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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV.
über die Bithyner erfocht (II, 272). In Kappadokien, das viel-
leicht mehr als irgend eine andere Provinz durch den Krieg ge-
litten hatte, wurden die Residenz Mazaka (später Kaisareia, jetzt
Kaisarieh) und sieben andere Ortschaften von Pompeius wieder
hergestellt und städtisch eingerichtet. In Kilikien und Koilesyrien
zählte man zwanzig von Pompeius angelegte Städte. In den von
den Juden geräumten Districten erhob sich Gadara in der Deka-
polis auf Pompeius Befehl aus seinen Trümmern und ward die
Stadt Selenkis gegründet. Bei weitem der grösste Theil des auf
den asiatischen Continent zur Verfügung stehenden Domaniallan-
des muss von Pompeius für seine neuen Ansiedlungen verwandt
worden sein, wogegen auf Kreta, um das Pompeius sich wenig
oder gar nicht kümmerte, der römische Domanialbesitz ziem-
lich ausgedehnt geblieben zu sein scheint. -- Nicht minder wie
auf Gründung neuer Ortschaften war Pompeius darauf bedacht
die bestehenden Gemeinden zu ordnen und zu heben. Die einge-
rissenen Missbräuche und Usurpationen wurden nach Vermögen
abgestellt; ausführliche und für die verschiedenen Provinzen mit
Sorgfalt entworfene Gemeindeordnungen regelten im Einzelnen
das Municipalwesen. Eine Reihe der ansehnlichsten Städte ward
mit neuen Privilegien beschenkt. Die Autonomie erhielten An-
tiochia am Orontes, die bedeutendste Stadt des römischen Asiens
und nur wenig zurückstehend hinter dem ägyptischen Alexandreia
und dem Bagdad des Alterthums, der Stadt Seleukeia im parthi-
schen Reiche; ferner die Nachbarstadt von Antiochia, das pieri-
sche Seleukeia, das für seine muthige Gegenwehr gegen Tigranes
jetzt den Lohn empfing; Gaza und überhaupt alle von der jüdi-
schen Herrschaft befreite Städte; in Vorderasien Mytilene; Pha-
nagoria am schwarzen Meer.

So war der Bau des asiatischen Römerstaates vollendet, der
mit seinen Lehnkönigen und Vasallen, den gefürsteten Priestern
und der Reihe ganz- und halbfreier Städte lebhaft erinnert an das
heilige römische Reich deutscher Nation. Er war kein Wunder-
werk, weder hinsichtlich der überwundenen Schwierigkeiten,
noch hinsichtlich der erreichten Vollendung, und ward es auch
nicht durch all die grossen Worte, mit denen in Rom die vor-
nehme Welt zu Gunsten des Lucullus, die laute Menge zum Preise
des Pompeius freigebig waren. Pompeius namentlich liess sich
feiern und feierte sich selbst in einer Weise, dass man ihn fast für
noch schwachköpfiger hätte halten mögen, als er in der That war.
Seine Inschriften rechneten 12 Millionen unterworfener Seelen
und 1538 eroberte Städte und Burgen heraus -- es schien, als

FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV.
über die Bithyner erfocht (II, 272). In Kappadokien, das viel-
leicht mehr als irgend eine andere Provinz durch den Krieg ge-
litten hatte, wurden die Residenz Mazaka (später Kaisareia, jetzt
Kaisarieh) und sieben andere Ortschaften von Pompeius wieder
hergestellt und städtisch eingerichtet. In Kilikien und Koilesyrien
zählte man zwanzig von Pompeius angelegte Städte. In den von
den Juden geräumten Districten erhob sich Gadara in der Deka-
polis auf Pompeius Befehl aus seinen Trümmern und ward die
Stadt Selenkis gegründet. Bei weitem der gröſste Theil des auf
den asiatischen Continent zur Verfügung stehenden Domaniallan-
des muſs von Pompeius für seine neuen Ansiedlungen verwandt
worden sein, wogegen auf Kreta, um das Pompeius sich wenig
oder gar nicht kümmerte, der römische Domanialbesitz ziem-
lich ausgedehnt geblieben zu sein scheint. — Nicht minder wie
auf Gründung neuer Ortschaften war Pompeius darauf bedacht
die bestehenden Gemeinden zu ordnen und zu heben. Die einge-
rissenen Miſsbräuche und Usurpationen wurden nach Vermögen
abgestellt; ausführliche und für die verschiedenen Provinzen mit
Sorgfalt entworfene Gemeindeordnungen regelten im Einzelnen
das Municipalwesen. Eine Reihe der ansehnlichsten Städte ward
mit neuen Privilegien beschenkt. Die Autonomie erhielten An-
tiochia am Orontes, die bedeutendste Stadt des römischen Asiens
und nur wenig zurückstehend hinter dem ägyptischen Alexandreia
und dem Bagdad des Alterthums, der Stadt Seleukeia im parthi-
schen Reiche; ferner die Nachbarstadt von Antiochia, das pieri-
sche Seleukeia, das für seine muthige Gegenwehr gegen Tigranes
jetzt den Lohn empfing; Gaza und überhaupt alle von der jüdi-
schen Herrschaft befreite Städte; in Vorderasien Mytilene; Pha-
nagoria am schwarzen Meer.

