Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL V. auch die Sehne gerissen war, es musste doch wieder versuchtwerden denselben Bogen zu spannen. Die Stadt war in dumpfer Gährung; häufige Conferenzen der Häupter der Bewegung deu- teten an, dass wieder etwas im Werke sei. Was das sei, ward offenbar, als die neuen Volkstribunen ihr Amt antraten (10. Dec. 690) und sogleich einer von ihnen, Publius Servilius Rullus, ein Ackergesetz beantragte, durch welches die Führer der Demokra- ten sich eine ähnliche Stellung zu verschaffen gedachten, wie sie in Folge der gabinisch-manilischen Anträge Pompeius einnahm. Der nominelle Zweck war die Gründung von Colonien in Italien, wozu der Boden indess nicht durch Expropriation gewonnen werden sollte -- vielmehr wurden alle bestehende Privatrechte garantirt, ja sogar die widerrechtlichen Occupationen der jüng- sten Zeit (S. 84) in volles Eigenthum umgewandelt. Nur die verpachtete campanische Domäne sollte parcelirt und colonisirt, im Uebrigen das zur Assignation bestimmte Land durch gewöhn- lichen Kauf von der Regierung erworben werden. Um die hiezu nöthigen Summen zu beschaffen, sollte alles italische und ausser- italische Domanialland -- mit Ausschluss der campanischen Do- mäne -- successiv zum Verkauf gebracht werden; worunter na- mentlich die ehemaligen königlichen Tafelgüter in Makedonien, dem thrakischen Chersones, Bithynien, Pontus, Kyrene, ferner die Gebiete der nach Kriegsrecht zu vollem Eigen gewonnenen Städte in Spanien, Africa, Sicilien, Hellas, Kilikien verstanden waren. Verkauft werden sollte imgleichen alles, was der Staat an beweglichem und unbeweglichem Gut seit dem J. 666 erworben und worüber er nicht früher verfügt hatte; wobei man haupt- sächlich zielte auf Aegypten und Kypros. Zu dem gleichen Zweck wurden alle unterthänigen Gemeinden mit Ausnahme der Städte latinischen Rechts und der sonstigen Freistädte mit sehr hoch gegriffenen Gefällen und Zehnten belastet. Ebenfalls ward dazu endlich bestimmt der Ertrag der neuen Provinzialgefälle, anzu- rechnen vom J. 692, und der Erlös aus der sämmtlichen noch nicht gesetzmässig verwandten Beute; welche Anordnung auf die neuen von Pompeius im Osten eröffneten Steuerquellen und auf die in den Händen des Pompeius und der Erben Sullas befindli- chen öffentlichen Gelder sich bezog. Zur Ausführung dieser Massregeln sollten Zehnmänner mit eigener Jurisdiction und eige- nem Imperium ernannt werden, welche fünf Jahre im Amte zu bleiben und mit 200 Unterbeamten aus dem Ritterstand sich zu umgeben hatten; bei der Wahl der Zehnmänner aber sollten nur die Candidaten, die persönlich sich melden würden, berücksich- FÜNFTES BUCH. KAPITEL V. auch die Sehne gerissen war, es muſste doch wieder versuchtwerden denselben Bogen zu spannen. Die Stadt war in dumpfer Gährung; häufige Conferenzen der Häupter der Bewegung deu- teten an, daſs wieder etwas im Werke sei. Was das sei, ward offenbar, als die neuen Volkstribunen ihr Amt antraten (10. Dec. 690) und sogleich einer von ihnen, Publius Servilius Rullus, ein Ackergesetz beantragte, durch welches die Führer der Demokra- ten sich eine ähnliche Stellung zu verschaffen gedachten, wie sie in Folge der gabinisch-manilischen Anträge Pompeius einnahm. Der nominelle Zweck war die Gründung von Colonien in Italien, wozu der Boden indeſs nicht durch Expropriation gewonnen werden sollte — vielmehr wurden alle bestehende Privatrechte garantirt, ja sogar die widerrechtlichen Occupationen der jüng- sten Zeit (S. 84) in volles Eigenthum umgewandelt. Nur die verpachtete campanische Domäne sollte parcelirt und colonisirt, im Uebrigen das zur Assignation bestimmte Land durch gewöhn- lichen Kauf von der Regierung erworben werden. Um die hiezu nöthigen Summen zu beschaffen, sollte alles italische und auſser- italische