Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND DER OSTEN. solle die Quantität die Qualität ersetzen -- und erstreckten denKreis seiner Siege vom mäotischen zum kaspischen, von diesem zum rothen Meer, von welchen drei Meeren er keines je mit Augen gesehen hat; ja wenn er es auch nicht geradezu sagte, so veranlasste er doch das Publicum zu meinen, dass die Ein- ziehung Syriens, die wahrlich keine Heldenthat war, den ganzen Osten bis nach Baktrien und Indien zum römischen Reiche ge- bracht habe -- in so duftige Ferne liess er in seinen Angaben die Grenzlinie seiner östlichen Eroberungen verschwimmen. Die de- mokratische Servilität, die zu allen Zeiten mit der höfischen ge- wetteifert hat, ging bereitwillig auf dergleichen geschmacklosen Schwindel ein. Ihr genügte nicht der pomphafte Triumphalzug, der am 28. und 29. Sept. 693, dem sechsundvierzigsten Geburts- tag Pompeius des Grossen, durch die Gassen Roms sich bewegte, verherrlicht, um von den Kleinodien aller Art zu schweigen, durch die Kroninsignien Mithradats und durch die Kinder der drei mäch- tigsten Könige Asiens, des Mithradates, Tigranes und Phraates: sie lohnte ihrem Feldherrn, der zweiundzwanzig Könige besiegt, dafür mit königlichen Ehren und verlieh ihm den goldenen Kranz und die Insignien der Magistratur auf Lebenszeit. Die ihm zu Ehren geschlagenen Münzen zeigen gar die Weltkugel zwischen dem dreifachen aus den drei Welttheilen heimgebrachten Lorbeer und über ihr schwebend jenen dem Triumphator über Africa, Spanien und Asien von der Bürgerschaft verehrten Goldkranz. Es kann solchen kindischen Huldigungen gegenüber nicht Wunder neh- men, dass auch im entgegengesetzten Sinne Stimmen laut wur- den. Unter der römischen vornehmen Welt war es eine geläufige Rede, dass das eigentliche Verdienst der Unterwerfung des Ostens Lucullus zukomme und Pompeius nur nach dem Osten gegangen sei um Lucullus zu verdrängen und die von fremder Hand ge- brochenen Lorbeeren um die eigene Stirn zu flechten. Beides war vollständig falsch; Lucullus war bereits durch Glabrio ersetzt, als Pompeius im Osten eintraf, und wie wacker auch Lucullus gefochten, es war Thatsache, dass, als Pompeius den Oberbefehl übernahm, die Römer all ihre früheren Erfolge wieder eingebüsst und keinen Fuss breit pontischen Bodens inne hatten. Mehr zum Ziele traf der Spott der Hauptstädter, die nicht ermangelten dem mächtigen Besieger des Erdballs die Namen der von ihm über- wundenen Grossmächte als Spitznamen beizulegen und ihn bald als Sieger von Salem, bald als Emir (Arabarches), bald als den römischen Sampsikeramos begrüssten. Der unbefangene Urthei- ler wird indess weder in jene Ueberschwänglichkeiten noch in POMPEIUS UND DER OSTEN. solle die Quantität die Qualität ersetzen — und erstreckten denKreis seiner Siege vom mäotischen zum kaspischen, von diesem zum rothen Meer, von welchen drei Meeren er keines je mit Augen gesehen hat; ja wenn er es auch nicht geradezu sagte, so veranlaſste er doch das Publicum zu meinen, daſs die Ein- ziehung Syriens, die wahrlich keine Heldenthat war, den ganzen Osten bis nach Baktrien und Indien zum römischen Reiche ge- bracht habe — in so duftige Ferne lieſs er in seinen Angaben die Grenzlinie seiner östlichen Eroberungen verschwimmen. Die de- mokratische Servilität, die zu allen Zeiten mit der höfischen ge- wetteifert hat, ging bereitwillig auf dergleichen geschmacklosen Schwindel ein. Ihr genügte nicht der pomphafte Triumphalzug, der am 28. und 29. Sept. 693, dem sechsundvierzigsten Geburts- tag Pompeius des Groſsen, durch die Gassen Roms sich bewegte, verherrlicht, um von den Kleinodien aller Art zu schweigen, durch die Kroninsignien Mithradats und durch die Kinder der drei mäch- tigsten Könige Asiens, des Mithradates, Tigranes und Phraates: sie lohnte ihrem Feldherrn, der zweiundzwanzig Könige besiegt, dafür mit königlichen Ehren und verlieh ihm den goldenen Kranz und die Insignien der Magistratur auf Lebenszeit. Die ihm zu Ehren geschlagenen Münzen zeigen