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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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STURZ DER OLIGARCHIE.
noch vor den Thoren der Stadt. Jener hatte zwar zugesagt nach
dem Triumph (31. December 683) seine Soldaten zu verabschieden;
allein zunächst war es unterblieben, um unter dem Druck, den das
spanische Heer vor der Hauptstadt auf diese und den Senat aus-
übte, die Staatsumwälzung ungestört zu vollenden, was denn in
gleicher Weise auch auf die Armee des Crassus Anwendung fand.
Diese Ursache bestand jetzt nicht mehr; aber dennoch unterblieb
die Auflösung der Heere. Die Dinge schienen sich dahin wenden
zu wollen, dass einer der beiden mit der Demokratie alliirten
Feldherren die Militärdictatur ergreifen und Oligarchen und De-
mokraten in dieselben Fesseln schlagen werde. Indess von An-
fang an hatte Crassus in der Coalition eine untergeordnete Rolle
gespielt; er hatte sich antragen müssen und verdankte selbst seine
Wahl zum Consulat hauptsächlich Pompeius stolzer Verwendung.
Weitaus der Stärkere war Pompeius und offenbar er der Herr
der Situation; wenn er zugriff, so schien er werden zu müssen
als was ihn der Instinct der Menge schon jetzt bezeichnete: der
unumschränkte Gebieter des mächtigsten Staates der civilisirten
Welt. Schon drängte sich die ganze Masse der Servilen um den
künftigen Monarchen. Schon suchten die schwächeren Gegner
eine letzte Hülfe in einer neuen Coalition; Crassus, voll alter und
neuer Eifersucht auf den jüngeren so durchaus ihn überflügelnden
Rivalen, näherte sich dem Senat und versuchte durch beispiellose
Spenden die hauptstädtische Menge an sich zu fesseln -- als ob
die durch Crassus selbst mit gebrochene Oligarchie und die ewig
undankbare Menge gegen die Veteranen der spanischen Armee
irgend welchen Schutz zu gewähren vermocht hätten. Einen
Augenblick schien es, als würde es vor den Thoren der Haupt-
stadt zwischen den Heeren des Pompeius und Crassus zur Schlacht
kommen. Auch der Demokratie lag eben wie dem Senat und
Crassus alles daran, dass Pompeius nicht die Dictatur ergriff;
aber mit richtigerer Einsicht in ihre eigene Schwäche und in den
Charakter des mächtigen Gegners versuchten ihre Führer den
Weg der Güte. Pompeius fehlte keine Bedingung um nach der
Krone zu greifen, als die erste von allen: der eigene königliche
Muth. Wir haben den Mann früher geschildert, mit seinem Stre-
ben zugleich loyaler Republikaner und Herr von Rom zu sein,
mit seiner Unklarheit und Willenlosigkeit, mit seiner unter dem
Pochen auf selbstständige Entschlüsse sich verbergenden Lenk-
samkeit. Es war dies die erste grosse Probe, auf die das Verhäng-
niss ihn stellte; er hat sie nicht bestanden. Der Vorwand, unter
dem Pompeius die Entlassung der Armee verweigerte, war, dass er

