Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND DER OSTEN. Tarent. Die Massregel fand vielfachen Tadel, da sie gewisser-massen auf das Verbrechen eine Belohnung zu setzen schien; in der That war sie politisch und sittlich wohl gerechtfertigt, denn wie die Dinge damals standen, war die Piraterie etwas anderes als Räuberei und die Gefangenen billig nach Kriegsrecht zu behan- deln. Vor allen Dingen aber liess Pompeius es sich angelegen sein in den neuen römischen Provinzen das städtische Wesen emporzubringen. Wie städtearm das pontische Reich war, ward schon bemerkt (II, 259); die meisten Districte Kappadokiens hat- ten noch ein Jahrhundert später keine Städte, sondern nur Berg- festungen als Zufluchtsort für die ackerbauende Bevölkerung im Kriege; im ganzen östlichen Kleinasien wird es, abgesehen von den sparsam gesäten griechischen Colonien an den Küsten, zu dieser Zeit nicht anders gewesen sein. Die Zahl der von Pompe- ius in diesen Landschaften neu gegründeten Städte wird einschliess- lich der kilikischen Ansiedlungen auf neununddreissig angegeben, von denen mehrere zu hoher Blüthe gelangten. Die namhaftesten dieser Ortschaften in dem ehemaligen pontischen Reiche sind Ni- kopolis, die ,Siegesstadt', gegründet an dem Orte, wo Mithrada- tes die letzte entscheidende Niederlage erlitt (S. 115) -- das schönste Siegesdenkmal des trophäenreichen Feldherren; Megalo- polis, nach Pompeius Beinamen genannt, an der Grenze von Kap- padokien und Kleinarmenien, das spätere Sebasteia (jetzt Siwas), Ziela, wo die Römer die unglückliche Schlacht lieferten (S. 67); eine um den dasigen Tempel der Anaitis entstandene und bisher dem Hochpriester derselben eigene Ortschaft, der Pompeius städ- tische Form und städtisches Recht gab; Diospolis, früher Kabeira, später Neokaesareia (Niksar), gleichfalls eine der Wahlstätten des letzten Krieges; Magnopolis oder Pompeiupolis, das wiederher- gestellte Eupatoria am Zusammenfluss des Lykos und des Iris, ur- sprünglich von Mithradates erbaut, aber wegen des Abfalls der Stadt zu den Römern wieder von ihm zerstört (S. 111); Neapolis, sonst Phazemon, zwischen Amasia und dem Halys. Die meisten dieser Stadtgründungen wurden nicht durch Colonisten aus der Ferne bewirkt, sondern durch Niederlegung der Dörfer und Zusammen- ziehung ihrer Bewohner in den neuen Mauerring; nur in Nikopo- lis siedelte Pompeius die Invaliden und Bejahrten seiner Armee an, die es vorzogen statt später in Italien hier sofort eine Heimath sich zu gründen. Aber auch an andern Orten entstanden auf den Wink des Machthabers neue Brennpuncte der hellenischen Civi- lisation. In Paphlagonien bezeichnete ein drittes Pompeiupolis die Stätte, wo Mithradates Armee im J. 666 den grossen Sieg POMPEIUS UND DER OSTEN. Tarent. Die Maſsregel fand vielfachen Tadel, da sie gewisser-maſsen auf das Verbrechen eine Belohnung zu setzen schien; in der That war sie politisch und sittlich wohl gerechtfertigt, denn wie die Dinge damals standen, war die Piraterie etwas anderes als Räuberei und die Gefangenen billig nach Kriegsrecht zu behan- deln. Vor allen Dingen aber lieſs Pompeius es sich angelegen sein in den neuen römischen Provinzen das städtische Wesen emporzubringen. Wie städtearm das pontische Reich war, ward schon bemerkt (II, 259); die meisten Districte Kappadokiens hat- ten noch ein Jahrhundert später keine Städte, sondern nur Berg- festungen als Zufluchtsort für die ackerbauende Bevölkerung im Kriege; im ganzen östlichen Kleinasien wird es, abgesehen von den sparsam gesäten griechischen Colonien an den Küsten, zu dieser Zeit nicht anders gewesen sein. Die Zahl der von Pompe- ius in diesen Landschaften neu gegründeten Städte wird einschlieſs- lich der kilikischen Ansiedlungen auf neununddreiſsig angegeben, von denen mehrere zu hoher Blüthe gelangten. Die namhaftesten dieser Ortschaften in dem ehemaligen pontischen Reiche sind Ni- kopolis, die ‚Siegesstadt‘, gegründet an dem Orte, wo Mithrada- tes die letzte entscheidende Niederlage erlitt (S. 115) — das schönste Siegesdenkmal des trophäenreichen Feldherren; Megalo- polis, nach Pompeius Beinamen genannt, an der Grenze von Kap- padokien und Kleinarmenien, das spätere Sebasteia (jetzt Siwas), Ziela, wo die Römer die unglückliche Schlacht lieferten (S. 67); eine um den dasigen Tempel der Anaitis entstandene und bisher dem Hochpriester derselben eigene Ortschaft, der Pompeius städ- tische Form und städtisches Recht gab; Diospolis, früher Kabeira, später Neokaesareia (Niksar), gleichfalls eine der Wahlstätten des letzten Krieges; Magnopolis oder Pompeiupolis, das wiederher- gestellte Eupatoria am Zusammenfluſs des