Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL III. Güter, Schadensersatz aus dem Vermögen der Erben und Gehül-fen des Dictators. Es waren das allerdings die logischen Con- sequenzen, die aus einem reinen Sieg der Demokratie sich erga- ben; allein der Sieg der Coalition von 683 war doch weit entfernt ein solcher zu sein. Die Demokratie gab dazu den Namen und das Programm, die übergetretenen Offiziere aber, vor allem Pom- peius, die Macht und die Vollendung; und nun- und nimmermehr konnten diese zu Massregeln ihre Zustimmung geben, die nicht bloss die bestehenden Verhältnisse bis in ihre Grundfesten er- schüttert, sondern auch schliesslich sich gegen sie selbst gewandt haben würden -- war es doch noch im frischen Andenken, wel- cher Männer Blut Pompeius vergossen, wie Crassus zu seinem ungeheuren Vermögen den Grund gelegt hatte. So ist es wohl erklärlich, aber auch zugleich bezeichnend für die Schwäche der Demokraten, dass die Coalition von 683 nicht das Geringste that um den Demokraten Rache oder auch nur Rehabilitation zu ge- währen. Die nachträgliche Einforderung aller der für erstandene confiscirte Güter noch rückständigen oder auch von Sulla den Käufern erlassenen Kaufgelder, welche der Censor Lentulus in einem besonderen Gesetz feststellte, kann kaum als Ausnahme bezeichnet werden; denn wenn auch nicht wenige Sullaner da- durch in ihren persönlichen Interessen empfindlich verletzt wur- den, so war doch die Massregel selbst wesentlich eine Bestätigung der von Sulla vorgenommenen Confiscationen. Sullas Werk also war zerstört; aber die Zukunft des Staates FÜNFTES BUCH. KAPITEL III. Güter, Schadensersatz aus dem Vermögen der Erben und Gehül-fen des Dictators. Es waren das allerdings die logischen Con- sequenzen, die aus einem reinen Sieg der Demokratie sich erga- ben; allein der Sieg der Coalition von 683 war doch weit entfernt ein solcher zu sein. Die Demokratie gab dazu den Namen und das Programm, die übergetretenen Offiziere aber, vor allem Pom- peius, die Macht und die Vollendung; und nun- und nimmermehr konnten diese zu Maſsregeln ihre Zustimmung geben, die nicht bloſs die bestehenden Verhältnisse bis in ihre Grundfesten er- schüttert, sondern auch schlieſslich sich gegen sie selbst gewandt haben würden — war es doch noch im frischen Andenken, wel- cher Männer Blut Pompeius vergossen, wie Crassus zu seinem ungeheuren Vermögen den Grund gelegt hatte. So ist es wohl erklärlich, aber auch zugleich bezeichnend für die Schwäche der Demokraten, daſs die Coalition von 683 nicht das Geringste that um den Demokraten Rache oder auch nur Rehabilitation zu ge- währen. Die nachträgliche Einforderung aller der für erstandene confiscirte Güter noch rückständigen oder auch von Sulla den Käufern erlassenen Kaufgelder, welche der Censor Lentulus in einem besonderen Gesetz feststellte, kann kaum als Ausnahme bezeichnet werden; denn wenn auch nicht wenige Sullaner da- durch in ihren persönlichen Interessen empfindlich verletzt wur- den, so war doch die Maſsregel selbst wesentlich eine Bestätigung der von Sulla vorgenommenen Confiscationen. Sullas Werk also war zerstört; aber die Zukunft des Staates <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0104" n="94"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL III.</fw><lb/> Güter, Schadensersatz aus dem Vermögen der Erben und Gehül-<lb/> fen des Dictators. Es waren das allerdings die logischen Con-<lb/> sequenzen, die aus einem reinen Sieg der Demokratie sich erga-<lb/> ben; allein der Sieg der Coalition von 683 war doch weit entfernt<lb/> ein solcher zu sein. 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Allein dieser Gedanke trat den Demo-<lb/> kraten für den Augenblick zurück vor einer dringenden Gefahr,<lb/> durch welche sie nicht minder als die Aristokratie sich bedroht<lb/> sahen. Die Heere des Pompeius und Crassus lagerten immer<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0104]
FÜNFTES BUCH. KAPITEL III.
Güter, Schadensersatz aus dem Vermögen der Erben und Gehül-
fen des Dictators. Es waren das allerdings die logischen Con-
sequenzen, die aus einem reinen Sieg der Demokratie sich erga-
ben; allein der Sieg der Coalition von 683 war doch weit entfernt
ein solcher zu sein. Die Demokratie gab dazu den Namen und
das Programm, die übergetretenen Offiziere aber, vor allem Pom-
peius, die Macht und die Vollendung; und nun- und nimmermehr
konnten diese zu Maſsregeln ihre Zustimmung geben, die nicht
bloſs die bestehenden Verhältnisse bis in ihre Grundfesten er-
schüttert, sondern auch schlieſslich sich gegen sie selbst gewandt
haben würden — war es doch noch im frischen Andenken, wel-
cher Männer Blut Pompeius vergossen, wie Crassus zu seinem
ungeheuren Vermögen den Grund gelegt hatte. So ist es wohl
erklärlich, aber auch zugleich bezeichnend für die Schwäche der
Demokraten, daſs die Coalition von 683 nicht das Geringste that
um den Demokraten Rache oder auch nur Rehabilitation zu ge-
währen. Die nachträgliche Einforderung aller der für erstandene
confiscirte Güter noch rückständigen oder auch von Sulla den
Käufern erlassenen Kaufgelder, welche der Censor Lentulus in
einem besonderen Gesetz feststellte, kann kaum als Ausnahme
bezeichnet werden; denn wenn auch nicht wenige Sullaner da-
durch in ihren persönlichen Interessen empfindlich verletzt wur-
den, so war doch die Maſsregel selbst wesentlich eine Bestätigung
der von Sulla vorgenommenen Confiscationen.
Sullas Werk also war zerstört; aber die Zukunft des Staates
war damit vielmehr in Frage als festgestellt. Die Coalition, einzig
zusammengehalten durch den gemeinschaftlichen Zweck das Re-
staurationswerk zu beseitigen, löste sich, als dieser erreicht war,
wenn nicht dem Namen, doch der Sache nach von selber auf;
Pompeius, Crassus, die Demokratie verfolgten fortan wieder je-
des besondere und sehr häufig einander zuwiderlaufende Zwecke.
Vorläufig war es immer noch der Senat, der officiell dem Staate
vorstand; das Regiment, wie er lange vor Sulla es besessen
hatte, blieb ihm auch jetzt nach der Zerstörung der von Sulla
aufgeführten Bollwerke. Es lag der demokratischen Faction al-
lerdings nahe genug nach diesem groſsen Erfolg zu weiteren An-
griffen fortzuschreiten, und nach der Wiederherstellung der grac-
chischen Verfassung nun zu versuchen auch einen neuen Gracchus
auf den Schild zu heben. Allein dieser Gedanke trat den Demo-
kraten für den Augenblick zurück vor einer dringenden Gefahr,
durch welche sie nicht minder als die Aristokratie sich bedroht
sahen. Die Heere des Pompeius und Crassus lagerten immer
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