Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV. schnell genug wirkte, einem keltischen Söldner Bituitus denNacken zum tödlichen Streiche darbot. So starb im J. 691 Mi- thradates Eupator, im achtundsechzigsten Jahre seines Lebens, im siebenundfunfzigsten seiner Regierung, sechsundzwanzig Jahre nachdem er zum ersten Mal gegen die Römer ins Feld gezogen war. Sein Tod galt den Römern einem Siege gleich: lorbeerbe- kränzt, als hätten sie einen solchen zu melden, erschienen die Boten, welche dem Feldherrn die Katastrophe berichteten, im römischen Lager vor Jericho. Die Leiche aber, die König Phar- nakes als Belegstück seiner Verdienste und seiner Loyalität an Pompeius sandte, ward auf dessen Anordnung beigesetzt in den Königsgräbern von Sinope. Ein grosser Feind ward mit ihm zu Grabe getragen, ein grösserer, als je noch in dem schlaffen Osten einer den Römern erstanden war. Instinctmässig fühlte es die Menge; wie einst Scipio mehr noch über Hannibal als über Kar- thago triumphirt hatte, so wurde auch die Ueberwindung der zahlreichen Stämme des Ostens und des Grosskönigs selbst fast vergessen über Mithradates Tod, und bei Pompeius feierlichem Einzug zog nichts mehr die Blicke der Menge auf sich als die Schildereien, in denen man den König Mithradates als Flücht- ling sein Pferd am Zügel führen, dann ihn sterbend zwischen den Leichen seiner Töchter niedersinken sah. Wie man auch über die Individualität des Königs urtheilen mag, er ist eine be- deutende im vollen Sinne des Wortes geschichtliche Gestalt. Er war keine geniale, wahrscheinlich nicht einmal eine reichbegabte Persönlichkeit; aber er besass doch wenigstens die sehr respec- table Gabe zu hassen und mit diesem Hasse hat er den unglei- chen Kampf gegen die übermächtigen Feinde ein halbes Jahr- hundert hindurch zwar ohne Erfolg, aber mit Ehren bestanden. Vor allem aber ward er geschichtlich bedeutungsvoll durch den Platz, den er einnahm. Als der Vorposten der nationalen Re- action des Orients gegen die Occidentalen hat er den neuen Kampf des Ostens gegen den Westen eröffnet; und das Gefühl, dass man nicht am Ende, sondern am Anfang sei, blieb den Be- siegten wie den Siegern. Pompeius inzwischen war, nachdem er im Jahre 689 mit FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV. schnell genug wirkte, einem keltischen Söldner Bituitus denNacken zum tödlichen Streiche darbot. So starb im J. 691 Mi- thradates Eupator, im achtundsechzigsten Jahre seines Lebens, im siebenundfunfzigsten seiner Regierung, sechsundzwanzig Jahre nachdem er zum ersten Mal gegen die Römer ins Feld gezogen war. Sein Tod galt den Römern einem Siege gleich: lorbeerbe- kränzt, als hätten sie einen solchen zu melden, erschienen die Boten, welche dem Feldherrn die Katastrophe berichteten, im römischen Lager vor Jericho. Die Leiche aber, die König Phar- nakes als Belegstück seiner Verdienste und seiner Loyalität an Pompeius sandte, ward auf dessen Anordnung beigesetzt in den Königsgräbern von Sinope. Ein groſser Feind ward mit ihm zu Grabe getragen, ein gröſserer, als je noch in dem schlaffen Osten einer den Römern erstanden war. Instinctmäſsig fühlte es die Menge; wie einst Scipio mehr noch über Hannibal als über Kar- thago triumphirt hatte, so wurde auch die Ueberwindung der zahlreichen Stämme des Ostens und des Groſskönigs selbst fast vergessen über Mithradates Tod, und bei Pompeius feierlichem Einzug zog nichts mehr die Blicke der Menge auf sich als die Schildereien, in denen man den König Mithradates als Flücht- ling sein Pferd am Zügel führen, dann ihn sterbend zwischen den Leichen seiner Töchter niedersinken sah. Wie man auch über die Individualität des Königs urtheilen mag, er ist eine be- deutende im vollen Sinne des Wortes geschichtliche Gestalt. Er war keine geniale, wahrscheinlich nicht einmal eine reichbegabte Persönlichkeit; aber er besaſs doch wenigstens die sehr respec- table Gabe zu hassen und mit diesem Hasse hat er den unglei- chen Kampf gegen die übermächtigen Feinde ein halbes Jahr- hundert hindurch zwar ohne Erfolg, aber mit Ehren bestanden. Vor allem aber ward er geschichtlich bedeutungsvoll durch den Platz, den er einnahm. Als der Vorposten der nationalen Re- action des Orients gegen die Occidentalen hat er den neuen Kampf des Ostens gegen den Westen eröffnet; und das Gefühl, daſs man nicht am Ende, sondern am Anfang sei, blieb den Be- siegten wie den Siegern. Pompeius inzwischen war, nachdem er im Jahre 689 mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0134" n="124"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV.</fw><lb/> schnell genug wirkte, einem keltischen Söldner Bituitus den<lb/> Nacken zum tödlichen Streiche darbot. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV.
