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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV.
diese Verkleinerungen einstimmen. Lucullus und Pompeius haben,
indem sie Asien unterwarfen und ordneten, sich nicht als Helden
und Staatsschöpfer bewährt, aber wohl als einsichtige und kräf-
tige Heerführer und Statthalter. Als Feldherr bewies Lucullus
nicht gemeine Talente und ein an Verwegenheit grenzendes Selbst-
vertrauen, Pompeius militärische Einsicht und eine seltene Zu-
rückhaltung, wie denn kaum je ein General mit solchen Streit-
kräften und einer so vollkommen freien Stellung so vorsichtig
aufgetreten ist wie Pompeius im Osten. Die glänzendsten Auf-
gaben trugen von allen Seiten sich ihm gleichsam selber an: er
konnte nach dem kimmerischen Bosporus und gegen das rothe
Meer hin aufbrechen; er hatte Gelegenheit den Parthern den Krieg
zu erklären; die aufständischen Landschaften Aegyptens luden
ihn ein den von Rom nicht anerkannten König Ptolemaeos vom
Thron zu stossen und das Testament Alexanders in Vollzug zu
setzen; aber Pompeius ist weder nach Pantikapaeon noch nach
Petra, weder nach Ktesiphon noch nach Alexandreia gezogen;
durchaus pflückte er nur diejenigen Früchte, die ihm von selber
in die Hand fielen. Ebenso schlug er all seine Schlachten zur See
wie zu Lande mit einer erdrückenden Uebermacht. Wäre diese
Mässigung hervorgegangen aus dem strengen Einhalten der er-
theilten Instructionen, wie Pompeius vorzugeben pflegte, oder
auch aus der Einsicht, dass Roms Eroberungen irgendwo eine
Grenze finden müssten und neuer Gebietszuwachs dem Staat
nicht förderlich sei, so würde sie ein höheres Lob verdienen, als
die Geschichte es dem talentvollsten Offizier ertheilt; allein wie
Pompeius war, ist seine Zurückhaltung ohne Zweifel einzig das
Resultat des ihm eigenthümlichen Mangels an Sicherheit und an
Initiative -- Mängel freilich, die dem Staate in diesem Falle weit
nützlicher wurden als die entgegengesetzten Vorzüge seines Vor-
gängers. Allerdings sind auch von Lucullus wie von Pompeius
sehr arge Fehler begangen worden. Lucullus erntete deren
Früchte selbst, indem sein unbesonnenes Verfahren ihm alle Re-
sultate seiner Siege wieder entriss; Pompeius überliess es seinen
Nachfolgern die Folgen seiner falschen Politik gegen die Parther
zu tragen. Er konnte diese entweder bekriegen, wenn er des-
sen sich getraute, oder Frieden halten und, wie er versprochen,
den Euphrat als Grenze anerkennen; zu jenem war er zu zag-
haft, zu diesem zu eitel und so kam er denn zu der einfältigen
Perfidie die gute Nachbarschaft, die der Hof von Ktesiphon
wünschte und seinerseits übte, durch die masslosesten Ueber-
griffe unmöglich zu machen, dennoch aber dem Feinde zu ge-

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diese Verkleinerungen einstimmen. Lucullus und Pompeius haben,
indem sie Asien unterwarfen und ordneten, sich nicht als Helden
und Staatsschöpfer bewährt, aber wohl als einsichtige und kräf-
tige Heerführer und Statthalter. Als Feldherr bewies Lucullus
nicht gemeine Talente und ein an Verwegenheit grenzendes Selbst-
vertrauen, Pompeius militärische Einsicht und eine seltene Zu-
rückhaltung, wie denn kaum je ein General mit solchen Streit-
kräften und einer so vollkommen freien Stellung so vorsichtig
aufgetreten ist wie Pompeius im Osten. Die glänzendsten Auf-
gaben trugen von allen Seiten sich ihm gleichsam selber an: er
konnte nach dem kimmerischen Bosporus und gegen das rothe
Meer hin aufbrechen; er hatte Gelegenheit den Parthern den Krieg
zu erklären; die aufständischen Landschaften Aegyptens luden
ihn ein den von Rom nicht anerkannten König Ptolemaeos vom
Thron zu stoſsen und das Testament Alexanders in Vollzug zu
setzen; aber Pompeius ist weder nach Pantikapaeon noch nach
Petra, weder nach Ktesiphon noch nach Alexandreia gezogen;
durchaus pflückte er nur diejenigen Früchte, die ihm von selber
in die Hand fielen. Ebenso schlug er all seine Schlachten zur See
wie zu Lande mit einer erdrückenden Uebermacht. Wäre diese
Mäſsigung hervorgegangen aus dem strengen Einhalten der er-