Domanialland — mit Ausschluſs der campanischen Do- mäne — successiv zum Verkauf gebracht werden; worunter na- mentlich die ehemaligen königlichen Tafelgüter in Makedonien, dem thrakischen Chersones, Bithynien, Pontus, Kyrene, ferner die Gebiete der nach Kriegsrecht zu vollem Eigen gewonnenen Städte in Spanien, Africa, Sicilien, Hellas, Kilikien verstanden waren. Verkauft werden sollte imgleichen alles, was der Staat an beweglichem und unbeweglichem Gut seit dem J. 666 erworben und worüber er nicht früher verfügt hatte; wobei man haupt- sächlich zielte auf Aegypten und Kypros. Zu dem gleichen Zweck wurden alle unterthänigen Gemeinden mit Ausnahme der Städte latinischen Rechts und der sonstigen Freistädte mit sehr hoch gegriffenen Gefällen und Zehnten belastet. Ebenfalls ward dazu endlich bestimmt der Ertrag der neuen Provinzialgefälle, anzu- rechnen vom J. 692, und der Erlös aus der sämmtlichen noch nicht gesetzmäſsig verwandten Beute; welche Anordnung auf die neuen von Pompeius im Osten eröffneten Steuerquellen und auf die in den Händen des Pompeius und der Erben Sullas befindli- chen öffentlichen Gelder sich bezog. Zur Ausführung dieser Maſsregeln sollten Zehnmänner mit eigener Jurisdiction und eige- nem Imperium ernannt werden, welche fünf Jahre im Amte zu bleiben und mit 200 Unterbeamten aus dem Ritterstand sich zu umgeben hatten; bei der Wahl der Zehnmänner aber sollten nur die Candidaten, die persönlich sich melden würden, berücksich- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0174" n="164"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.</fw><lb/> auch die Sehne gerissen war, es muſste doch wieder versucht<lb/> werden denselben Bogen zu spannen. Die Stadt war in dumpfer<lb/> Gährung; häufige Conferenzen der Häupter der Bewegung deu-<lb/> teten an, daſs wieder etwas im Werke sei. Was das sei, ward<lb/> offenbar, als die neuen Volkstribunen ihr Amt antraten (10. Dec.<lb/> 690) und sogleich einer von ihnen, Publius Servilius Rullus, ein<lb/> Ackergesetz beantragte, durch welches die Führer der Demokra-<lb/> ten sich eine ähnliche Stellung zu verschaffen gedachten, wie sie<lb/> in Folge der gabinisch-manilischen Anträge Pompeius einnahm.<lb/> Der nominelle Zweck war die Gründung von Colonien in Italien,<lb/> wozu der Boden indeſs nicht durch Expropriation gewonnen<lb/> werden sollte — vielmehr wurden alle bestehende Privatrechte<lb/> garantirt, ja sogar die widerrechtlichen Occupationen der jüng-<lb/> sten Zeit (S. 84) in volles Eigenthum umgewandelt. Nur die<lb/> verpachtete campanische Domäne sollte parcelirt und colonisirt,<lb/> im Uebrigen das zur Assignation bestimmte Land durch gewöhn-<lb/> lichen Kauf von der Regierung erworben werden. Um die hiezu<lb/> nöthigen Summen zu beschaffen, sollte alles italische und auſser-<lb/> italische Domanialland — mit Ausschluſs der campanischen Do-<lb/> mäne — successiv zum Verkauf gebracht werden; worunter na-<lb/> mentlich die ehemaligen königlichen Tafelgüter in Makedonien,<lb/> dem thrakischen Chersones, Bithynien, Pontus, Kyrene, ferner<lb/> die Gebiete der nach Kriegsrecht zu vollem Eigen gewonnenen<lb/> Städte in Spanien, Africa, Sicilien, Hellas, Kilikien verstanden<lb/> waren. Verkauft werden sollte imgleichen alles, was der Staat an<lb/> beweglichem und unbeweglichem Gut seit dem J. 666 erworben<lb/> und worüber er nicht früher verfügt hatte; wobei man haupt-<lb/> sächlich zielte auf Aegypten und Kypros. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
auch die Sehne gerissen war, es muſste doch wieder versucht
werden denselben Bogen zu spannen. Die Stadt war in dumpfer
Gährung; häufige Conferenzen der Häupter der Bewegung deu-
teten an, daſs wieder etwas im Werke sei. Was das sei, ward
offenbar, als die neuen Volkstribunen ihr Amt antraten (10. Dec.