schnell genug wirkte, einem keltischen Söldner Bituitus den
Nacken zum tödlichen Streiche darbot. So starb im J. 691 Mi-
thradates Eupator, im achtundsechzigsten Jahre seines Lebens,
im siebenundfunfzigsten seiner Regierung, sechsundzwanzig Jahre
nachdem er zum ersten Mal gegen die Römer ins Feld gezogen
war. Sein Tod galt den Römern einem Siege gleich: lorbeerbe-
kränzt, als hätten sie einen solchen zu melden, erschienen die
Boten, welche dem Feldherrn die Katastrophe berichteten, im
römischen Lager vor Jericho. Die Leiche aber, die König Phar-
nakes als Belegstück seiner Verdienste und seiner Loyalität an
Pompeius sandte, ward auf dessen Anordnung beigesetzt in den
Königsgräbern von Sinope. Ein groſser Feind ward mit ihm zu
Grabe getragen, ein gröſserer, als je noch in dem schlaffen Osten
einer den Römern erstanden war. Instinctmäſsig fühlte es die
Menge; wie einst Scipio mehr noch über Hannibal als über Kar-
thago triumphirt hatte, so wurde auch die Ueberwindung der
zahlreichen Stämme des Ostens und des Groſskönigs selbst fast
vergessen über Mithradates Tod, und bei Pompeius feierlichem
Einzug zog nichts mehr die Blicke der Menge auf sich als die
Schildereien, in denen man den König Mithradates als Flücht-
ling sein Pferd am Zügel führen, dann ihn sterbend zwischen
den Leichen seiner Töchter niedersinken sah. Wie man auch
über die Individualität des Königs urtheilen mag, er ist eine be-
deutende im vollen Sinne des Wortes geschichtliche Gestalt. Er
war keine geniale, wahrscheinlich nicht einmal eine reichbegabte
Persönlichkeit; aber er besaſs doch wenigstens die sehr respec-
table Gabe zu hassen und mit diesem Hasse hat er den unglei-
chen Kampf gegen die übermächtigen Feinde ein halbes Jahr-
hundert hindurch zwar ohne Erfolg, aber mit Ehren bestanden.
Vor allem aber ward er geschichtlich bedeutungsvoll durch den
Platz, den er einnahm. Als der Vorposten der nationalen Re-
action des Orients gegen die Occidentalen hat er den neuen
Kampf des Ostens gegen den Westen eröffnet; und das Gefühl,
daſs man nicht am Ende, sondern am Anfang sei, blieb den Be-
siegten wie den Siegern.
Pompeius inzwischen war, nachdem er im Jahre 689 mit
den Völkern des Kaukasus gekriegt hatte, zurückgegangen in das
pontische Reich und bezwang daselbst die letzten noch Wider-
stand leistenden Schlösser, welche, um dem Räuberunwesen zu
steuern, geschleift und die Schloſsbrunnen durch hinein gewälzte
Felsblöcke unbrauchbar gemacht wurden. Von da brach er im
Sommer 690 nach Syrien auf um dessen Verhältnisse zu ordnen.
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