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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL XIII.
Periode trat gegen die gangbare Lustspieldichtung, wie sie durch
die volksmässige Behandlung und Misshandlung der griechischen
Originale unter Plautus Händen sich gestaltet hatte, eine bemer-
kenswerthe Reaction ein. Ihr Vertreter Terentius (558-595)
ist eine der geschichtlich interessantesten Erscheinungen in der
römischen Litteratur. Geboren im phoenikischen Africa, in frü-
her Jugend als Sclave nach Rom gebracht und dort in die grie-
chische Bildung der Zeit eingeführt, schien er von Haus aus dazu
berufen die durch die derben Griffe des Plautus zur römischen
umgewandelte neuattische Komödie wieder zu denationalisiren
und den kosmopolitischen Charakter des Originals auch in Rom
zur Geltung zu bringen. Schon in der Wahl und der Verwen-
dung der Musterstücke zeigt sich der Gegensatz. Plautus hält
sich vorwiegend an die keckeren und populäreren Attiker, wie
Philemon, Terenz fast ausschliesslich an Menandros, den zier-
lichsten, feinsten und züchtigsten unter allen Poeten der neueren
Komödie. Die Weise mehrere griechische Stücke zu einem latei-
nischen zusammenzuarbeiten, wie sie in Folge der nothwendigen
Weglassungen bei den römischen Copisten sich gebildet hatte und
bei diesen genreartigen in einem engen Kreis von Figuren und
Situationen sich bewegenden Stücken auch allenfalls ertragen
werden konnte, wird von Terenz zwar beibehalten, aber mit un-
vergleichlich mehr Geschicklichkeit und Sorgsamkeit gehandhabt.
Der plautinische Dialog entfernte sich ohne Zweifel sehr häufig
von seinen Mustern; Terenz rühmt sich des wörtlichen Anschlus-
ses seiner Nachbildungen an die Originale, wobei freilich nicht an
eine wörtliche Uebersetzung in unserm Sinn gedacht werden darf.
Die nicht selten rohe, aber immer drastische Auftragung römischer
Localtöne auf den griechischen Grund, wie Plautus sie liebte, wird
vollständig und absichtlich verbannt; nicht eine Anspielung er-
innert an Rom, nicht ein Sprichwort, kaum eine Reminiscenz*
selbst die lateinischen Titel werden durch griechische ersetzt. Der-

* Vielleicht die einzige Ausnahme ist im Mädchen von Andros (4, 5),
wo auf die Frage, wie sie leben, die Gefragten antworten:
Nun,
Wie wir können, heisst's ja, da wie wir möchten es nicht geht;

mit Anspielung auf die freilich auch einem griechischen Sprichwort nach-
gebildete Zeile des Caecilius:
Geht's nicht so wie du magst, leb wie du kannst.
Das Lustspiel ist das älteste der terenzischen und ward auf Empfehlung
des Caecilius von dem Theatervorstand zur Aufführung gebracht. Der leise
Dank ist bezeichnend.

VIERTES BUCH. KAPITEL XIII.
Periode trat gegen die gangbare Lustspieldichtung, wie sie durch
die volksmäſsige Behandlung und Miſshandlung der griechischen
Originale unter Plautus Händen sich gestaltet hatte, eine bemer-
kenswerthe Reaction ein. Ihr Vertreter Terentius (558-595)
ist eine der geschichtlich interessantesten Erscheinungen in der
römischen Litteratur. Geboren im phoenikischen Africa, in frü-
her Jugend als Sclave nach Rom gebracht und dort in die grie-
chische Bildung der Zeit eingeführt, schien er von Haus aus dazu
berufen die durch die derben Griffe des Plautus zur römischen
umgewandelte neuattische Komödie wieder zu denationalisiren
und den kosmopolitischen Charakter des Originals auch in Rom
zur Geltung zu bringen. Schon in der Wahl und der Verwen-
dung der Musterstücke zeigt sich der Gegensatz. Plautus hält
sich vorwiegend an die keckeren und populäreren Attiker, wie
Philemon, Terenz fast ausschlieſslich an Menandros, den zier-
lichsten, feinsten und züchtigsten unter allen Poeten der neueren
Komödie. Die Weise mehrere griechische Stücke zu einem latei-
nischen zusammenzuarbeiten, wie sie in Folge der nothwendigen
Weglassungen bei den römischen Copisten sich gebildet hatte und
bei diesen genreartigen in einem engen Kreis von Figuren und
Situationen sich bewegenden Stücken auch allenfalls ertragen
werden konnte, wird von Terenz zwar beibehalten, aber mit un-
vergleichlich mehr Geschicklichkeit und Sorgsamkeit gehandhabt.
Der plautinische Dialog entfernte sich ohne Zweifel sehr häufig
von seinen Mustern; Terenz rühmt sich des wörtlichen Anschlus-
ses seiner Nachbildungen an die Originale, wobei freilich nicht an
eine wörtliche Uebersetzung in unserm Sinn gedacht werden darf.
Die nicht selten rohe, aber immer drastische Auftragung römischer
Localtöne auf den griechischen Grund, wie Plautus sie liebte, wird
vollständig und absichtlich verbannt; nicht eine Anspielung er-
innert an Rom, nicht ein Sprichwort, kaum eine Reminiscenz*
selbst die lateinischen Titel werden durch griechische ersetzt. Der-