690) und sogleich einer von ihnen, Publius Servilius Rullus, ein
Ackergesetz beantragte, durch welches die Führer der Demokra-
ten sich eine ähnliche Stellung zu verschaffen gedachten, wie sie
in Folge der gabinisch-manilischen Anträge Pompeius einnahm.
Der nominelle Zweck war die Gründung von Colonien in Italien,
wozu der Boden indeſs nicht durch Expropriation gewonnen
werden sollte — vielmehr wurden alle bestehende Privatrechte
garantirt, ja sogar die widerrechtlichen Occupationen der jüng-
sten Zeit (S. 84) in volles Eigenthum umgewandelt. Nur die
verpachtete campanische Domäne sollte parcelirt und colonisirt,
im Uebrigen das zur Assignation bestimmte Land durch gewöhn-
lichen Kauf von der Regierung erworben werden. Um die hiezu
nöthigen Summen zu beschaffen, sollte alles italische und auſser-
italische Domanialland — mit Ausschluſs der campanischen Do-
mäne — successiv zum Verkauf gebracht werden; worunter na-
mentlich die ehemaligen königlichen Tafelgüter in Makedonien,
dem thrakischen Chersones, Bithynien, Pontus, Kyrene, ferner
die Gebiete der nach Kriegsrecht zu vollem Eigen gewonnenen
Städte in Spanien, Africa, Sicilien, Hellas, Kilikien verstanden
waren. Verkauft werden sollte imgleichen alles, was der Staat an
beweglichem und unbeweglichem Gut seit dem J. 666 erworben
und worüber er nicht früher verfügt hatte; wobei man haupt-
sächlich zielte auf Aegypten und Kypros. Zu dem gleichen Zweck
wurden alle unterthänigen Gemeinden mit Ausnahme der Städte
latinischen Rechts und der sonstigen Freistädte mit sehr hoch
gegriffenen Gefällen und Zehnten belastet. Ebenfalls ward dazu
endlich bestimmt der Ertrag der neuen Provinzialgefälle, anzu-
rechnen vom J. 692, und der Erlös aus der sämmtlichen noch
nicht gesetzmäſsig verwandten Beute; welche Anordnung auf die
neuen von Pompeius im Osten eröffneten Steuerquellen und auf
die in den Händen des Pompeius und der Erben Sullas befindli-
chen öffentlichen Gelder sich bezog. Zur Ausführung dieser
Maſsregeln sollten Zehnmänner mit eigener Jurisdiction und eige-
nem Imperium ernannt werden, welche fünf Jahre im Amte zu
bleiben und mit 200 Unterbeamten aus dem Ritterstand sich zu
umgeben hatten; bei der Wahl der Zehnmänner aber sollten nur
die Candidaten, die persönlich sich melden würden, berücksich-
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