Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND DER OSTEN. erscheint. -- Bei weitem folgenreicher als diese neuen Beziehungender Römer zu den Armeniern, Iberern, Bosporanern und Naba- taeern war die Nachbarschaft, in welche sie durch die Occupation Syriens zu dem parthischen Staate traten. So geschmeidig die römische Diplomatie gegen Phraates aufgetreten war, als noch der pontische und der armenische Staat aufrecht standen, so willig damals sowohl Lucullus als Pompeius ihm den Besitz der Land- schaften jenseit des Euphrat zugestanden hatten (S. 63. 113), so schroff stellte jetzt der neue Nachbar sich neben den Arsakiden; und wenn die königliche Kunst die eigenen Fehler zu vergessen die- sem es gestattete, mochte er wohl jetzt sich der warnenden Worte Mithradats erinnern, dass der Parther durch das Bündniss mit den Occidentalen gegen die stammverwandten Reiche erst diesen und sodann sich selber das Verderben bereite. Römer und Par- ther im Bunde hatten Armenien zu Grunde gerichtet; als es ge- stürzt war, kehrte Rom, seiner alten Politik getreu, die Rollen um und begünstigte den gedemüthigten Feind auf Kosten des mächtigen Bundesgenossen. Schon die auffallende Bevorzugung gehört hieher, die seinem Sohne, dem Verbündeten und Tochter- mann des Partherkönigs gegenüber der Vater Tigranes bei Pom- peius fand; es war eine unmittelbare Beleidigung, als bald nach- her auf Pompeius Befehl der jüngere Tigranes mit seiner Familie zur Haft gebracht und selbst dann nicht freigegeben ward, als sich Phraates bei dem befreundeten Feldherrn für seine Tochter und seinen Schwiegersohn verwandte. Aber Pompeius blieb hie- bei nicht stehen. Die Landschaft Korduene, auf welche sowohl Phraates als Tigranes Ansprüche erhoben, wurde auf Pompeius Befehl durch römische Truppen für den Letzteren occupirt und die im Besitz befindlichen Parther über die Grenze hinausgeschla- gen, ja bis nach Arbela in Adiabene verfolgt, ohne dass die Re- gierung von Ktesiphon auch nur vorher gehört worden wäre (689). Weitaus am bedenklichsten jedoch war es, dass die Römer keines- wegs geneigt schienen die tractatenmässig festgestellte Euphrat- grenze zu respectiren. Mehrmals marschirten römische von Ar- menien nach Syrien bestimmte Corps quer durch Mesopotamien; der arabische Emir Abgaros von Osroene ward unter auffallend günstigen Bedingungen in die römische Clientel aufgenommen; ja Oruros, das im oberen Mesopotamien etwa zwischen Nisibis und dem Tigris 50 deutsche Meilen östlich von dem kommageni- schen Euphratübergang liegt, ward bezeichnet als östlicher Grenz- punkt der römischen Herrschaft, vermuthlich der mittelbaren, insofern die grössere und fruchtbarere nördliche Hälfte Mesopo- POMPEIUS UND DER OSTEN. erscheint. — Bei weitem folgenreicher als diese neuen Beziehungender Römer zu den Armeniern, Iberern, Bosporanern und Naba- taeern war die Nachbarschaft, in welche sie durch die Occupation Syriens zu dem parthischen Staate traten. So geschmeidig die römische Diplomatie gegen Phraates aufgetreten war, als noch der pontische und der armenische Staat aufrecht standen, so willig damals sowohl Lucullus als Pompeius ihm den Besitz der Land- schaften jenseit des Euphrat zugestanden hatten (S. 63. 113), so schroff stellte jetzt der neue Nachbar sich neben den Arsakiden; und wenn die königliche Kunst die eigenen Fehler zu vergessen die- sem es gestattete, mochte er wohl jetzt sich der warnenden Worte Mithradats erinnern, daſs der Parther durch das Bündniſs mit den Occidentalen gegen die stammverwandten Reiche erst diesen und sodann sich selber das Verderben bereite. Römer und Par- ther im Bunde hatten Armenien zu Grunde gerichtet; als es ge- stürzt war, kehrte Rom, seiner alten Politik getreu, die Rollen um und begünstigte den gedemüthigten Feind auf Kosten des mächtigen Bundesgenossen. Schon die auffallende Bevorzugung gehört hieher, die seinem Sohne, dem Verbündeten und Tochter- mann des Partherkönigs gegenüber der Vater Tigranes bei Pom- peius fand; es war eine unmittelbare Beleidigung, als bald nach- her auf Pompeius Befehl der jüngere Tigranes mit seiner Familie zur Haft gebracht und selbst dann nicht freigegeben ward, als sich Phraates bei dem befreundeten Feldherrn für seine Tochter und seinen Schwiegersohn