Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS UND DER OSTEN. Es ist schwierig den aufgelösten Zustand, in dem die syrischenLandschaften damals sich befanden, anschaulich darzulegen. Zwar hatte in Folge der Angriffe Luculls der armenische Statthalter Magadates im J. 685 diese Provinzen geräumt (S. 61), und auch die Ptolemaeer, so gern sie die Versuche ihrer Vorfahren die syrische Küste zu ihrem Reiche zu fügen erneuert haben würden, scheuten sich doch die römische Regierung, welche noch nicht einmal für Aegypten ihren mehr als zweifelhaften Rechtstitel re- gulirt hatte und von den syrischen Prinzen mehrfach angegangen worden war sie als die legitimen Erben des erloschenen Lagiden- hauses anzuerkennen, durch die Occupation Syriens zu reizen. Aber wenn auch die grösseren Mächte sich augenblicklich sämmt- lich der Einmischung in die Angelegenheiten Syriens enthielten, so litt das Land doch weit mehr, als es unter einem grossen Krieg hätte leiden können, durch die end- und ziellosen Fehden der Fürsten, Ritter und Städte. Die factischen Herren im Se- leukidenreich waren derzeit die Beduinen, die Juden und die Nabataeer. Die unwirthliche quell- und baumlose Sandsteppe, die von der arabischen Halbinsel aus bis an und über den Euphrat sich hinzieht und gegen Westen bis an den syrischen Gebirgszug und seinen schmalen Küstensaum, gegen Osten bis zu den rei- chen Niederungen des Tigris und des unteren Euphrat reicht, diese asiatische Sahara ist die uralte Heimath der Söhne Ismaels; und seit es eine Ueberlieferung giebt, finden wir dort den ,Be- dawin', den Sohn der Wüste seine Zelte schlagen und seine Ka- meele weiden oder auch auf seinem geschwinden Ross Jagd machen bald auf den Stammfeind, bald auf den wandernden Han- delsmann. Begünstigt früher durch König Tigranes, der sich ihrer für seine handelspolitischen Pläne bediente (S. 42), nach- her durch die vollständige Meisterlosigkeit in dem syrischen Lande, breiteten diese Kinder der Wüste über das nördliche Syrien sich aus und namentlich diejenigen Stämme, die durch die Nachbar- schaft der civilisirten Syrer die ersten Anfänge einer geordneten Existenz in sich aufgenommen hatten, spielten hier politisch fast die erste Rolle. Die namhaftesten unter diesen Emirs waren Ab- garos, der Häuptling des Araberstamms der Mardaner, den Ti- granes um Edessa und Karrhae im obern Mesopotamien ange- siedelt hatte (S. 61); dann westlich vom Euphrat Sampsikera- mos, der Emir der Araber von Hemesa (Hems) zwischen Da- maskos und Antiochia und der Herr der starken Festung Arethusa; Azizos, das Haupt einer andern in denselben Gegenden streifen- den Horde; Alchaudonios, der Fürst der Rhambäer, der schon POMPEIUS UND DER OSTEN. Es ist schwierig den aufgelösten Zustand, in dem die syrischenLandschaften damals sich befanden, anschaulich darzulegen. Zwar hatte in Folge der Angriffe Luculls der armenische Statthalter Magadates im J. 685 diese Provinzen geräumt (S. 61), und auch die Ptolemaeer, so gern sie die Versuche ihrer Vorfahren die syrische Küste zu ihrem Reiche zu fügen erneuert haben würden, scheuten sich doch die römische Regierung, welche noch nicht einmal für Aegypten ihren mehr als zweifelhaften Rechtstitel re- gulirt hatte und von den syrischen Prinzen mehrfach angegangen worden war sie als die legitimen Erben des erloschenen Lagiden- hauses anzuerkennen, durch die Occupation Syriens zu reizen. Aber wenn auch die gröſseren Mächte sich augenblicklich sämmt- lich der Einmischung in die Angelegenheiten Syriens enthielten, so litt das Land doch weit mehr, als es unter einem groſsen Krieg hätte leiden können, durch die end- und ziellosen Fehden der Fürsten, Ritter und Städte. Die factischen Herren im Se- leukidenreich waren derzeit die Beduinen, die Juden und die Nabataeer. Die unwirthliche quell- und baumlose Sandsteppe, die von der arabischen Halbinsel aus bis an und über den Euphrat sich hinzieht und gegen Westen bis an den syrischen Gebirgszug und seinen schmalen Küstensaum, gegen Osten bis zu den rei- chen Niederungen des Tigris und des unteren Euphrat reicht, diese asiatische Sahara ist die uralte Heimath der Söhne Ismaels; und seit es eine Ueberlieferung