STURZ DER OLIGARCHIE.
noch vor den Thoren der Stadt. Jener hatte zwar zugesagt nach
dem Triumph (31. December 683) seine Soldaten zu verabschieden;
allein zunächst war es unterblieben, um unter dem Druck, den das
spanische Heer vor der Hauptstadt auf diese und den Senat aus-
übte, die Staatsumwälzung ungestört zu vollenden, was denn in
gleicher Weise auch auf die Armee des Crassus Anwendung fand.
Diese Ursache bestand jetzt nicht mehr; aber dennoch unterblieb
die Auflösung der Heere. Die Dinge schienen sich dahin wenden
zu wollen, daſs einer der beiden mit der Demokratie alliirten
Feldherren die Militärdictatur ergreifen und Oligarchen und De-
mokraten in dieselben Fesseln schlagen werde. Indeſs von An-
fang an hatte Crassus in der Coalition eine untergeordnete Rolle
gespielt; er hatte sich antragen müssen und verdankte selbst seine
Wahl zum Consulat hauptsächlich Pompeius stolzer Verwendung.
Weitaus der Stärkere war Pompeius und offenbar er der Herr
der Situation; wenn er zugriff, so schien er werden zu müssen
als was ihn der Instinct der Menge schon jetzt bezeichnete: der
unumschränkte Gebieter des mächtigsten Staates der civilisirten
Welt. Schon drängte sich die ganze Masse der Servilen um den
künftigen Monarchen. Schon suchten die schwächeren Gegner
eine letzte Hülfe in einer neuen Coalition; Crassus, voll alter und
neuer Eifersucht auf den jüngeren so durchaus ihn überflügelnden
Rivalen, näherte sich dem Senat und versuchte durch beispiellose
Spenden die hauptstädtische Menge an sich zu fesseln — als ob
die durch Crassus selbst mit gebrochene Oligarchie und die ewig
undankbare Menge gegen die Veteranen der spanischen Armee
irgend welchen Schutz zu gewähren vermocht hätten. Einen
Augenblick schien es, als würde es vor den Thoren der Haupt-
stadt zwischen den Heeren des Pompeius und Crassus zur Schlacht
kommen. Auch der Demokratie lag eben wie dem Senat und
Crassus alles daran, daſs Pompeius nicht die Dictatur ergriff;
aber mit richtigerer Einsicht in ihre eigene Schwäche und in den
Charakter des mächtigen Gegners versuchten ihre Führer den
Weg der Güte. Pompeius fehlte keine Bedingung um nach der
Krone zu greifen, als die erste von allen: der eigene königliche
Muth. Wir haben den Mann früher geschildert, mit seinem Stre-
ben zugleich loyaler Republikaner und Herr von Rom zu sein,
mit seiner Unklarheit und Willenlosigkeit, mit seiner unter dem
Pochen auf selbstständige Entschlüsse sich verbergenden Lenk-
samkeit. Es war dies die erste groſse Probe, auf die das Verhäng-
niſs ihn stellte; er hat sie nicht bestanden. Der Vorwand, unter
dem Pompeius die Entlassung der Armee verweigerte, war, daſs er

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[95/0105] STURZ DER OLIGARCHIE. noch vor den Thoren der Stadt. Jener hatte zwar zugesagt nach dem Triumph (31. December 683) seine Soldaten zu verabschieden; allein zunächst war es unterblieben, um unter dem Druck, den das spanische Heer vor der Hauptstadt auf diese und den Senat aus- übte, die Staatsumwälzung ungestört zu vollenden, was denn in gleicher Weise auch auf die Armee des Crassus Anwendung fand. Diese Ursache bestand jetzt nicht mehr; aber dennoch unterblieb die Auflösung der Heere. Die Dinge schienen sich dahin wenden zu wollen, daſs einer der beiden mit der Demokratie alliirten Feldherren die Militärdictatur ergreifen und Oligarchen und De- mokraten in dieselben Fesseln schlagen werde. Indeſs von An- fang an hatte Crassus in der Coalition eine untergeordnete Rolle gespielt; er hatte sich antragen müssen und verdankte selbst seine Wahl zum Consulat hauptsächlich Pompeius stolzer Verwendung. Weitaus der Stärkere war Pompeius und offenbar er der Herr der Situation; wenn er zugriff, so schien er werden zu müssen als was ihn der Instinct der Menge schon jetzt bezeichnete: der unumschränkte Gebieter des mächtigsten Staates der civilisirten Welt. Schon drängte sich die ganze Masse der Servilen um den künftigen Monarchen. Schon suchten die schwächeren Gegner eine letzte Hülfe in einer neuen Coalition; Crassus, voll alter und neuer Eifersucht auf den jüngeren so durchaus ihn überflügelnden Rivalen, näherte sich dem Senat und versuchte durch beispiellose Spenden die hauptstädtische Menge an sich zu fesseln — als ob die durch Crassus selbst mit gebrochene Oligarchie und die ewig undankbare Menge gegen die Veteranen der spanischen Armee irgend welchen Schutz zu gewähren vermocht hätten. Einen Augenblick schien es, als würde es vor den Thoren der Haupt- stadt zwischen den Heeren des Pompeius und Crassus zur Schlacht kommen. Auch der Demokratie lag eben wie dem Senat und Crassus alles daran, daſs Pompeius nicht die Dictatur ergriff; aber mit richtigerer Einsicht in ihre eigene Schwäche und in den Charakter des mächtigen Gegners versuchten ihre Führer den Weg der Güte. Pompeius fehlte keine Bedingung um nach der Krone zu greifen, als die erste von allen: der eigene königliche Muth. Wir haben den Mann früher geschildert, mit seinem Stre- ben zugleich loyaler Republikaner und Herr von Rom zu sein, mit seiner Unklarheit und Willenlosigkeit, mit seiner unter dem Pochen auf selbstständige Entschlüsse sich verbergenden Lenk- samkeit. Es war dies die erste groſse Probe, auf die das Verhäng- niſs ihn stellte; er hat sie nicht bestanden. Der Vorwand, unter dem Pompeius die Entlassung der Armee verweigerte, war, daſs er

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/105>, abgerufen am 23.11.2024.