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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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mit Lucullus sich in Verbindung gesetzt hatte; und andere mehr.
Neben diesen Beduinenfürsten waren überall dreiste Gesellen auf-
getreten, die es den Kindern der Wüste in dem edlen Gewerbe der
Wegelagerung gleich oder auch zuvorthaten: so Ptolemaeos Men-
naeos Sohn, vielleicht der mächtigste unter diesen syrischen
Raubrittern und einer der reichsten Männer dieser Zeit, der über
das Gebiet der Ituraeer -- der heutigen Drusen -- in den Thä-
lern des Libanon wie an der Küste und über die nördlich vorlie-
gende Massyasebene mit den Städten Heliupolis (Baalbeck) und
Chalkis gebot und 8000 Reiter aus seiner Tasche besoldete; so
Dionysios und Kinyras, die Herren der Seestädte Tripolis (Tara-
blus) und Byblos (zwischen Tarablus und Beirut); so der Jude
Silas in Lysias, einer Festung unweit Apameia am Orontes. Im
Süden Syriens dagegen schien der Stamm der Juden sich um
diese Zeit zu einer politischen Macht consolidiren zu wollen.
Durch die fromme und kühne Vertheidigung des uralten jüdischen
Nationalcultes, den der nivellirende Hellenismus der syrischen
Könige bedrohte, war das Geschlecht der Hasmonaeer oder der
Makkabi nicht bloss zum erblichen Principat und allmählich zu
königlichen Ehren gelangt (II, 56. 57), sondern es hatten auch
die fürstlichen Hochpriester erobernd nach Norden, Osten und
Süden um sich gegriffen. Als der tapfere Jannaeos Alexandros
starb (675), erstreckte sich das jüdische Reich gegen Süden
über das ganze philistaeische Gebiet bis an die aegyptische Grenze,
gegen Südosten bis an die des Nabataeerreiches von Petra, von
welchem Jannaeos beträchtliche Strecken am rechten Ufer des
Jordan und des todten Meeres abgerissen hatte, gegen Norden
über Samareia und die Dekapolis bis zum See von Genezareth;
schon machte er hier Anstalt Ptolemais (Acco) einzunehmen
und die Uebergriffe der Ituraeer erobernd zurückzuweisen. Die
Küste gehorchte den Juden vom Berge Karmel bis nach Rhino-
korura mit Einschluss des wichtigen Gaza -- nur Askalon war
noch frei --, so dass das einst vom Meer fast abgeschnittene Ge-
biet der Juden jetzt mit unter den Freistätten der Piraterie auf-
geführt werden konnte. Wahrscheinlich hätten, zumal da der ar-
menische Sturm, eben als er sich den Grenzen Judaeas nahte,
durch Lucullus Dazwischenkunft von dieser Landschaft abgewen-
det ward (S. 60), die begabten Herrscher des hasmonaeischen
Hauses ihre Waffen noch weiter getragen, wenn nicht die Macht-
entwicklung dieses merkwürdigen erobernden Priesterstaates
durch innere Spaltungen im Keime geknickt worden wäre. Die
confessionelle und nationale Tendenz, deren energisches Auftre-

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mit Lucullus sich in Verbindung gesetzt hatte; und andere mehr.
Neben diesen Beduinenfürsten waren überall dreiste Gesellen auf-
getreten, die es den Kindern der Wüste in dem edlen Gewerbe der
Wegelagerung gleich oder auch zuvorthaten: so Ptolemaeos Men-
naeos Sohn, vielleicht der mächtigste unter diesen syrischen
Raubrittern und einer der reichsten Männer dieser Zeit, der über
das Gebiet der Ituraeer — der heutigen Drusen — in den Thä-
lern des Libanon wie an der Küste und über die nördlich vorlie-
gende Massyasebene mit den Städten Heliupolis (Baalbeck) und
Chalkis gebot und 8000 Reiter aus seiner Tasche besoldete; so
Dionysios und Kinyras, die Herren der Seestädte Tripolis (Tara-
blus) und Byblos (zwischen Tarablus und Beirut); so der Jude
Silas in Lysias, einer Festung unweit Apameia am Orontes. Im
Süden Syriens dagegen schien der Stamm der Juden sich um
diese Zeit zu einer politischen Macht consolidiren zu wollen.