Lykos und des Iris, ur- sprünglich von Mithradates erbaut, aber wegen des Abfalls der Stadt zu den Römern wieder von ihm zerstört (S. 111); Neapolis, sonst Phazemon, zwischen Amasia und dem Halys. Die meisten dieser Stadtgründungen wurden nicht durch Colonisten aus der Ferne bewirkt, sondern durch Niederlegung der Dörfer und Zusammen- ziehung ihrer Bewohner in den neuen Mauerring; nur in Nikopo- lis siedelte Pompeius die Invaliden und Bejahrten seiner Armee an, die es vorzogen statt später in Italien hier sofort eine Heimath sich zu gründen. Aber auch an andern Orten entstanden auf den Wink des Machthabers neue Brennpuncte der hellenischen Civi- lisation. In Paphlagonien bezeichnete ein drittes Pompeiupolis die Stätte, wo Mithradates Armee im J. 666 den groſsen Sieg <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0149" n="139"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS UND DER OSTEN.</fw><lb/> Tarent. Die Maſsregel fand vielfachen Tadel, da sie gewisser-<lb/> maſsen auf das Verbrechen eine Belohnung zu setzen schien; in<lb/> der That war sie politisch und sittlich wohl gerechtfertigt, denn<lb/> wie die Dinge damals standen, war die Piraterie etwas anderes als<lb/> Räuberei und die Gefangenen billig nach Kriegsrecht zu behan-<lb/> deln. Vor allen Dingen aber lieſs Pompeius es sich angelegen<lb/> sein in den neuen römischen Provinzen das städtische Wesen<lb/> emporzubringen. Wie städtearm das pontische Reich war, ward<lb/> schon bemerkt (II, 259); die meisten Districte Kappadokiens hat-<lb/> ten noch ein Jahrhundert später keine Städte, sondern nur Berg-<lb/> festungen als Zufluchtsort für die ackerbauende Bevölkerung im<lb/> Kriege; im ganzen östlichen Kleinasien wird es, abgesehen von<lb/> den sparsam gesäten griechischen Colonien an den Küsten, zu<lb/> dieser Zeit nicht anders gewesen sein. 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POMPEIUS UND DER OSTEN.
Tarent. Die Maſsregel fand vielfachen Tadel, da sie gewisser-
maſsen auf das Verbrechen eine Belohnung zu setzen schien; in
der That war sie politisch und sittlich wohl gerechtfertigt, denn
wie die Dinge damals standen, war die Piraterie etwas anderes als
Räuberei und die Gefangenen billig nach Kriegsrecht zu behan-
deln. Vor allen Dingen aber lieſs Pompeius es sich angelegen
sein in den neuen römischen Provinzen das städtische Wesen
emporzubringen. Wie städtearm das pontische Reich war, ward
schon bemerkt (II, 259); die meisten Districte Kappadokiens hat-
ten noch ein Jahrhundert später keine Städte, sondern nur Berg-
festungen als Zufluchtsort für die ackerbauende Bevölkerung im
Kriege; im ganzen östlichen Kleinasien wird es, abgesehen von
den sparsam gesäten griechischen Colonien an den Küsten, zu
dieser Zeit nicht anders gewesen sein. Die Zahl der von Pompe-
ius in diesen Landschaften neu gegründeten Städte wird einschlieſs-
lich der kilikischen Ansiedlungen auf neununddreiſsig angegeben,
von denen mehrere zu hoher Blüthe gelangten. Die namhaftesten
dieser Ortschaften in dem ehemaligen pontischen Reiche sind Ni-
kopolis, die ‚Siegesstadt‘, gegründet an dem Orte, wo Mithrada-
tes die letzte entscheidende Niederlage erlitt (S. 115) — das
schönste Siegesdenkmal des trophäenreichen Feldherren; Megalo-
polis, nach Pompeius Beinamen genannt, an der Grenze von Kap-
padokien und Kleinarmenien, das spätere Sebasteia (jetzt Siwas),
Ziela, wo die Römer die unglückliche Schlacht lieferten (S. 67);
eine um den dasigen Tempel der Anaitis entstandene und bisher
dem Hochpriester derselben eigene Ortschaft, der Pompeius städ-
tische Form und städtisches Recht gab; Diospolis, früher Kabeira,
später Neokaesareia (Niksar), gleichfalls eine der Wahlstätten des
letzten Krieges; Magnopolis oder Pompeiupolis, das wiederher-
gestellte Eupatoria am Zusammenfluſs des Lykos und des Iris, ur-
sprünglich von Mithradates erbaut, aber wegen des Abfalls der Stadt
zu den Römern wieder von ihm zerstört (S. 111); Neapolis, sonst
Phazemon, zwischen Amasia und dem Halys. Die meisten dieser
Stadtgründungen wurden nicht durch Colonisten aus der Ferne
bewirkt, sondern durch Niederlegung der Dörfer und Zusammen-
ziehung ihrer Bewohner in den neuen Mauerring; nur in Nikopo-
lis siedelte Pompeius die Invaliden und Bejahrten seiner Armee
an, die es vorzogen statt später in Italien hier sofort eine Heimath
sich zu gründen. Aber auch an andern Orten entstanden auf den
Wink des Machthabers neue Brennpuncte der hellenischen Civi-
lisation. In Paphlagonien bezeichnete ein drittes Pompeiupolis
die Stätte, wo Mithradates Armee im J. 666 den groſsen Sieg
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