theilten Instructionen, wie Pompeius vorzugeben pflegte, oder
auch aus der Einsicht, daſs Roms Eroberungen irgendwo eine
Grenze finden müſsten und neuer Gebietszuwachs dem Staat
nicht förderlich sei, so würde sie ein höheres Lob verdienen, als
die Geschichte es dem talentvollsten Offizier ertheilt; allein wie
Pompeius war, ist seine Zurückhaltung ohne Zweifel einzig das
Resultat des ihm eigenthümlichen Mangels an Sicherheit und an
Initiative — Mängel freilich, die dem Staate in diesem Falle weit
nützlicher wurden als die entgegengesetzten Vorzüge seines Vor-
gängers. Allerdings sind auch von Lucullus wie von Pompeius
sehr arge Fehler begangen worden. Lucullus erntete deren
Früchte selbst, indem sein unbesonnenes Verfahren ihm alle Re-
sultate seiner Siege wieder entriſs; Pompeius überlieſs es seinen
Nachfolgern die Folgen seiner falschen Politik gegen die Parther
zu tragen. Er konnte diese entweder bekriegen, wenn er des-
sen sich getraute, oder Frieden halten und, wie er versprochen,
den Euphrat als Grenze anerkennen; zu jenem war er zu zag-
haft, zu diesem zu eitel und so kam er denn zu der einfältigen
Perfidie die gute Nachbarschaft, die der Hof von Ktesiphon
wünschte und seinerseits übte, durch die maſslosesten Ueber-
griffe unmöglich zu machen, dennoch aber dem Feinde zu ge-

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[142/0152] FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV. diese Verkleinerungen einstimmen. Lucullus und Pompeius haben, indem sie Asien unterwarfen und ordneten, sich nicht als Helden und Staatsschöpfer bewährt, aber wohl als einsichtige und kräf- tige Heerführer und Statthalter. Als Feldherr bewies Lucullus nicht gemeine Talente und ein an Verwegenheit grenzendes Selbst- vertrauen, Pompeius militärische Einsicht und eine seltene Zu- rückhaltung, wie denn kaum je ein General mit solchen Streit- kräften und einer so vollkommen freien Stellung so vorsichtig aufgetreten ist wie Pompeius im Osten. Die glänzendsten Auf- gaben trugen von allen Seiten sich ihm gleichsam selber an: er konnte nach dem kimmerischen Bosporus und gegen das rothe Meer hin aufbrechen; er hatte Gelegenheit den Parthern den Krieg zu erklären; die aufständischen Landschaften Aegyptens luden ihn ein den von Rom nicht anerkannten König Ptolemaeos vom Thron zu stoſsen und das Testament Alexanders in Vollzug zu setzen; aber Pompeius ist weder nach Pantikapaeon noch nach Petra, weder nach Ktesiphon noch nach Alexandreia gezogen; durchaus pflückte er nur diejenigen Früchte, die ihm von selber in die Hand fielen. Ebenso schlug er all seine Schlachten zur See wie zu Lande mit einer erdrückenden Uebermacht. Wäre diese Mäſsigung hervorgegangen aus dem strengen Einhalten der er- theilten Instructionen, wie Pompeius vorzugeben pflegte, oder auch aus der Einsicht, daſs Roms Eroberungen irgendwo eine Grenze finden müſsten und neuer Gebietszuwachs dem Staat nicht förderlich sei, so würde sie ein höheres Lob verdienen, als die Geschichte es dem talentvollsten Offizier ertheilt; allein wie Pompeius war, ist seine Zurückhaltung ohne Zweifel einzig das Resultat des ihm eigenthümlichen Mangels an Sicherheit und an Initiative — Mängel freilich, die dem Staate in diesem Falle weit nützlicher wurden als die entgegengesetzten Vorzüge seines Vor- gängers. Allerdings sind auch von Lucullus wie von Pompeius sehr arge Fehler begangen worden. Lucullus erntete deren Früchte selbst, indem sein unbesonnenes Verfahren ihm alle Re- sultate seiner Siege wieder entriſs; Pompeius überlieſs es seinen Nachfolgern die Folgen seiner falschen Politik gegen die Parther zu tragen. Er konnte diese entweder bekriegen, wenn er des- sen sich getraute, oder Frieden halten und, wie er versprochen, den Euphrat als Grenze anerkennen; zu jenem war er zu zag- haft, zu diesem zu eitel und so kam er denn zu der einfältigen Perfidie die gute Nachbarschaft, die der Hof von Ktesiphon wünschte und seinerseits übte, durch die maſslosesten Ueber- griffe unmöglich zu machen, dennoch aber dem Feinde zu ge-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/152>, abgerufen am 24.11.2024.