verwandte. Aber Pompeius blieb hie- bei nicht stehen. Die Landschaft Korduene, auf welche sowohl Phraates als Tigranes Ansprüche erhoben, wurde auf Pompeius Befehl durch römische Truppen für den Letzteren occupirt und die im Besitz befindlichen Parther über die Grenze hinausgeschla- gen, ja bis nach Arbela in Adiabene verfolgt, ohne daſs die Re- gierung von Ktesiphon auch nur vorher gehört worden wäre (689). Weitaus am bedenklichsten jedoch war es, daſs die Römer keines- wegs geneigt schienen die tractatenmäſsig festgestellte Euphrat- grenze zu respectiren. Mehrmals marschirten römische von Ar- menien nach Syrien bestimmte Corps quer durch Mesopotamien; der arabische Emir Abgáros von Osroene ward unter auffallend günstigen Bedingungen in die römische Clientel aufgenommen; ja Oruros, das im oberen Mesopotamien etwa zwischen Nisibis und dem Tigris 50 deutsche Meilen östlich von dem kommageni- schen Euphratübergang liegt, ward bezeichnet als östlicher Grenz- punkt der römischen Herrschaft, vermuthlich der mittelbaren, insofern die gröſsere und fruchtbarere nördliche Hälfte Mesopo- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0143" n="133"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS UND DER OSTEN.</fw><lb/> erscheint. — Bei weitem folgenreicher als diese neuen Beziehungen<lb/> der Römer zu den Armeniern, Iberern, Bosporanern und Naba-<lb/> taeern war die Nachbarschaft, in welche sie durch die Occupation<lb/> Syriens zu dem parthischen Staate traten. 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POMPEIUS UND DER OSTEN.
erscheint. — Bei weitem folgenreicher als diese neuen Beziehungen
der Römer zu den Armeniern, Iberern, Bosporanern und Naba-
taeern war die Nachbarschaft, in welche sie durch die Occupation
Syriens zu dem parthischen Staate traten. So geschmeidig die
römische Diplomatie gegen Phraates aufgetreten war, als noch
der pontische und der armenische Staat aufrecht standen, so willig
damals sowohl Lucullus als Pompeius ihm den Besitz der Land-
schaften jenseit des Euphrat zugestanden hatten (S. 63. 113), so
schroff stellte jetzt der neue Nachbar sich neben den Arsakiden;
und wenn die königliche Kunst die eigenen Fehler zu vergessen die-
sem es gestattete, mochte er wohl jetzt sich der warnenden Worte
Mithradats erinnern, daſs der Parther durch das Bündniſs mit
den Occidentalen gegen die stammverwandten Reiche erst diesen
und sodann sich selber das Verderben bereite. Römer und Par-
ther im Bunde hatten Armenien zu Grunde gerichtet; als es ge-
stürzt war, kehrte Rom, seiner alten Politik getreu, die Rollen
um und begünstigte den gedemüthigten Feind auf Kosten des
mächtigen Bundesgenossen. Schon die auffallende Bevorzugung
gehört hieher, die seinem Sohne, dem Verbündeten und Tochter-
mann des Partherkönigs gegenüber der Vater Tigranes bei Pom-
peius fand; es war eine unmittelbare Beleidigung, als bald nach-
her auf Pompeius Befehl der jüngere Tigranes mit seiner Familie
zur Haft gebracht und selbst dann nicht freigegeben ward, als
sich Phraates bei dem befreundeten Feldherrn für seine Tochter
und seinen Schwiegersohn verwandte. Aber Pompeius blieb hie-
bei nicht stehen. Die Landschaft Korduene, auf welche sowohl
Phraates als Tigranes Ansprüche erhoben, wurde auf Pompeius
Befehl durch römische Truppen für den Letzteren occupirt und
die im Besitz befindlichen Parther über die Grenze hinausgeschla-
gen, ja bis nach Arbela in Adiabene verfolgt, ohne daſs die Re-
gierung von Ktesiphon auch nur vorher gehört worden wäre (689).
Weitaus am bedenklichsten jedoch war es, daſs die Römer keines-
wegs geneigt schienen die tractatenmäſsig festgestellte Euphrat-
grenze zu respectiren. Mehrmals marschirten römische von Ar-
menien nach Syrien bestimmte Corps quer durch Mesopotamien;
der arabische Emir Abgáros von Osroene ward unter auffallend
günstigen Bedingungen in die römische Clientel aufgenommen;
ja Oruros, das im oberen Mesopotamien etwa zwischen Nisibis
und dem Tigris 50 deutsche Meilen östlich von dem kommageni-
schen Euphratübergang liegt, ward bezeichnet als östlicher Grenz-
punkt der römischen Herrschaft, vermuthlich der mittelbaren,
insofern die gröſsere und fruchtbarere nördliche Hälfte Mesopo-
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