So war der Bau des asiatischen Römerstaates vollendet, der
mit seinen Lehnkönigen und Vasallen, den gefürsteten Priestern
und der Reihe ganz- und halbfreier Städte lebhaft erinnert an das
heilige römische Reich deutscher Nation. Er war kein Wunder-
werk, weder hinsichtlich der überwundenen Schwierigkeiten,
noch hinsichtlich der erreichten Vollendung, und ward es auch
nicht durch all die groſsen Worte, mit denen in Rom die vor-
nehme Welt zu Gunsten des Lucullus, die laute Menge zum Preise
des Pompeius freigebig waren. Pompeius namentlich lieſs sich
feiern und feierte sich selbst in einer Weise, daſs man ihn fast für
noch schwachköpfiger hätte halten mögen, als er in der That war.
Seine Inschriften rechneten 12 Millionen unterworfener Seelen
und 1538 eroberte Städte und Burgen heraus — es schien, als

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[140/0150] FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV. über die Bithyner erfocht (II, 272). In Kappadokien, das viel- leicht mehr als irgend eine andere Provinz durch den Krieg ge- litten hatte, wurden die Residenz Mazaka (später Kaisareia, jetzt Kaisarieh) und sieben andere Ortschaften von Pompeius wieder hergestellt und städtisch eingerichtet. In Kilikien und Koilesyrien zählte man zwanzig von Pompeius angelegte Städte. In den von den Juden geräumten Districten erhob sich Gadara in der Deka- polis auf Pompeius Befehl aus seinen Trümmern und ward die Stadt Selenkis gegründet. Bei weitem der gröſste Theil des auf den asiatischen Continent zur Verfügung stehenden Domaniallan- des muſs von Pompeius für seine neuen Ansiedlungen verwandt worden sein, wogegen auf Kreta, um das Pompeius sich wenig oder gar nicht kümmerte, der römische Domanialbesitz ziem- lich ausgedehnt geblieben zu sein scheint. — Nicht minder wie auf Gründung neuer Ortschaften war Pompeius darauf bedacht die bestehenden Gemeinden zu ordnen und zu heben. Die einge- rissenen Miſsbräuche und Usurpationen wurden nach Vermögen abgestellt; ausführliche und für die verschiedenen Provinzen mit Sorgfalt entworfene Gemeindeordnungen regelten im Einzelnen das Municipalwesen. Eine Reihe der ansehnlichsten Städte ward mit neuen Privilegien beschenkt. Die Autonomie erhielten An- tiochia am Orontes, die bedeutendste Stadt des römischen Asiens und nur wenig zurückstehend hinter dem ägyptischen Alexandreia und dem Bagdad des Alterthums, der Stadt Seleukeia im parthi- schen Reiche; ferner die Nachbarstadt von Antiochia, das pieri- sche Seleukeia, das für seine muthige Gegenwehr gegen Tigranes jetzt den Lohn empfing; Gaza und überhaupt alle von der jüdi- schen Herrschaft befreite Städte; in Vorderasien Mytilene; Pha- nagoria am schwarzen Meer. So war der Bau des asiatischen Römerstaates vollendet, der mit seinen Lehnkönigen und Vasallen, den gefürsteten Priestern und der Reihe ganz- und halbfreier Städte lebhaft erinnert an das heilige römische Reich deutscher Nation. Er war kein Wunder- werk, weder hinsichtlich der überwundenen Schwierigkeiten, noch hinsichtlich der erreichten Vollendung, und ward es auch nicht durch all die groſsen Worte, mit denen in Rom die vor- nehme Welt zu Gunsten des Lucullus, die laute Menge zum Preise des Pompeius freigebig waren. Pompeius namentlich lieſs sich feiern und feierte sich selbst in einer Weise, daſs man ihn fast für noch schwachköpfiger hätte halten mögen, als er in der That war. Seine Inschriften rechneten 12 Millionen unterworfener Seelen und 1538 eroberte Städte und Burgen heraus — es schien, als

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/150>, abgerufen am 24.11.2024.