loos aus den fünfunddreiſsig zu be-
stimmende Bezirke wählen. Es war ohne groſsen Scharfsinn zu
erkennen, daſs man in diesem Zehnmännercollegium eine der
des Pompeius nachgebildete, nur etwas weniger militärisch und
mehr demokratisch gefärbte Gewalt zu schaffen beabsichtigte.
Man bedurfte der Gerichtsbarkeit namentlich um die ägyptische
Frage zu entscheiden, der Militärgewalt, um gegen Pompeius
zu rüsten; die Clausel, welche die Wahl eines Abwesenden unter-
sagte, schloſs Pompeius aus und die Verminderung der stimm-
berechtigten Bezirke so wie die Manipulation des Ausloosens
sollten die Lenkung der Wahl im Sinne der Demokratie erleich-
tern. — Indeſs dieser Versuch verfehlte gänzlich sein Ziel. Die
Menge, die es bequemer fand, das Getreide im Schatten der rö-
mischen Hallen aus den öffentlichen Magazinen sich zumessen
zu lassen, als es im Schweiſse des Angesichts selber zu bauen,
nahm den Antrag an sich schon mit vollkommener Gleichgültig-
keit auf. Sie fühlte auch bald heraus, daſs Pompeius einen sol-
chen in jeder Hinsicht ihn verletzenden Entschluſs sich nim-
mermehr gefallen lasse werde und daſs es nicht gut stehen könne
mit einer Partei, die in ihrer peinlichen Angst sich zu so aus-
schweifenden Anerbietungen herbeilasse. Unter solchen Umstän-
den fand die Regierung es nicht schwer den Antrag zu vereiteln;
der neue Consul Cicero säumte nicht sein Talent der geschlage-
nen Partei einen nachträglichen letzten Stoſs zu geben auch hier
anzubringen; noch ehe die bereitstehenden Tribune intercedirten,
zog der Urheber selbst den Vorschlag zurück (1. Jan. 691). Die
Demokratie hatte nichts gewonnen als die unerfreuliche Beleh-
rung, daſs die groſse Menge in Liebe oder in Furcht fortwährend
noch an Pompeius hing und daſs jeder Antrag sicher fiel, den
das Publicum als gegen Pompeius gerichtet erkannte.
Ermüdet von all diesem vergeblichen Intriguiren und resul-
tatlosen Planemachen beschloſs Catilina die Sache zur Entschei-
dung zu treiben und ein für alle Mal ein Ende zu machen. Es konnte
dies nur geschehen durch den Bürgerkrieg und er traf danach seine
Maſsregeln. Faesulae (Fiesole), eine sehr feste Stadt in dem von
Verarmten und Verschworenen wimmelnden Etrurien, war zum
Hauptquartier der Insurrection ausersehen. Dorthin gingen die
Geldsendungen, wozu namentlich die in die Verschwörung ver-
wickelten vornehmen Damen der Hauptstadt die Mittel hergaben;
dort wurden Waffen und Soldaten gesammelt; ein alter sullani-
scher Hauptmann Gaius Manlius, so tapfer und so frei von Ge-
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