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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT.
gewohnt bald mit den Demokraten, bald mit Pompeius, bald aus
etwas weiterer Ferne mit der Aristokratie zu liebäugeln und ohne
Unterschied der Person oder Partei -- er zählte auch Catilina
unter seinen Clienten -- Advocatendienste zu leisten, eigentlich
keiner Partei angehörig oder, was ziemlich dasselbe ist, der Par-
tei der materiellen Interessen, die in den Gerichten dominirte und
den beredten Sachwalter, den höflichen und witzigen Gesell-
schafter gern hatte. Er hatte Verbindungen genug in der Haupt-
stadt und den Landstädten, um neben den von der Demokratie
aufgestellten Candidaten noch eine Chance zu haben; und da
auch die Nobilität, obwohl nicht gern, und die Pompeianer für
ihn stimmten, ward er mit grosser Majorität gewählt. Die bei-
den Candidaten der Demokratie erhielten fast gleich viele Stim-
men, jedoch fielen auf Antonius, dessen Familie angesehener war
als die seines Concurrenten, einige mehr. Dieser Zufall vereitelte
die Wahl Catilinas und rettete Rom vor einem zweiten Cinna.
Schon etwas früher war Piso, es hiess auf Anstiften seines po-
litischen und persönlichen Feindes Pompeius, in Spanien von
seiner einheimischen Escorte niedergemacht worden * Mit dem
Consul Antonius allein war nichts anzufangen; Cicero sprengte
das lockere Band, das ihn an die Verschwörung knüpfte, noch
ehe sie beide ihre Aemter antraten, indem er auf die von Rechts-
wegen ihm zustehende Loosung um die Consularprovinzen Ver-
zicht leistete und dem tief verschuldeten Collegen die einträgliche
Statthalterschaft Makedonien überliess. Auch dieses Anschlags
wesentliche Vorbedingungen waren vereitelt.

Inzwischen entwickelten die orientalischen Verhältnisse sich
immer bedrohlicher für die Demokratie. Die Ordnung Syriens
schritt rasch vorwärts; schon waren von Aegypten Aufforderun-
gen an Pompeius ergangen daselbst einzurücken und das Land
für Rom einzuziehen; man musste fürchten demnächst zu ver-
nehmen, dass Pompeius selbst das Nilland in Besitz genom-
men habe. Eben hiedurch mag Caesars Versuch sich vom Volke
nach Aegypten senden zu lassen, um dem König gegen seine
aufrührerischen Unterthanen Beistand zu leisten (S. 160), her-
vorgerufen worden sein; er scheiterte, wie es scheint, an der
Abneigung der Grossen und Kleinen irgend etwas gegen Pompe-
ius Interesse zu unternehmen. Pompeius Heimkehr und damit
die wahrscheinliche Katastrophe rückten immer näher; wie oft

* Seine noch vorhandene Grabschrift lautet: Cn. Calpurnius Cn. f.
Piso quaestor pro pr. ex s. c. provinciam Hispaniam citeriorem optinuit.
11*

DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT.
gewohnt bald mit den Demokraten, bald mit Pompeius, bald aus
etwas weiterer Ferne mit der Aristokratie zu liebäugeln und ohne
Unterschied der Person oder Partei — er zählte auch Catilina
unter seinen Clienten — Advocatendienste zu leisten, eigentlich
keiner Partei angehörig oder, was ziemlich dasselbe ist, der Par-
tei der materiellen Interessen, die in den Gerichten dominirte und
den beredten Sachwalter, den höflichen und witzigen Gesell-
schafter gern hatte. Er hatte Verbindungen genug in der Haupt-
stadt und den Landstädten, um neben den von der Demokratie
aufgestellten Candidaten noch eine Chance zu haben; und da
auch die Nobilität, obwohl nicht gern, und die Pompeianer für
ihn stimmten, ward er mit groſser Majorität gewählt. Die bei-
den Candidaten der Demokratie erhielten fast gleich viele Stim-
men, jedoch fielen auf Antonius, dessen Familie angesehener war
als die seines Concurrenten, einige mehr. Dieser Zufall vereitelte
die Wahl Catilinas und rettete Rom vor einem zweiten Cinna.
Schon etwas früher war Piso, es hieſs auf Anstiften seines po-
litischen und persönlichen Feindes Pompeius, in Spanien von
seiner einheimischen Escorte niedergemacht worden * Mit dem
Consul Antonius allein war nichts anzufangen; Cicero sprengte
das lockere Band, das ihn an die Verschwörung knüpfte, noch
ehe sie beide ihre Aemter antraten, indem er auf die von Rechts-
wegen ihm zustehende Loosung um die Consularprovinzen Ver-
zicht leistete und dem tief verschuldeten Collegen die einträgliche
Statthalterschaft Makedonien überlieſs. Auch dieses Anschlags
wesentliche Vorbedingungen waren vereitelt.