Durch die fromme und kühne Vertheidigung des uralten jüdischen
Nationalcultes, den der nivellirende Hellenismus der syrischen
Könige bedrohte, war das Geschlecht der Hasmonaeer oder der
Makkabi nicht bloſs zum erblichen Principat und allmählich zu
königlichen Ehren gelangt (II, 56. 57), sondern es hatten auch
die fürstlichen Hochpriester erobernd nach Norden, Osten und
Süden um sich gegriffen. Als der tapfere Jannaeos Alexandros
starb (675), erstreckte sich das jüdische Reich gegen Süden
über das ganze philistaeische Gebiet bis an die aegyptische Grenze,
gegen Südosten bis an die des Nabataeerreiches von Petra, von
welchem Jannaeos beträchtliche Strecken am rechten Ufer des
Jordan und des todten Meeres abgerissen hatte, gegen Norden
über Samareia und die Dekapolis bis zum See von Genezareth;
schon machte er hier Anstalt Ptolemais (Acco) einzunehmen
und die Uebergriffe der Ituraeer erobernd zurückzuweisen. Die
Küste gehorchte den Juden vom Berge Karmel bis nach Rhino-
korura mit Einschluſs des wichtigen Gaza — nur Askalon war
noch frei —, so daſs das einst vom Meer fast abgeschnittene Ge-
biet der Juden jetzt mit unter den Freistätten der Piraterie auf-
geführt werden konnte. Wahrscheinlich hätten, zumal da der ar-
menische Sturm, eben als er sich den Grenzen Judaeas nahte,
durch Lucullus Dazwischenkunft von dieser Landschaft abgewen-
det ward (S. 60), die begabten Herrscher des hasmonaeischen
Hauses ihre Waffen noch weiter getragen, wenn nicht die Macht-
entwicklung dieses merkwürdigen erobernden Priesterstaates
durch innere Spaltungen im Keime geknickt worden wäre. Die
confessionelle und nationale Tendenz, deren energisches Auftre-

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[126/0136] FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV. mit Lucullus sich in Verbindung gesetzt hatte; und andere mehr. Neben diesen Beduinenfürsten waren überall dreiste Gesellen auf- getreten, die es den Kindern der Wüste in dem edlen Gewerbe der Wegelagerung gleich oder auch zuvorthaten: so Ptolemaeos Men- naeos Sohn, vielleicht der mächtigste unter diesen syrischen Raubrittern und einer der reichsten Männer dieser Zeit, der über das Gebiet der Ituraeer — der heutigen Drusen — in den Thä- lern des Libanon wie an der Küste und über die nördlich vorlie- gende Massyasebene mit den Städten Heliupolis (Baalbeck) und Chalkis gebot und 8000 Reiter aus seiner Tasche besoldete; so Dionysios und Kinyras, die Herren der Seestädte Tripolis (Tara- blus) und Byblos (zwischen Tarablus und Beirut); so der Jude Silas in Lysias, einer Festung unweit Apameia am Orontes. Im Süden Syriens dagegen schien der Stamm der Juden sich um diese Zeit zu einer politischen Macht consolidiren zu wollen. Durch die fromme und kühne Vertheidigung des uralten jüdischen Nationalcultes, den der nivellirende Hellenismus der syrischen Könige bedrohte, war das Geschlecht der Hasmonaeer oder der Makkabi nicht bloſs zum erblichen Principat und allmählich zu königlichen Ehren gelangt (II, 56. 57), sondern es hatten auch die fürstlichen Hochpriester erobernd nach Norden, Osten und Süden um sich gegriffen. Als der tapfere Jannaeos Alexandros starb (675), erstreckte sich das jüdische Reich gegen Süden über das ganze philistaeische Gebiet bis an die aegyptische Grenze, gegen Südosten bis an die des Nabataeerreiches von Petra, von welchem Jannaeos beträchtliche Strecken am rechten Ufer des Jordan und des todten Meeres abgerissen hatte, gegen Norden über Samareia und die Dekapolis bis zum See von Genezareth; schon machte er hier Anstalt Ptolemais (Acco) einzunehmen und die Uebergriffe der Ituraeer erobernd zurückzuweisen. Die Küste gehorchte den Juden vom Berge Karmel bis nach Rhino- korura mit Einschluſs des wichtigen Gaza — nur Askalon war noch frei —, so daſs das einst vom Meer fast abgeschnittene Ge- biet der Juden jetzt mit unter den Freistätten der Piraterie auf- geführt werden konnte. Wahrscheinlich hätten, zumal da der ar- menische Sturm, eben als er sich den Grenzen Judaeas nahte, durch Lucullus Dazwischenkunft von dieser Landschaft abgewen- det ward (S. 60), die begabten Herrscher des hasmonaeischen Hauses ihre Waffen noch weiter getragen, wenn nicht die Macht- entwicklung dieses merkwürdigen erobernden Priesterstaates durch innere Spaltungen im Keime geknickt worden wäre. Die confessionelle und nationale Tendenz, deren energisches Auftre-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/136>, abgerufen am 08.05.2024.