gar die Weltkugel zwischen dem dreifachen aus den drei Welttheilen heimgebrachten Lorbeer und über ihr schwebend jenen dem Triumphator über Africa, Spanien und Asien von der Bürgerschaft verehrten Goldkranz. Es kann solchen kindischen Huldigungen gegenüber nicht Wunder neh- men, daſs auch im entgegengesetzten Sinne Stimmen laut wur- den. Unter der römischen vornehmen Welt war es eine geläufige Rede, daſs das eigentliche Verdienst der Unterwerfung des Ostens Lucullus zukomme und Pompeius nur nach dem Osten gegangen sei um Lucullus zu verdrängen und die von fremder Hand ge- brochenen Lorbeeren um die eigene Stirn zu flechten. Beides war vollständig falsch; Lucullus war bereits durch Glabrio ersetzt, als Pompeius im Osten eintraf, und wie wacker auch Lucullus gefochten, es war Thatsache, daſs, als Pompeius den Oberbefehl übernahm, die Römer all ihre früheren Erfolge wieder eingebüſst und keinen Fuſs breit pontischen Bodens inne hatten. Mehr zum Ziele traf der Spott der Hauptstädter, die nicht ermangelten dem mächtigen Besieger des Erdballs die Namen der von ihm über- wundenen Groſsmächte als Spitznamen beizulegen und ihn bald als Sieger von Salem, bald als Emir (Arabarches), bald als den römischen Sampsikeramos begrüſsten. 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POMPEIUS UND DER OSTEN.
solle die Quantität die Qualität ersetzen — und erstreckten den
Kreis seiner Siege vom mäotischen zum kaspischen, von diesem
zum rothen Meer, von welchen drei Meeren er keines je mit
Augen gesehen hat; ja wenn er es auch nicht geradezu sagte,
so veranlaſste er doch das Publicum zu meinen, daſs die Ein-
ziehung Syriens, die wahrlich keine Heldenthat war, den ganzen
Osten bis nach Baktrien und Indien zum römischen Reiche ge-
bracht habe — in so duftige Ferne lieſs er in seinen Angaben die
Grenzlinie seiner östlichen Eroberungen verschwimmen. Die de-
mokratische Servilität, die zu allen Zeiten mit der höfischen ge-
wetteifert hat, ging bereitwillig auf dergleichen geschmacklosen
Schwindel ein. Ihr genügte nicht der pomphafte Triumphalzug,
der am 28. und 29. Sept. 693, dem sechsundvierzigsten Geburts-
tag Pompeius des Groſsen, durch die Gassen Roms sich bewegte,
verherrlicht, um von den Kleinodien aller Art zu schweigen, durch
die Kroninsignien Mithradats und durch die Kinder der drei mäch-
tigsten Könige Asiens, des Mithradates, Tigranes und Phraates: sie
lohnte ihrem Feldherrn, der zweiundzwanzig Könige besiegt, dafür
mit königlichen Ehren und verlieh ihm den goldenen Kranz und
die Insignien der Magistratur auf Lebenszeit. Die ihm zu Ehren
geschlagenen Münzen zeigen gar die Weltkugel zwischen dem
dreifachen aus den drei Welttheilen heimgebrachten Lorbeer und
über ihr schwebend jenen dem Triumphator über Africa, Spanien
und Asien von der Bürgerschaft verehrten Goldkranz. Es kann
solchen kindischen Huldigungen gegenüber nicht Wunder neh-
men, daſs auch im entgegengesetzten Sinne Stimmen laut wur-
den. Unter der römischen vornehmen Welt war es eine geläufige
Rede, daſs das eigentliche Verdienst der Unterwerfung des Ostens
Lucullus zukomme und Pompeius nur nach dem Osten gegangen
sei um Lucullus zu verdrängen und die von fremder Hand ge-
brochenen Lorbeeren um die eigene Stirn zu flechten. Beides
war vollständig falsch; Lucullus war bereits durch Glabrio ersetzt,
als Pompeius im Osten eintraf, und wie wacker auch Lucullus
gefochten, es war Thatsache, daſs, als Pompeius den Oberbefehl
übernahm, die Römer all ihre früheren Erfolge wieder eingebüſst
und keinen Fuſs breit pontischen Bodens inne hatten. Mehr zum
Ziele traf der Spott der Hauptstädter, die nicht ermangelten dem
mächtigen Besieger des Erdballs die Namen der von ihm über-
wundenen Groſsmächte als Spitznamen beizulegen und ihn bald
als Sieger von Salem, bald als Emir (Arabarches), bald als den
römischen Sampsikeramos begrüſsten. Der unbefangene Urthei-
ler wird indeſs weder in jene Ueberschwänglichkeiten noch in
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