* Vielleicht die einzige Ausnahme ist im Mädchen von Andros (4, 5),
wo auf die Frage, wie sie leben, die Gefragten antworten:
Nun,
Wie wir können, heiſst's ja, da wie wir möchten es nicht geht;

mit Anspielung auf die freilich auch einem griechischen Sprichwort nach-
gebildete Zeile des Caecilius:
Geht's nicht so wie du magst, leb wie du kannst.
Das Lustspiel ist das älteste der terenzischen und ward auf Empfehlung
des Caecilius von dem Theatervorstand zur Aufführung gebracht. Der leise
Dank ist bezeichnend.
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[414/0424] VIERTES BUCH. KAPITEL XIII. Periode trat gegen die gangbare Lustspieldichtung, wie sie durch die volksmäſsige Behandlung und Miſshandlung der griechischen Originale unter Plautus Händen sich gestaltet hatte, eine bemer- kenswerthe Reaction ein. Ihr Vertreter Terentius (558-595) ist eine der geschichtlich interessantesten Erscheinungen in der römischen Litteratur. Geboren im phoenikischen Africa, in frü- her Jugend als Sclave nach Rom gebracht und dort in die grie- chische Bildung der Zeit eingeführt, schien er von Haus aus dazu berufen die durch die derben Griffe des Plautus zur römischen umgewandelte neuattische Komödie wieder zu denationalisiren und den kosmopolitischen Charakter des Originals auch in Rom zur Geltung zu bringen. Schon in der Wahl und der Verwen- dung der Musterstücke zeigt sich der Gegensatz. Plautus hält sich vorwiegend an die keckeren und populäreren Attiker, wie Philemon, Terenz fast ausschlieſslich an Menandros, den zier- lichsten, feinsten und züchtigsten unter allen Poeten der neueren Komödie. Die Weise mehrere griechische Stücke zu einem latei- nischen zusammenzuarbeiten, wie sie in Folge der nothwendigen Weglassungen bei den römischen Copisten sich gebildet hatte und bei diesen genreartigen in einem engen Kreis von Figuren und Situationen sich bewegenden Stücken auch allenfalls ertragen werden konnte, wird von Terenz zwar beibehalten, aber mit un- vergleichlich mehr Geschicklichkeit und Sorgsamkeit gehandhabt. Der plautinische Dialog entfernte sich ohne Zweifel sehr häufig von seinen Mustern; Terenz rühmt sich des wörtlichen Anschlus- ses seiner Nachbildungen an die Originale, wobei freilich nicht an eine wörtliche Uebersetzung in unserm Sinn gedacht werden darf. Die nicht selten rohe, aber immer drastische Auftragung römischer Localtöne auf den griechischen Grund, wie Plautus sie liebte, wird vollständig und absichtlich verbannt; nicht eine Anspielung er- innert an Rom, nicht ein Sprichwort, kaum eine Reminiscenz * selbst die lateinischen Titel werden durch griechische ersetzt. Der- * Vielleicht die einzige Ausnahme ist im Mädchen von Andros (4, 5), wo auf die Frage, wie sie leben, die Gefragten antworten: Nun, Wie wir können, heiſst's ja, da wie wir möchten es nicht geht; mit Anspielung auf die freilich auch einem griechischen Sprichwort nach- gebildete Zeile des Caecilius: Geht's nicht so wie du magst, leb wie du kannst. Das Lustspiel ist das älteste der terenzischen und ward auf Empfehlung des Caecilius von dem Theatervorstand zur Aufführung gebracht. Der leise Dank ist bezeichnend.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/424>, abgerufen am 31.07.2024.