giebt, finden wir dort den ‚Be- dawin‘, den Sohn der Wüste seine Zelte schlagen und seine Ka- meele weiden oder auch auf seinem geschwinden Roſs Jagd machen bald auf den Stammfeind, bald auf den wandernden Han- delsmann. Begünstigt früher durch König Tigranes, der sich ihrer für seine handelspolitischen Pläne bediente (S. 42), nach- her durch die vollständige Meisterlosigkeit in dem syrischen Lande, breiteten diese Kinder der Wüste über das nördliche Syrien sich aus und namentlich diejenigen Stämme, die durch die Nachbar- schaft der civilisirten Syrer die ersten Anfänge einer geordneten Existenz in sich aufgenommen hatten, spielten hier politisch fast die erste Rolle. Die namhaftesten unter diesen Emirs waren Ab- garos, der Häuptling des Araberstamms der Mardaner, den Ti- granes um Edessa und Karrhae im obern Mesopotamien ange- siedelt hatte (S. 61); dann westlich vom Euphrat Sampsikera- mos, der Emir der Araber von Hemesa (Hems) zwischen Da- maskos und Antiochia und der Herr der starken Festung Arethusa; Azizos, das Haupt einer andern in denselben Gegenden streifen- den Horde; Alchaudonios, der Fürst der Rhambäer, der schon <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0135" n="125"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS UND DER OSTEN.</fw><lb/> Es ist schwierig den aufgelösten Zustand, in dem die syrischen<lb/> Landschaften damals sich befanden, anschaulich darzulegen. 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POMPEIUS UND DER OSTEN.
Es ist schwierig den aufgelösten Zustand, in dem die syrischen
Landschaften damals sich befanden, anschaulich darzulegen. Zwar
hatte in Folge der Angriffe Luculls der armenische Statthalter
Magadates im J. 685 diese Provinzen geräumt (S. 61), und auch
die Ptolemaeer, so gern sie die Versuche ihrer Vorfahren die
syrische Küste zu ihrem Reiche zu fügen erneuert haben würden,
scheuten sich doch die römische Regierung, welche noch nicht
einmal für Aegypten ihren mehr als zweifelhaften Rechtstitel re-
gulirt hatte und von den syrischen Prinzen mehrfach angegangen
worden war sie als die legitimen Erben des erloschenen Lagiden-
hauses anzuerkennen, durch die Occupation Syriens zu reizen.
Aber wenn auch die gröſseren Mächte sich augenblicklich sämmt-
lich der Einmischung in die Angelegenheiten Syriens enthielten,
so litt das Land doch weit mehr, als es unter einem groſsen
Krieg hätte leiden können, durch die end- und ziellosen Fehden
der Fürsten, Ritter und Städte. Die factischen Herren im Se-
leukidenreich waren derzeit die Beduinen, die Juden und die
Nabataeer. Die unwirthliche quell- und baumlose Sandsteppe,
die von der arabischen Halbinsel aus bis an und über den Euphrat
sich hinzieht und gegen Westen bis an den syrischen Gebirgszug
und seinen schmalen Küstensaum, gegen Osten bis zu den rei-
chen Niederungen des Tigris und des unteren Euphrat reicht,
diese asiatische Sahara ist die uralte Heimath der Söhne Ismaels;
und seit es eine Ueberlieferung giebt, finden wir dort den ‚Be-
dawin‘, den Sohn der Wüste seine Zelte schlagen und seine Ka-
meele weiden oder auch auf seinem geschwinden Roſs Jagd
machen bald auf den Stammfeind, bald auf den wandernden Han-
delsmann. Begünstigt früher durch König Tigranes, der sich
ihrer für seine handelspolitischen Pläne bediente (S. 42), nach-
her durch die vollständige Meisterlosigkeit in dem syrischen Lande,
breiteten diese Kinder der Wüste über das nördliche Syrien sich
aus und namentlich diejenigen Stämme, die durch die Nachbar-
schaft der civilisirten Syrer die ersten Anfänge einer geordneten
Existenz in sich aufgenommen hatten, spielten hier politisch fast
die erste Rolle. Die namhaftesten unter diesen Emirs waren Ab-
garos, der Häuptling des Araberstamms der Mardaner, den Ti-
granes um Edessa und Karrhae im obern Mesopotamien ange-
siedelt hatte (S. 61); dann westlich vom Euphrat Sampsikera-
mos, der Emir der Araber von Hemesa (Hems) zwischen Da-
maskos und Antiochia und der Herr der starken Festung Arethusa;
Azizos, das Haupt einer andern in denselben Gegenden streifen-
den Horde; Alchaudonios, der Fürst der Rhambäer, der schon
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