Inzwischen entwickelten die orientalischen Verhältnisse sich
immer bedrohlicher für die Demokratie. Die Ordnung Syriens
schritt rasch vorwärts; schon waren von Aegypten Aufforderun-
gen an Pompeius ergangen daselbst einzurücken und das Land
für Rom einzuziehen; man muſste fürchten demnächst zu ver-
nehmen, daſs Pompeius selbst das Nilland in Besitz genom-
men habe. Eben hiedurch mag Caesars Versuch sich vom Volke
nach Aegypten senden zu lassen, um dem König gegen seine
aufrührerischen Unterthanen Beistand zu leisten (S. 160), her-
vorgerufen worden sein; er scheiterte, wie es scheint, an der
Abneigung der Groſsen und Kleinen irgend etwas gegen Pompe-
ius Interesse zu unternehmen. Pompeius Heimkehr und damit
die wahrscheinliche Katastrophe rückten immer näher; wie oft

* Seine noch vorhandene Grabschrift lautet: Cn. Calpurnius Cn. f.
Piso quaestor pro pr. ex s. c. provinciam Hispaniam citeriorem optinuit.
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[163/0173] DER PARTEIENKAMPF WÄHREND POMPEIUS ABWESENHEIT. gewohnt bald mit den Demokraten, bald mit Pompeius, bald aus etwas weiterer Ferne mit der Aristokratie zu liebäugeln und ohne Unterschied der Person oder Partei — er zählte auch Catilina unter seinen Clienten — Advocatendienste zu leisten, eigentlich keiner Partei angehörig oder, was ziemlich dasselbe ist, der Par- tei der materiellen Interessen, die in den Gerichten dominirte und den beredten Sachwalter, den höflichen und witzigen Gesell- schafter gern hatte. Er hatte Verbindungen genug in der Haupt- stadt und den Landstädten, um neben den von der Demokratie aufgestellten Candidaten noch eine Chance zu haben; und da auch die Nobilität, obwohl nicht gern, und die Pompeianer für ihn stimmten, ward er mit groſser Majorität gewählt. Die bei- den Candidaten der Demokratie erhielten fast gleich viele Stim- men, jedoch fielen auf Antonius, dessen Familie angesehener war als die seines Concurrenten, einige mehr. Dieser Zufall vereitelte die Wahl Catilinas und rettete Rom vor einem zweiten Cinna. Schon etwas früher war Piso, es hieſs auf Anstiften seines po- litischen und persönlichen Feindes Pompeius, in Spanien von seiner einheimischen Escorte niedergemacht worden * Mit dem Consul Antonius allein war nichts anzufangen; Cicero sprengte das lockere Band, das ihn an die Verschwörung knüpfte, noch ehe sie beide ihre Aemter antraten, indem er auf die von Rechts- wegen ihm zustehende Loosung um die Consularprovinzen Ver- zicht leistete und dem tief verschuldeten Collegen die einträgliche Statthalterschaft Makedonien überlieſs. Auch dieses Anschlags wesentliche Vorbedingungen waren vereitelt. Inzwischen entwickelten die orientalischen Verhältnisse sich immer bedrohlicher für die Demokratie. Die Ordnung Syriens schritt rasch vorwärts; schon waren von Aegypten Aufforderun- gen an Pompeius ergangen daselbst einzurücken und das Land für Rom einzuziehen; man muſste fürchten demnächst zu ver- nehmen, daſs Pompeius selbst das Nilland in Besitz genom- men habe. Eben hiedurch mag Caesars Versuch sich vom Volke nach Aegypten senden zu lassen, um dem König gegen seine aufrührerischen Unterthanen Beistand zu leisten (S. 160), her- vorgerufen worden sein; er scheiterte, wie es scheint, an der Abneigung der Groſsen und Kleinen irgend etwas gegen Pompe- ius Interesse zu unternehmen. Pompeius Heimkehr und damit die wahrscheinliche Katastrophe rückten immer näher; wie oft * Seine noch vorhandene Grabschrift lautet: Cn. Calpurnius Cn. f. Piso quaestor pro pr. ex s. c. provinciam Hispaniam citeriorem optinuit. 11*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/173>, abgerufen am 26.11.2024.